Zur künftigen Finanzierung der Hochschullehre


Entschließung des 202. Plenums der HRK vom 8.6.2004



1. Zusammenfassung


Die Sicherung der derzeitigen Ausbildungsqualität und erst recht ihre Steigerung, die weitere Erhöhung der Studierendenzahlen durch höhere Übergangsquoten und die weitere Rekrutierung internationaler Studierender sind mit den derzeit stattfindenden Kürzungen der seit langem unzureichenden Hochschulfinanzierung sowohl durch den Bund als auch durch die Länder nicht vereinbar. Der hohe Bedarf an qualifiziert ausgebildeten jungen Menschen und der zunehmende internationale Wettbewerb im Hochschulbereich lassen eine fortgesetzte schleichenden Verschlechterung der Studienbedingungen nicht zu. Solange der Staat seine Finanzzuwendungen nicht deutlich erhöht, ist ein Rückgriff auf private Finanzressourcen, vor allem in Gestalt von Studienbeiträgen, unvermeidlich. Diese müssen sozial verträglich ausgestaltet werden. Niemand darf wegen fehlender finanzieller Mittel vom Studium abgehalten werden. Dies kann am ehesten durch ein System nachlaufender Finanzierung nach australischem Vorbild gewährleistet werden.


Dies bedeutet, dass die Beiträge während des Studiums anfallen, der einzelne sie jedoch durch Kredite vorfinanzieren kann, die erst nach Abschluss des Studiums und bei Erreichen einer bestimmten Einkommenshöhe fällig werden. Allerdings erfordert die Etablierung eines entsprechenden Systems Zeit. Um nicht weitere Zeit im internationalen Wettlauf um bessere Studienbedingungen zu verlieren, schlägt die HRK vor, zunächst in einer Eingangsphase von etwa drei Jahren, die der Entwicklung eines entsprechenden Systems dient, einen moderaten Beitrag von ca. 500 Euro pro Semester zu erheben, um einerseits bereits zu einer Verbesserung der Einnahmensituation der Hochschulen beizutragen, andererseits die Schwelle so niedrig zu halten, dass keine Abschreckung vom Studium stattfindet. BAFöG-Empfänger sollten in dieser Phase von der Zahlung befreit werden. Langfristig sollte jede Hochschule selbst entscheiden, ob und in welcher Höhe sie Beiträge für ihre einzelnen Lehrangebote erhebt.


Mit der Forderung nach Einführung von Studienbeiträgen entlässt die HRK den Staat nicht aus seiner Verantwortung für die Finanzierung der Hochschulen. Sie fordert, die staatlichen Mittelzuweisungen so zu gestalten, dass auch bei steigenden Studierendenzahlen die Qualität der Ausbildung grundsätzlich gewährleistet ist. Dies muss im Rahmen von Hochschulverträgen zugesichert werden. Die Einnahmen aus den Studienbeiträgen sollen den Charakter von "Drittmitteln" für die Lehre haben. Sie sollen dazu dienen, Maßnahmen zur Steigerung der Qualität der Lehre zu finanzieren. Die Einnahmen aus den Studienbeiträgen müssen deshalb unbedingt bei den Hochschulen verbleiben und zweckadäquat und unabhängig von haushaltsrechtlichen Auflagen wieder verausgabt werden können. Sie sollten in das Körperschaftsvermögen der einzelnen Hochschule fließen und dort in einem Fonds akkumuliert werden können. Die Gestaltung der einzelnen Maßnahmen zur Verbesserung der Lehre liegt im Ermessen der Hochschule.


2. Die Herausforderungen an die Hochschulen


2.1. Herausforderungen in Forschung und Lehre


Auf den Hochschulen ruhen gegenwärtig vielfältige Hoffnungen von Staat und Gesellschaft. Als Träger der Grundlagenforschung sollen sie den Grundstein für entscheidende Innovationen legen und neue Technologien voranbringen, um die Fundamente für die Arbeitsplätze der Zukunft und den Wohlstand von morgen zu legen. Als Ausbildungseinrichtungen sollen sie gewährleisten, dass eine hinreichende Zahl von Akademikern zur Verfügung steht, deren Qualifikation den veränderten Anforderungen des Arbeitsmarktes der Zukunft Rechnung trägt.


