Die Umbrüche nutzen

Veranstaltung an der Fachhochschule Südwestfalen
Diskussionsveranstaltung an der Fachhochschule Südwestfalen:
Projektteam der FH Südwestfalen gemeinsam mit Aljosha Muttardi
Bild: Fachhochschule Südwestfalen

Die Fachhochschule Südwestfalen befindet sich derzeit in einem Strategieprozess. Dieser Aufbruch soll jetzt genutzt werden, um Vielfalts-Themen weiter in den Vordergrund zu rücken.

Die Begeisterung für die Sache war sofort da, vor einigen Monaten bei der Diskussionsveranstaltung, erinnert sich Dr. Bettina Kretzschmar: Nach Soest hatte sie mit dem Steuerungsteam CampusDialoge geladen, in einen der fünf Standorte der Fachhochschule Südwestfalen, und es sollte um queeres Leben gehen. „Es waren 40 Teilnehmende dabei“, sagt Kretzschmar, „Studierende und Mitarbeitende ebenso wie Vertreter:innen von örtlichen Initiativen. Und als wir im Laufe der Diskussion gefragt haben, ob ein queeres Netzwerk für sie interessant wäre, kamen sofort positive Rückmeldungen.“

Für Bettina Kretzschmar, zentrale Gleichstellungsbeauftragte an der Hochschule mit ihren mehr als 11.000 Studierenden, zeigt das vor allem eins: dass sie mit ihrem Engagement den Nerv der Zeit trifft. „Nach vielen Veranstaltungen kommen Leute zu mir und sagen, dass sie sich endlich gesehen fühlen“, erzählt sie. Dieses Feedback ist deshalb besonders wichtig für sie, weil sich die ganze Fachhochschule Südwestfalen gerade in einem umfassenden Strategieprozess befindet. Dazu zählt auch die Neubesetzung der Hochschulleitungspositionen. Bislang, sagt Kretzschmar, spielten Vielfalts-Themen keine so herausgehobene Rolle an der Hochschule. „Und ich möchte die derzeitige Phase der Veränderungen gern dazu nutzen, diesen Bereich voranzubringen und Akzente zu setzen.“

Die langfristige Entwicklung und Implementierung einer Diversity-Strategie, die auch kulturell getragen wird, ist das wichtigste Ziel, das im Rahmen der HRK-Initiative „Vielfalt an deutschen Hochschulen“ verfolgt wird. Dazu wurde eine Steuerungsgruppe eingerichtet, zu der das IQEM (Institut für Qualitätsentwicklung und -Management), die Beauftragte für Studierende mit chronischer Erkrankung und Behinderung, das International Office, das Gleichstellungsteam sowie der AStA gehört. Um ihrem Ziel näher zu kommen, setzen sie auf eine aufeinander aufbauende Abfolge von Veranstaltungen – und begannen mit einer Diversity-Schulung für sämtliche Dekanats- und Dezernatsleitungen. „Wir wollten die Dekanate von Anfang an mit ins Boot holen“, sagt Bettina Kretzschmar. Tatsächlich waren sämtliche Dezernent:innen mit von der Partie, auch alle Dekanate waren vertreten; die Spitzen aus Wissenschaft und Verwaltung konnte das Team dadurch gut erreichen. Wenn die anderen Veranstaltungen und Aktionen anlaufen, so das Kalkül der Organisator:innen, sollte die Leitungsebene bereits für das Thema sensibilisiert sein. „Wir haben gezeigt, warum das Thema Vielfalt generell wichtig ist und wo die Relevanz für uns als Hochschule liegt“, sagt Bettina Kretzschmar. Zugleich sollten alle Vertreter:innen mit dem aktuellen Diskurs vertraut gemacht werden – „eine Diskussion ist nun einmal schwierig, wenn jemand noch nie von Begriffen wie Abelism, Queer oder Klassismus gehört hat“, sagt Bettina Kretzschmar.

Dieser Auftaktveranstaltungen folgten Workshops mit Hochschulangehörigen. Bewusst wurden sie dezentral angeboten und meistens auch mit der Möglichkeit einer virtuellen Teilnahme – zwischen den fünf Standorten der Fachhochschule Südwestfalen liegen teils mehr als 60 Kilometer und eine Stunde Fahrtzeit. Auch ein Comedy-Abend gehörte zum Angebot, an dem das Thema Behinderung humoristisch reflektiert wurde. „Wir finden es wichtig, nicht zu viel mit dem erhobenen Zeigefinger zu arbeiten“, heißt es im Steuerungsteam.

In der aktuell laufenden hochschulweiten Umfrage werden die Hochschulmitglieder zu ihrem persönlichen Hintergrund und Diskriminierungserfahrungen befragt. Die Ergebnisse sollen in die Entwicklung von passgenauen Maßnahmen und in den anschließenden Strategieprozess einfließen.

Text von Kilian Kirchgeßner