Zur Weiterentwicklung der Exzellenzinitiative


Empfehlung des 108. Senats vom 27.5.2008



Vorbemerkung


Die Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Artikel 91 b des Grundgesetzes (Forschungsförderung) über die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zur Förderung von Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen vom Juni 2005 läuft über die Jahre 2006 bis 2011. In der Präambel werden die beiden Ziele der 'Exzellenzinitiative' formuliert: "Damit wollen Bund und Länder eine Leistungsspirale in Gang setzen, die die Ausbildung von Spitzen und die Anhebung der Qualität des Hochschul- und Wissenschaftsstandortes Deutschland in der Breite zum Ziel hat."


Die HRK hat die Exzellenzinitiative vielfach und nachdrücklich begrüßt, obwohl die Mitgliedshochschulen von der Exzellenzinitiative in unterschiedlichem Maße betroffen sind. Die Weiterentwicklung nach 2011 muss geeignet sein, der doppelten Zielsetzung in der Praxis noch deutlicher zu entsprechen, nämlich neben der unabdingbaren Ausbildung von Spitzen auch die Anhebung der Qualität in der Breite stärker in den Fokus zu rücken und Mittelausstattung, Ausschreibung, Begutachtung und Bewilligungsentscheidung daran zu orientieren. Förderung der Forschung bedeutet auch die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in den geförderten Gebieten. Diesem Gedanken wird in der laufenden Initiative Rechnung getragen, doch wurden hierbei noch nicht alle Optionen der Initiative ausgeschöpft.


Die folgenden Empfehlungen richten sich an Bund und Länder wie auch an Deutsche Forschungsgemeinschaft und Wissenschaftsrat mit der Bitte, der Erwartungshaltung der das Programm ausfüllenden Hochschulen im Interesse der Sache zu entsprechen.


I. Die fachlich erfolgreiche Exzellenzinitiative fortsetzen


In 39 Graduiertenschulen, 37 Exzellenzclustern und im Rahmen von neun Zukunftskonzepten der laufenden ersten Exzellenzinitiative wird auf der Basis sorgfältiger internationaler Begutachtung über Fächer aller Wissenschaftsgebiete hinweg in den Hochschulen an spezifischen Themen geforscht, die auf höchstem Niveau wissenschaftliches Neuland erschließen. Dabei wird auch die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses für die weitere Bearbeitung dieser Gebiete gefördert. Mit der Exzellenzinitiative werden die interne Steuerungskompetenz und die Wettbewerbsfähigkeit der antragstellenden Universitäten enorm gestärkt, wodurch sich die Bedingungen für hochschulische Spitzenforschung überaus stark verbessern. Die fachliche und institutionelle Kooperation der Universitäten mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen wird durch die Exzellenzinitiative sehr ertragreich vorangebracht. Diese äußerst positiven Entwicklungen können weder auf der fachlichen noch auf der institutionellen Ebene innerhalb eines fünfjährigen Förderzeitraums mit nachhaltiger Wirkung abgeschlossen werden.


Die Exzellenzinitiative kann ihr volles Potential nur entfalten, wenn sie in geeigneter Weise weiter entwickelt wird.


II. Aussichtsreiche Neuanträge ermöglichen und deshalb die Fördermittel aufstocken


Es ist vorgesehen, die Projekte der laufenden Exzellenzinitiative zum Ende des Förderzeitraums zu evaluieren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass vielfach wegen der Neuartigkeit der organisatorischen Anforderungen (Personalrekrutierung, Bereitstellung von Infrastruktur) der Beginn der inhaltlichen Arbeit sich verzögerte und dass die Projekte wegen der Natur des Forschungsgegenstands eine mittelfristige Finanzierung benötigen. Es ist davon auszugehen, dass die Evaluation für viele laufende Projekte eine Anschlussbewilligung nahelegt.


