Zum Entwurf eines Berufsbildungsmodernisierungsgesetzes der Bundesregierung


Entschließung des HRK-Senats vom 9.10.2019

Mit Erstaunen hat der Senat der HRK den Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Berufsbildungsmodernisierungsgesetzes (BBiMoG) zur Kenntnis genommen.

Im Gesetzentwurf werden die in der Ordnungspraxis des Bundes bereits entwickelten und vom Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) empfohlenen drei beruflichen Fortbildungsstufen unmittelbar im BBiG verankert. Diese Stufen werden bei bundesweiter Anerkennung eines Abschlusses durch Rechtsverordnung nach dem BBiG oder der Handwerksordnung (HwO) mit den einheitlichen und eigenständigen Abschlussbezeichnungen „Geprüfte/r Berufsspezialist/in“, „Bachelor Professional“ und „Master Professional“ versehen.

Der Senat der Hochschulrektorenkonferenz als Vertretung von 268 Hochschulen aus dem gesamten Bundesgebiet spricht sich aus den folgenden Gründen nachdrücklich gegen diese an die Hochschulabschlüsse angelehnten Bezeichnungen aus und fordert, die vorgeschlagenen Bezeichnungen durch genuin berufsbildnerische Termini, die der Tradition und Eigenständigkeit dieses wichtigen Bildungsbereichs Rechnung tragen, ersetzt werden; der Bundesrat hat ebenfalls eine entsprechende Bitte an das Parlament gerichtet.

1.    HRK und die Sozialpartner haben bereits 2016 zum Deutschen Qualifikationsrahmen festgehalten[1], das deutsche Qualifikationssystem transparenter zu machen sowie die Qualitätssicherung unterstützen zu wollen. Sie haben gemeinsam die jeweiligen eigenständigen Profile der Beruflichen Bildung und der Hochschulbildung beschrieben, um die Gleichwertigkeit der Bildungsbereiche sichtbar hervorzuheben. Diesem Ziel steht der Gesetzentwurf konträr entgegen.

2.    Abschlussbezeichnungen müssen transparent und eindeutig sein; in der vorgeschlagenen Novelle werden jedoch ganz unterschiedliche Bildungswege mit fast identischen Bezeichnungen belegt. Dies erzeugt Intransparenz, denn die eindeutige Zuordnung einer Abschlussbezeichnung zum wissenschaftlichen oder berufsbildnerischen Bereich ist essenziell für beide Bereiche. Der Gesetzgebungsentwurf erzeugt darüber hinaus Unklarheit bei der Berufsorientierung Jugendlicher, aber auch in Stellenausschreibungen und bei der Personalsuche der Unternehmen.

3.    Mit der Einführung dieser Abschlussbezeichnungen wird die Kompetenzverteilung im föderalen System der Bundesrepublik verletzt, denn die Bezeichnungen Bachelor und Master stellen hochschulische Abschlussbezeichnungen dar, die in die Kompetenz der Länder fallen; ein von der Kultusministerkonferenz eingeholtes Rechtsgutachten kommt mit großem Nachdruck zu dem gleichen Ergebnis.

4.    Es wäre rechtskonform und in der Sache sinnvoller, eine eigene und unverwechselbare Nomenklatur für die berufliche Bildung zu entwickeln. Die Veränderung der Bezeichnung der Fortbildungsstufen in „Bachelor Professional“ oder „Master Professional“ führt nämlich keinesfalls zu einer Aufwertung der beruflichen Fortbildung gegenüber Hochschulabschlüssen. Eher ist ein gegenteiliger Effekt abzusehen: Die Anlehnung an den Hochschulbereich bei der Titelbezeichnung berücksichtigt nicht den Praxisbezug der Fortbildung, schwächt eingeführte Marken wie Meister oder Fachwirt und suggeriert wechselinteressierten Studierenden, die berufliche Bildung sei eine Art „Auffangbecken“ oder „Ersatzmaßnahme“.

5.    Es ist der falsche Ansatz, die Ungleichheit zwischen den Bildungswegen abbauen zu wollen, indem die Verschiedenheit von hochschulischer und beruflicher Bildung gezielt verwischt wird. Dies dient auch nicht der beruflichen Bildung, denn ihr Praxisbezug sowie die Herausbildung beruflicher Handlungsfähigkeit werden nicht hinreichend gewürdigt, sondern hinter dem Anschein der Wissenschaftlichkeit versteckt.

6.    Der Gesetzesentwurf hätte zur Folge, dass gerade im europäischen Kontext konstant Missverständnisse zu Lasten von Absolventinnen und Absolventen sowie Unternehmen entstehen, werden Bachelor und Master doch ganz eindeutig als Hochschulabschlüsse wahrgenommen und europaweit lediglich von hochschulischen Einrichtungen vergeben.

7.    Vor allem aber gefährdet der vorgelegte Gesetzentwurf die bereits erreichten Ziele des Bologna-Prozesses und damit eines der wichtigsten europäischen, von Bund, Ländern und Hochschulen gemeinsam getragenen Reformprojekte der vergangenen Jahrzehnte.

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[1] „DQR muss Transparenzinstrument bleiben“, Anhang zum Positionspapier 2016 von BDA, DIHK, ZDH, DGB und HRK www.dqr.de/media/content/DQR_Positionspapier_BDA_DIHK_ZDH_DGB_HRK_3_2016.pdf