„Das war ein gewaltiger Kraftakt“

Achim Lichtenberger, Mitinitiator der Austellung „Weltweit unverzichtbar: Kleine Fächer für große Themen"
Achim Lichtenberger, Mitinitiator der Austellung
„Weltweit unverzichtbar: Kleine Fächer für
große Themen"

Im Mittelpunkt der Kleine Fächer-Wochen in Münster stand eine große Ausstellung unter dem Titel „Weltweit unverzichtbar: Kleine Fächer für große Themen“. Ein Bilanzgespräch mit Achim Lichtenberger, einem der Initiatoren.

Herr Lichtenberger, im Untertitel der Ausstellung tauchen die Begriffe „Kommunikation – Migration – Nachhaltigkeit“ auf. Das sind so ziemlich die größten Problemfelder, die es derzeit gibt – es ist ziemlich mutig, sich das alles auf die Fahnen zu schreiben, oder?
(lacht) Ja, aber das war unsere Intention, ins Auge zu fallen und zu zeigen, dass die Kleinen Fächer dazu beitragen können, diese großen Herausforderungen besser zu verstehen.

Können Sie die Probleme in Ihrer Ausstellung lösen?
Probleme lösen können wir nicht. Aber wir können eine komparatistische Ebene einziehen, um zu zeigen, wie gegenwärtige Fragestellungen in anderen Kulturen und anderen Zeiten behandelt wurden. Hinzu kommt: Die Fragestellungen lassen sich besser verstehen, wenn man die breitere kulturgeschichtliche Einbettung sieht. Da ergänzen sich die historischen wie auch die gegenwartsbezogenen Kleinen Fächer sehr gut.

Warum haben Sie sich gerade für das Mittel der Ausstellung entschieden?
Naja: Sie sprechen mit einem Museumsdirektor, da ist es naheliegend, dass man eine Ausstellung wählt (lacht). Aber im Ernst: Wir haben das natürlich diskutiert, und der große Vorteil ist, dass man bei Ausstellungen mit Objekten arbeiten kann – und die sind besonders gut geeignet, Sachverhalte kondensiert, aber auch anschaulich zu transportieren. Und zugleich ist ein Museum ein Ort, an dem unterschiedliche Zielgruppen erreicht werden können; anders, als etwa mit einer Vorlesungsreihe, wo das Publikum eher akademisch ist. Wir erreichen Schülerinnen und Schüler ebenso wie die breite Öffentlichkeit und Besucher aus der Universität.

Welches ist denn Ihr Lieblingsexponat aus der Ausstellung?
Wir haben bewusst unterschiedliche Formate in die Ausstellung integriert – von Objekten über Plakate bis hin zu Medienstationen. Eines meiner Lieblingsobjekte stammt aus der Ur- und Frühgeschichte: ein kleiner Topf aus dem Neolithikum, ein keramisches Gefäß für Getreide, das hier in der Gegend um Münster gefunden wurde. Im Neolithikum lief die größte Revolution der Menschheit ab, die Sesshaftwerdung, in deren Zuge unter anderem die Landwirtschaft entstanden ist. Dieser Prozess hat im alten Orient seinen Anfang genommen und kam durch Migration bis nach Westfalen. An diesem Objekt kann man sehr schön zeigen, dass Migration in erster Linie mit Innovationen verbunden ist. Heute wird das Thema vor allem als Problem betrachtet. Für mich ist das ein Beleg dafür, dass man Dinge in einer historischen und kulturgeschichtlichen Perspektive ganz anders betrachten kann.

Waren an der Ausstellung auch Studierende beteiligt oder haben Sie das mit Ihren Professorenkolleginnen und -kollegen vor allem selbst gestemmt?
Wir haben keine speziellen Seminare dazu gemacht, wenn Sie das meinen. Aber Hilfskräfte waren sehr eng beteiligt – eine Studentin zum Beispiel hat sich so stark engagiert, dass wir sie als Kuratorin mit aufgenommen haben. Andere Studierende haben an den Begleitveranstaltungen zur Ausstellung teilgenommen, viele Texte aus unserem Katalog kamen aus dem Mittelbau. Kurzum: Wir haben uns sehr bemüht, das nicht als Ausstellung von Professoren zu gestalten.

Haben Sie das ganze Museum ausgeräumt, um Platz zu schaffen für die Ausstellung?
Nein, nicht ganz: Unser Museum hat zwei Stockwerke, und von denen haben wir das erste komplett freigeräumt. Die Ausstellung hat sich also über die Hälfte des Museums erstreckt – das war ein gewaltiger Kraftakt.

Hat sich diese Mühe für Sie gelohnt?
Ja, mit den Besucherzahlen sind wir zufrieden, wenngleich wir uns gewünscht hätten, dass mehr Schülerinnen und Schüler kommen – aber da stehen wir in einer Stadt wie Münster einfach in Konkurrenz zu zahlreichen anderen außerschulischen Aktivitäten. Aber die Resonanz innerhalb der Universität ist exzellent. Es ist wirklich toll, wie die Ausstellung die Universität zusammengeschweißt hat und für die Kleinen Fächer, von denen in Münster viele traditionell ohnehin schon eng zusammenarbeiten, noch einmal einen Schub gebracht hat. Es sind eine ganze Reihe von neuen Verbindungen quer durch die Universität entstanden – und das ist eine wirklich nachhaltige Wirkung unserer Ausstellung.

Das Interview führte Kilian Kirchgeßner.

Zur Person:
Achim Lichtenberger ist Klassischer Archäologe. Er forscht im östlichen Mittelmeerraum, beschäftigt sich mit antiker Numismatik und leitet Grabungprojekte in Armenien, Israel und Jordanien. Zusätzlich zu seiner Professur an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster leitet er das archäologische Museum der Universität.