In den Hochschulen gibt es darüber hinaus eine hohe Zahl grundsätzlich förderungswürdiger Projekte, deren Umsetzung die Forschung in Deutschland noch weiter voranbringen wird. Dabei handelt es sich teilweise um neu konzipierte Vorhaben, teilweise auch um Vorhaben, die angesichts der hohen Anforderungen an die bereitzustellende Infrastruktur an vielen Standorten nicht rasch genug in Anträge umgesetzt werden konnten (Hochschulen, Länder und Bund haben dieses Problem erkannt und einschlägige Maßnahmen schon eingeleitet).


Bei der Weiterentwicklung der Exzellenzinitiative ist daher Sorge dafür zu tragen, dass eine hinreichend große Zahl von Neuanträgen gefördert werden kann, um die Motivation zur Beteiligung an diesem hochkompetitiven Verfahren aufrecht zu halten. Eine Vielzahl neuer Anträge wird dazu führen, dass die Herausbildung universitärer "Leuchttürme", die in besonderem Maße in Lage sind, Personal aus dem Ausland anzuwerben, nicht zu Lasten der Spitzenförderung bei anderen Standorten geschieht und somit die Forschung hierzulande in der Breite gestärkt wird.


Der Mittelansatz für die nächste Exzellenzinitiative für die Hochschulen sollte daher um fünfzig Prozent aufgestockt werden.


III. Forschung stärker im Verbund mit Lehre fördern


Die forschungsstarken Hochschulen der führenden Industrienationen sind regelmäßig auch exzellente Ausbildungsstätten. Forschung und Lehre sind nicht trennbare Aufgaben der Hochschulen. Dieser Zusammenhang sollte bei der Weiterentwicklung der Initiative stärker bedacht werden. Die besonderen Chancen einer hochschulbezogenen Initiative der Forschungsförderung liegen darin, die Forschung in exzellenten Clustern so weit wie möglich in die Lehre, zumal auf der Ebene der Masterprogramme, hineinwirken zu lassen.


Konzepte für die Lehre sollten künftig in der dritten Säule Berücksichtigung finden, wobei auch stärker als bisher Kooperationen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Fachhochschulen gefördert werden sollten.


IV. Exzellenzcluster flexibilisieren


Der bisherige Kostenansatz für einzelne Exzellenzcluster hat gelegentlich zu einer unnötigen Aufblähung oder Beschränkung bei Projektanträgen geführt. Die bisherige Vorgabe einer finanziellen Größenordnung ist daher zu flexibilisieren, um der finanziellen Dimension des wissenschaftlichen Kernvorhabens zu entsprechen.


Während die Graduiertenschulen und die Zukunftskonzepte an jeweils einer Institution verankert sein müssen ('Ortsprinzip'), um nachhaltigen Erfolg zu bewirken, können Exzellenzcluster auch auf der Basis eines geographisch weiter gefassten 'Regionalprinzips" wichtige fachliche Beiträge liefern und gleichwohl die jeweilige Exzellenz benachbarter Einrichtungen dokumentieren und stärken. Um verstärkt wissenschaftlichen Mehrwert zu erzielen, sollte bei den Exzellenzclustern allgemein das Ortsprinzip durch ein Regionalprinzip ersetzt werden; dies sollte vor allem für groß angelegte Projekte gelten, in welchen die verteilte Kompetenz und Infrastruktur verkehrstechnisch gut verbundener Standorte genutzt wird.


V. Nur eine Antragsrunde mit längerer Laufzeit vorsehen


Anträge beanspruchen die involvierten WissenschaftlerInnen sowie die Hochschulleitungen und -verwaltungen in sehr hohem Maße. Deshalb ist es aus organisatorischen Gründen zweckmäßig, in jeder Exzellenzinitiative nur eine einzige Antragsrunde vorzusehen.


