Zur Weiterentwicklung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes


Diskussionsvorschlag der Mitgliedergruppe Universitäten der Hochschulrektorenkonferenz (Berlin, 6.7.2022)

I. Ausgangslage
Die Universitäten sehen es als ihre Aufgabe, Menschen auch im Wege der Promotion auf höchstem Niveau zu qualifizieren. Es liegt in der Natur von Qualifizierungsstellen, dass sie schon im Sinne der Generationengerechtigkeit nur befristet besetzt werden dürfen. Der weitaus größte Anteil der Promovierten schlägt Karrierewege in die Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft ein. Nur eine geringe Zahl von Promovierten verbleibt dauerhaft an den Universitäten, weil der Bedarf an Professor:innen und Wissenschaftler:innen auf Karrierewegen neben der Professur begrenzt ist. Es ist im eigenen Interesse der Wissenschaft, den Bestqualifizierten einen Verbleib auf Professuren oder unbefristeten Positionen neben der Professur zu ermöglichen.

II. Reformvorschläge
1. Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG):

Die Entscheidung, ob eine dauerhafte Karriere in der Wissenschaft realistisch ist, sollte zukünftig zu einem früheren Zeitpunkt in der beruflichen Laufbahn fallen. Wir schlagen daher einen einheitlichen, maximalen Qualifizierungszeitraum im Rahmen von § 2 Abs. 1 WissZeitVG von 10 Jahren vor (plus familienpolitische Komponente). Spätestens danach folgen planbare Karrierewege entweder auf einer Juniorprofessur (mit Tenure), einer Dauerstelle neben der Professur oder – was der weitaus häufigste Fall ist - außerhalb der Wissenschaft. Innerhalb dieses Zeitraums darf einerseits bis zum Abschluss der Promotion bis zu 6 Jahre befristet werden. Der Erstvertrag mit dem Qualifikationsziel Promotion sollte mit einer Mindestlaufzeit (möglichst mindestens 3 Jahre) abgeschlossen werden. Für die Postdoc-Phase verbleibt andererseits in jedem Fall ein Zeitraum von mindestens 4 Jahren.
Die durch einen einheitlichen Qualifizierungszeitraum gewonnene Flexibilität mit Blick auf die Dauer der Promotion und der Postdoc-Phase trägt den unterschiedlichen Fachkulturen und individuellen Bedarfen Rechnung. Zudem gewährleistet die Vorverlegung der Karriereentscheidung die Passfähigkeit zu den rechtlichen Ausgestaltungen der Länder.  
Die Mitgliedergruppe Universitäten der HRK spricht sich dagegen aus, dass bereits in der frühen Postdoc-Phase alle Befristungen zwingend mit einer Anschlusszusage bei Zielerreichung versehen werden. Die Pflicht zu einer Anschlusszusage würde die Zahl der Postdoc-Stellen erheblich reduzieren und damit vielen Wissenschaftler:innen in der frühen Karrierephase die Chance auf eine Karriere in der Wissenschaft nehmen.

2. Weitere notwendige Maßnahmen neben dem WissZeitVG:

- Die öffentlich-rechtlichen Drittmittelgeber sollten ihre Drittmittelpraxis mit Blick auf die Mittelverwendung und die Laufzeiten anpassen, um etwa Pooling-Lösungen für unbefris-tete Beschäftigte und eine realistische Laufzeit auf Qualifizierungsstellen zu ermöglichen. Familienbedingte Ausfallzeiten sollten auch von Drittmittelgebern kompensiert werden.
- Die HRK hat einen Prozess angestoßen, um einerseits die unterschiedlichen Karrierewege zur Professur klarer und transparenter zu strukturieren und um andererseits Karrieren in unbefristete Positionen in die Wissenschaft neben der Professur stärker zu etablieren. In diesem Rahmen wird unter anderem eine öffentliche Veranstaltung im ersten Halbjahr 2023 durchgeführt werden.


Grafik zum Diskussionsvorschlag WissZeitVG der Mitgliedergruppe Universitäten
der HRK


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[1] Z.B. § 70 Abs. 3 S. 3 HG HE „Die Dauer der wissenschaftlichen Tätigkeit während und nach der Promotion soll in der Regel neun Jahre oder die Tätigkeit nach der Promotion vier Jahre nicht übersteigen“.