„Das ist ein Gewinn für beide Seiten“

Frank Hildebrandt - Kurator der Sammlung Antike im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.
Frank Hildebrandt - Kurator der Sammlung Antike
im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.
© Hildebrandt

Frank Hildebrandt vom Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg über die Zusammenarbeit mit den Kleinen Fächern – und darüber, wie sich dank guter Gespräche ein völlig anderes Projekt ergeben hat als eigentlich geplant.

Herr Hildebrandt, in Ihrem Museum findet bald eine Veranstaltung der Kleinen Fächer von der Universität Hamburg statt…
… so war es ursprünglich geplant, genau. Aber in den vergangenen Monaten ist unsere Zusammenarbeit viel enger geworden.

Erzählen Sie mal!
Ausgangspunkt war der Plan der Kleinen Fächer, eine Veranstaltung im Museum durchzuführen. Sie wollten dabei ihre Forschungsschwerpunkte und die verschiedenen Institute mit Stellwänden vorstellen. Unser Wunsch war aber, dass eine Beschäftigung mit unserer Sammlung, konkret eine Auseinandersetzung mit unseren Objekten stattfinden soll und dabei die Verbindung zum jeweiligen Forschungsschwerpunkt sichtbar wird. So entstand die Idee, dass sich die Studierenden und die Lehrenden der Kleinen Fächer hier im ganzen Museum umschauen und ihr Know-How an verschiedene Orte tragen. Das ist ein Gewinn für beide Seiten: Die Leute aus der Uni bewegen sich frei bei uns im ganzen Museum und stellen Verknüpfungen zu ihrem Fach her – und wir selbst sind immer dankbar für einen neuen und anderen Blick von außen auf unsere Ausstellungen.

Wie ist denn diese Idee entstanden?
Beim ersten Treffen haben die Vertreter der Universität gefragt, wo wir uns denn ihre Veranstaltung hier bei uns im Museum am ehesten vorstellen könnten. Wir haben in dem Moment den Ball einfach zurückgespielt und gesagt: Wo möchten Sie sich denn gern platzieren? Wo sehen Sie Anknüpfungspunkte? Wir haben die Fächervertreter also geradezu herausgefordert, unkonventionell zu denken, sich in der Sammlung umzusehen und Bezüge herzustellen.

Das klingt noch recht abstrakt. Wo konkret sind die Anknüpfungspunkte, von denen Sie sprechen?
Da gibt es jede Menge! Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Gerade letzte Woche hatte ich ein Gespräch mit einem Wissenschaftler aus der Finno-Ugristik. Der erzählte mir, dass er sich ganz besonders für ein Plakat aus der Graphischen Sammlung interessiert, es ist ein ungarisches Plakat aus der Zeit der Umbrüche in den späten 1980er Jahren. Und jetzt planen die Finno-Ugristen, neben diesem Plakat ein Display aufzustellen, auf dem sie interaktiv die Hintergründe zum Plakat vermitteln und dann noch einen Überblick geben, womit sie sich eigentlich beschäftigen. So ähnlich soll es insgesamt abgelaufen: Die Kleinen Fächer verteilen Impulse über unser ganzes Museum. Für die Besucher werden das Brechungen von dem, was sie bei uns erwarten würden. Genau das ist das Interessante für die Kleinen Fächer, für uns als Museum und für die Besucher: Es wird für uns alle ein spannendes Experiment.

Ist das für Ihr Museum der erste Kontakt zur Universität Hamburg?
Nein, es gibt seit Jahrzehnten enge Kontakte. Früher waren sogar einige Institute hier bei uns im Haus untergebracht, zum Beispiel die Klassische Archäologie. Immer wieder gibt es auch heute studentische Abschlussarbeiten, manche halten Lehrveranstaltungen ganz oder teilweise hier bei uns ab. Derzeit ist zum Beispiel ein Projekt geplant, in dem Schriftzeugnisse mittels 3D-Scanner digitalisiert werden sollen Wir freuen uns aber besonders, dass wir jetzt bei den Kleine Fächer-Wochen mit Disziplinen zusammenarbeiten, mit denen wir bislang noch keinen Kontakt hatten und die mit ganz frischem Blick auf unsere Sammlungen schauen.

Haben Sie aus der Vergangenheit Erfahrungen, was es bei den Studierenden auslöst, wenn sie so intensiv in Ihrem Museum arbeiten?
Ich kann das gut autobiographisch beantworten: Ich habe im Jahr 1997 mit dem Studium der Klassischen Archäologie begonnen und war schon damals Feuer und Flamme für diesen ganzen Bereich. Im Jahr 2000 machte ich mein erstes Museumspraktikum, durfte mich mit antiken Objekten intensiv beschäftigen, sie in die Hand nehmen. Genau das hat in mir den Wunsch aufkommen lassen, gerade in diesem Bereich tätig zu werden. Ein schönes Wort ist in diesem Zusammenhang immer "begreifen". Durch den unmittelbaren Umgang mit den Objekten fällt es wesentlich leichter, ein Verständnis zu entwickeln, Dinge zu verknüpfen und sich zu merken.

Ist für die jetzige Zusammenarbeit mit den Kleinen Fächern eine große Eröffnungsveranstaltung geplant?
Die Kleinen Fächer veranstalten einen Aktionstag bei uns im Museum, und zwar am 6. Februar 2020, an dem sich die einzelnen Kleinen Fächer präsentieren und Einblicke in ihre jeweiligen Projekte und Schwerpunkte geben.

Das Interview führte Kilian Kirchgeßner.

Zur Person:
Frank Hildebrandt ist Kurator der Sammlung Antike im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Er promovierte in Klassischer Archäologie und ist Autor der Bücher „Schätze der Antike. Faszinierende Funde der Archäologie“ (zusammen mit Dr. Stephan Faust) und „Antike Bilderwelten. Was griechische Vasen erzählen“.