Die Bearbeitung umfassender wissenschaftlicher Fragestellungen erfordert in der Regel eine Perspektive von mehr als fünf Jahren.Deshalb, wie auch aus organisatorischen Gründen, ist es sinnvoll, den Förderzeitraum einer Exzellenzinitiative von fünf auf vorzugsweise sieben Jahre zu erhöhen. Dies dürfte auch eine Entlastung bei Bund und Ländern sowie bei Deutscher Forschungsgemeinschaft und Wissenschaftsrat bewirken.


VI. Programmpauschale erhöhen


Die Programmpauschale zur Finanzierung von Gemeinkosten eines Drittmittelprojekts unterstützt die Hochschule in außerordentlich positiver Weise nicht nur finanziell, sondern auch auf ihrem Wege zur Modernisierung der Governance. Die faktischen Gemeinkosten liegen indes regelmäßig weit über 20% der Projektkosten.


Die Programmpauschale ist daher unbedingt beizubehalten; sie sollte allerdings über dem bislang vorgesehen Ansatz von zwanzig Prozent der beantragten Projektmittel liegen.


Die Bewilligungssummen der zweiten Bewilligungsrunde der ersten Exzellenzinitiative führten zu finanzieller Planungsunsicherheit bei den Bewilligungsempfängern der ersten Runde. Analoge Probleme werden bei einer einzigen Antragsrunde pro Exzellenzinitiative nicht mehr auftreten. Die Mittelzuweisung muss in jedem Falle verlässlich erfolgen.


VII. Zukunftskonzepte breiter nutzbar machen


'Zukunftskonzepte' sollen in besonderem Maße dazu dienen, zukunftsweisende institutionelle Strategiekonzepte zu fördern und damit einigen wenigen deutschen Hochschulen die Möglichkeit geben, sich im internationalen Hochschulwettbewerb in der Spitzengruppe zu positionieren. Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, das Förderziel auf innovative Maßnahmen auszurichten und hierfür inhaltlich breiten Spielraum zu lassen; gleichwohl sollten die Förderkriterien klar und bestimmt formuliert sein. Die Bewilligung von Anträgen der Förderlinie 'Zukunftskonzepte' setzt bislang die Bewilligung von mindestens je einer Graduiertenschule und einem Exzellenzcluster vor Ort voraus. Die oben vorgeschlagenen Modifikationen bei der Förderlinie 'Exzellenzcluster' bedingen, dass die vor Ort etablierten kleineren Cluster oder die Teile von sehr großen Clustern nun angemessen gewichtet werden.


Der Nachweis schon vorhandener Forschungsstärke soll auch weiterhin ein unabdingbares Kriterium für eine Bewilligung in der dritten Förderlinie sein, allerdings sollten auch andere als in der Exzellenzinitiative bewilligte Projekte hierfür als Nachweis anerkannt werden.


Angesichts der Notwendigkeit, die hochschulspezifische Verbindung von Forschung und Lehre stärker in den Fokus der Initiative zu rücken, sollte ein Zukunftskonzept nur bewilligt werden können, wenn die Hochschule auch ein die gesamte Institution umfassendes und herausragendes Konzept forschungsbezogener Ausbildung vorgelegt hat.


Die 'Exzellenzinitiative' wird zu 75 Prozent vom Bund und zu 25 Prozent vom Sitzland finanziert; Bund und Länder stellen der Deutschen Forschungsgemeinschaft insgesamt Euro 1,9 Mrd. (einschl. Gemeinkosten von 20% pro Projekt und Verwaltungskosten) für die laufende Initiative zur Verfügung.


Das Programm erlaubt eine jeweils fünfjährige Förderung in drei Programmlinien, den "Graduiertenschulen", den "Exzellenzclustern" und den "Zukunftskonzepten zur universitären Spitzenforschung". Bei der Konzeption des Programms wurden - im Sinne einer Planungsvorgabe und ohne Berücksichtigung der Mittel für Gemeinkosten- Richtwerte hinsichtlich der individuellen jährlichen Fördersummen formuliert: 1 Mio. Euro für Graduiertenschulen, 6,5 Mio. Euro für Exzellenzcluster und etwa 10 Mio. Euro für Zukunftskonzepte.


