Die bisherige Praxis auf dem Prüfstand

Mit ihrem Konzept zur migrationsbezogenen Diversitätsorientierung gehörte die Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd zu den Vorreiterinnen. Jetzt wird es aktualisiert und zu einem umfassenden Diversitätskonzept erweitert.

Der Preis ist das Sahnehäubchen zum Abschluss eines Semesters, an dem sich die ganze Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd mit dem Thema Vielfalt beschäftigt: Verliehen wird er für jene Abschlussarbeit, die am gelungensten Diversitätsaspekte adressiert. „Diversität bildet“ ist das Motto und zugleich der Name des Preises, der mit 500 Euro dotiert ist. „Wir haben die Ausschreibung bewusst sehr weit formuliert, um die ganze Breite des Themas abzudecken“, sagt Mit-Initiatorin Dr. Sandra Kostner: „Die Arbeiten können sich mit fachdidaktischen Konzepten beschäftigen, mit der Schaffung einer diversitätssensiblen Lehr-/ Lernumgebung oder über den Bildungsbereich hinausgehende gesellschaftliche Felder analysieren, da sind wir ganz offen.“ Im Frühjahr 2024 wird der Preis zum ersten Mal verliehen, in der Folge soll er jährlich ausgelobt werden.

Im Rahmen der HRK-Initiative „Vielfalt an deutschen Hochschulen“ soll in Schwäbisch Gmünd vor allem das längst bestehende migrationsbezogene Diversitätskonzept auf den Prüfstand gestellt werden: Was hat daran gut funktioniert in den vergangenen elf Jahren? Und an welchen Punkten muss es aktualisiert, verfeinert, erweitert werden? Sandra Kostner, die federführend hinter dem aktuellen Projekt steht, gehörte schon 2011 zu den treibenden Kräften des Konzepts. Sie ist Geschäftsführerin des Masterstudiengangs Migration, Diversität und Teilhabe (damals hieß er noch Interkulturalität und Integration). In einem Seminar beschäftigte sie sich damals mit ihren Studierenden mit der interkulturellen Öffnung von Institutionen. „Am Anfang war das vor allem als Fingerübung gedacht“, erinnert sie sich, „aber dann kam schnell die Frage auf, warum wir eigentlich nicht mit der eigenen Institution anfangen.“

Die Folge war eine umfangreiche Datenerhebung, in der vor allem soziale Faktoren und ein Migrationshintergrund abgefragt wurden: Es entstand ein migrationsbezogenes Diversitätskonzept. 2014 wurde Sandra Kostner zur Diversitätsbeauftragten ernannt. „Eine der Beobachtungen damals war, dass Studieninteressente mit Migrationshintergrund oft vor uns als Pädagogischer Hochschule zurückgeschreckt sind“, sagt Sandra Kostner: Vom Berufsziel Lehramt scheuten diejenigen zurück, die keine deutschen Staatsangehörigen waren und für die eine Einbürgerung mit der Aufgabe der Herkunftsstaatsangehörigkeit verbunden gewesen wäre. Ein Beamter, so hörte Kostner in vielen Gesprächen, sei schließlich ur-deutsch. Die Frage, ob man selbst da reinpasse, trieb viele Studieninteressenten mit Migrationshintergrund um. Zudem zeigte sich, dass viele Lehramtsstudierende mit Migrationsgeschichte in ihren Familien die ersten waren, die studierten. Sie konnten viel weniger als ihre deutschstämmigen Mitstudierende auf familiäres Wissen über Fragen rund ums Studium und den Lehrerberuf zurückgreifen. Und auch in der Lehre reagierten nicht alle Dozierenden diversitätssensibel. „Inzwischen hat sich dies geändert“, so ihr Eindruck – weshalb das Update des jetzigen, auf Migrationsfragen zugeschnittenen Diversitätskonzepts zu einem umfassenden Diversitätskonzept dringend geboten sei.

Wiederum wird es jetzt eine Befragung geben, die von einem externen Institut durchgeführt wird. Abgefragt werden sollen alle Vielfalts-Kategorien, unter Studierenden ebenso wie unter Lehrenden und Mitarbeitenden. Ein Ziel ist es, die verschiedenen Dimensionen in einem gemeinsamen Konzept zusammenzufassen – und auch die Beauftragten besser zu vernetzen, die es inzwischen gibt. Diese Tätigkeit üben sie wegen der überschaubaren Größe der Hochschule neben ihren sonstigen Aufgaben aus.

Zu dem Projekt gehören auch Foren, die einige der großen Themen abdecken sollen: Eines wird sich mit sozialer Herkunft und Erstakademiker:innen beschäftigen, ein weiteres mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen. Zum Highlight des Projekts soll die Veranstaltung zu Rassismus und Feminismus werden, in der auch über die Begriffe des white bzw. black feminism diskutiert wird: Hier sind auch die Städte Ahlen und Schwäbisch Gmünd als Veranstalterinnen mit im Boot. Eingeladen sind nicht nur Hochschulangehörige, sondern auch die Öffentlichkeit. „Wir wollen eine möglichst große Außenwirkung erzielen“, fasst Sandra Kostner das Ziel zusammen, „und unsere Themen damit in die Breite tragen.“

Text von Kilian Kirchgeßner