Bildende Künste, Musik, Theater und Gestaltung: So abwechslungsreich das fachliche Angebot, so unterschiedlich die Anforderungen

Foto Prof. Dr. Kathrin Peters
Prof. Dr. Kathrin Peters
Foto: Lola Randl

Kathrin Peters, Professorin an der Universität der Künste Berlin (UdK), im Interview über die besonderen Herausforderungen der Kunsthochschulen beim Thema Vielfalt.

Frau Prof. Peters, an der UdK sind unter einem Dach Bildende Kunst, Musik, Theater und Gestaltung vereint. Welche besonderen Vorbedingungen gibt es bei Ihnen für das Thema Vielfalt?

Da gibt es mehrere Ebenen. Zunächst einmal sind bei uns alle Studiengänge zugangsbeschränkt. Studieninteressierte müssen in der Regel eine künstlerische Eignungsprüfung ablegen. 

Das klingt zunächst neutral: Künstlerische Begabung können ja alle Menschen haben, oder?

In der Praxis ist es aber so, dass man künstlerische Vorbildung braucht, um die Eignungsprüfung zu bestehen. Wer nicht schon zum Beispiel musikalische Früherziehung genossen hat, wird die Aufnahmeprüfung im Bereich der klassischen Musik nur in den seltensten Fällen schaffen. Und in der Bildenden Kunst wird unausgesprochener Weise erwartet, dass man mit einem westlichen Kunstverständnis einigermaßen vertraut ist, Museen besucht hat und sich auskennt mit dem, was in der Kunst für wichtig erachtet wird.

Sie sprachen von mehreren Ebenen. Welche Besonderheiten gibt es noch?

Die Unterrichtsformate sind bei uns anders als in den meisten wissenschaftlichen Fächern. In vielen Studiengängen wird in künstlerischen Klassen gearbeitet; man verbringt einen Großteil seines Studiums in einem Klassenverband und ist auf eine:n Professor:in fokussiert. Das ist ein Szenario, das schnell zu Abhängigkeiten und zu Konkurrenzsituationen unter Studierenden führen kann. Es erfordert sehr viel Geschick und Aufmerksamkeit der Lehrenden, um mit dieser Situation gut umzugehen. Und bei Theater und Tanz beispielsweise kommt dann noch der Aspekt der Körperlichkeit dazu und die Frage, wer wen wie anfassen darf. 

Was möchten Sie bei Ihrem aktuellen Projekt im Rahmen der HRK-Initiative „Vielfalt an deutschen Hochschulen“ erreichen?

Wir veranstalten ein Symposium, bei dem die diskriminierungskritischen Initiativen, die es bei uns an der UdK schon gibt, eingebunden sind – zusammen mit Lehrenden und Studierenden aus den verschiedenen Fakultäten entwickeln wir die Veranstaltungen und laden auch internationale Gäst:innen ein. Begleitend gibt es Seminare, in denen wir auf die geschilderten Besonderheiten einer Kunsthochschule schauen: Wer kommt eigentlich in eine Kunsthochschule rein? Was unterrichten wir warum? Und schließlich geht es um die Unterrichtssituation und die Methoden der Lehre. Wir überlegen, wie Studieninteressierte angesprochen werden können, ohne Ausschlüsse zu produzieren, oder welche Inhalte in den einzelnen Fächern fehlen.

Neben der Vielfaltsdimension der sozialen Herkunft, ist in Ihrem Projekt auch die geographische Herkunft von besonderer Bedeutung. Haben Sie an der UdK eigentlich auch mit Geflüchteten zu tun?

Oh ja, das ist ein weiterer wichtiger Bestandteil unseres aktuellen Projekts. In internen Workshops beschäftigen wir uns mit der Frage, wie wir mit students und scholars at risk umgehen – also mit Studierenden und Künstler:innen, die eine Fluchtgeschichte haben. Für die Kunstuniversitäten generell ist das ein großes Thema, zu dem wir noch keine richtigen Perspektiven entwickelt haben. Ich persönlich finde das unheimlich bedrückend: Wir bekommen Anfragen von Kunststudierenden u. a. aus der Ukraine, aus Syrien und jetzt auch aus Israel und Palästina, die ihr Studium gern bei uns fortsetzen möchten. Nach unseren Regularien müssen sie aber zunächst auch die Aufnahmeprüfung an der UdK bestehen, und dafür stehen allein schon wegen der vielen hundert Bewerbungen um die wenigen Plätze die Chancen nicht gut. 

Was wollen Sie bei den Workshops erreichen?

Wir möchten uns überlegen, wie wir die Situation verbessern können. Zusätzlich zu unseren Expert:innen aus der UdK laden wir dazu Gäst:innen von anderen Kunst- und Musikhochschulen ein. Denn es steht fest, dass uns dieses Thema weiterhin beschäftigen wird. Migration ist das große Thema des 21. Jahrhunderts – und ich bin überzeugt, dass wir uns an den Kunsthochschulen deshalb überlegen müssen, wie wir Zugangsmöglichkeiten schaffen.

Das Interview führte Kilian Kirchgeßner.

Zur Person:

Prof. Dr. Kathrin Peters lehrt Geschichte und Theorie der visuellen Kultur an der Universität der Künste Berlin. Außerdem war sie stellvertretende Sprecherin des DFG-Graduiertenkollegs "Das Wissen der Künste". Seit 2018 ist sie Vorsitzende der Kommission für Chancengleichheit an der UdK Berlin. Zugleich ist sie als Beauftragte der UdK in der Arbeitsgemeinschaft der Frauen- und Geschlechterforschungseinrichtungen Berlin.