Der Wettbewerb um die Fördermittel wurde in zwei Ausschreibungsrunden organisiert. Die Förderentscheidungen der ersten Runde wurden am 13. Oktober 2006, die der zweiten Ausschreibungsrunde am 19. Oktober 2007 bekannt gegeben. Dementsprechend werden die Projekte der zweiten Runde im Oktober 2012 enden.


Anträge in den Förderlinien "Graduiertenschulen" und "Exzellenzcluster" werden bei der DFG begutachtet. Für die dritte Förderlinie ist eine Strategiekommission zuständig, die von der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrates eingesetzt wurde.Die Fachkommission und die Strategiekommission bildeten die Gemeinsame Kommission, in deren Sitzungen die Ergebnisse der Begutachtungen beraten wurden; die Gemeinsame Kommission formulierte für alle drei Förderlinien die Förderempfehlungen an den DFG-Bewilligungsausschuss für die Exzellenzinitiative.


Im Rahmen der ersten Ausschreibungsrunde gingen im Herbst 2005 mehr als 300 Antragsskizzen ein. Die Gemeinsame Kommission forderte am 20. Januar 2006 36 Universitäten auf, bis zum 20. April 2006 ausgearbeitete Anträge zu stellen. Am 13. Oktober 2006 wurden die Förderentscheidungen der ersten Runde zugunsten von 22 Standorten bekannt gegeben. Es wurden 18 Graduiertenschulen, 17 Exzellenzcluster und 3 Zukunftskonzepte mit einem gesamten Fördervolumen von 873 Millionen Euro bewilligt.Für die zweite Ausschreibungsrunde standen demnach etwa 1 Mrd. Euro zur Verfügung.


Zum Stichtag 15. September 2006 wurden von 70 Universitäten aus allen Bundesländern neue Anträge eingereicht: 118 Antragsskizzen für die Förderlinie "Graduiertenschulen", 123 Antragsskizzen für die Förderlinie "Exzellenzcluster" und 20 Antragsskizzen für die Förderlinie "Zukunftskonzepte". Hinzu kamen aufgrund positiver Begutachtungen in der ersten Runde 16 Vollanträge für die "Graduiertenschulen", 21 für "Exzellenzcluster" und 7 für "Zukunftskonzepte". Am 12. Januar 2007 entschied die Gemeinsame Kommission, die Antragsteller von 44 Graduiertenschulen, 40 Exzellenzclustern und 8 Zukunftskonzepten aufzufordern, bis zum 13. April 2007 ausformulierte Anträge einzureichen. Der Bewilligungsausschuss hat am 19. Oktober 2007 entschieden, weitere 21 Graduiertenschulen, 20 Exzellenzcluster und 6 Zukunftskonzepte zu fördern. Damit werden im Rahmen der Exzellenzinitiative 39 Graduiertenschulen, 37 Exzellenzcluster und 9 Zukunftskonzepte auf je fünf Jahre gefördert.


Auf die sechs Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Saarland entfielen in der ersten Förderrunde keine Bewilligungen. Nach Abschluss der zweiten Antragsrunde steht fest, dass die Hochschulen der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt keine Mittel in der Exzellenzinitiative eingeworben haben. In absoluten Zahlen waren die Hochschulen in Baden-Württemberg am erfolgreichsten.


Nach Abschluss beider Bewilligungsrunden ergibt sich hinsichtlich der fachlichen Verteilung das folgende Bild bei Graduiertenschulen bzw. Exzellenzclustern (in Prozent der bewilligten Einrichtungen): Geistes- und Sozial­wissenschaften 28,2 bzw. 16,2; Naturwissenschaften 20,5 bzw. 27,0; Lebenswissenschaften 30,8 bzw. 32,4; Ingenieur­wissenschaften 15,4 bzw. 24,3. Bei den Graduiertenschulen entfallen 5,1 Prozent auf universitätsweite (fachgebietsübergreifende) Einrichtungen.