Gegenwärtig ist der Anteil junger Menschen, die ein Studium aufnehmen, mit etwa 36 Prozent des jeweiligen Altersjahrgangs niedriger als der Durchschnitt der OECD-Staaten mit 44 Prozent. Eine hohe Abbruchquote sorgt zudem dafür, dass nur etwa zwei Drittel der Studienanfänger auch tatsächlich einen Studienabschluss erlangen. Der Anteil der Berufseinsteiger mit einem Hochschulabschluss liegt unter 20 Prozent. Dies ist mit Blick auf den Bedarf des Arbeitsmarktes in den nächsten Jahren nicht ausreichend. Aufgrund der Altersstruktur der erwerbstätigen Akademiker, des Trends zu höheren Qualifikationen und der demographischen Entwicklung droht bis zum Ende dieses Jahrzehnts ein deutliches Defizit an Akademikern. Die Lücke wird auf bis zu einer Viertel Million Hochschulabsolventen veranschlagt. Sie kann nur geschlossen werden, wenn sowohl die Quote der Studienanfänger als auch die Erfolgsquote im Studium deutlich gesteigert werden.


Im Grunde ist die Situation in etwa vergleichbar mit der der frühen sechziger Jahre, als die "deutsche Bildungskatastrophe" beschworen wurde. Damals wurde unter Mobilisierung aller finanziellen Kräfte und mit Hilfe der Entwicklung neuer Planungsinstrumente eine einzigartige Expansion des Hochschulbereichs eingeleitet. Auch heute gilt es, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die weitere Expansion mit einer nachhaltigen Verbesserung der Studienbedingungen und der Qualität des Hochschulstudiums verbinden zu können.


2.2. Die notwendige Steigerung der Übergangsquote in den Hochschulbereich


Mit 2,1 Millionen erreichte die Zahl der Studierenden im Wintersemester 2003/2004 einen neuen Höchststand. Wenn die Übergangsquote in den Hochschulbereich auf dem heutigen Niveau bleibt, wird die Zahl der Studienanfänger nach der Prognose der Kultusministerkonferenz zur weiteren Entwicklung der Studienanfänger- und Studentenzahlen bis zum Jahre 2013 weiter ansteigen, die Studierendenzahlen werden bis zum Jahre 2020 nicht unter das gegenwärtige Niveau sinken. Wenn die Übergangsquote aber weiter ansteigt, was angesichts des Bedarfs an Akademikern in den nächsten Jahrzehnten erforderlich wäre, wird der Zuwachs noch deutlicher ausgeprägt sein und sich über einen noch längeren Zeitraum hinziehen.


2.3. Die notwendige Verbesserung der Betreuungsrelation


Neben dieser enormen quantitativen Anforderung müssen die Hochschulen auch die qualitative Herausforderung meistern. Die Erfolgsquote im Studium kann nur gesteigert werden, wenn die Betreuungssituation verbessert wird. Auch die Umsetzung des Bologna-Prozesses mit dem Ziel, der überwiegenden Zahl von Studierenden im Rahmen des Bachelor-Abschlusses in kürzerer Zeit als in den bisherigen Diplom-Studiengängen zur Berufsbefähigung zu verhelfen, setzt ebenso wie die sprunghaft gestiegene Zahl ausländischer Studierender eine bessere Betreuung voraus.


2.4. Das Verhältnis von Forschung und Lehre


Die Hochschulen sind in den nächsten Jahren in Forschung und Lehre gleichermaßen gefordert. Die enormen Herausforderungen auf dem Gebiet der Lehre können nicht mit einem Kürzertreten in der Forschung finanziert werden. Lehre und Forschung sind keine konkurrierenden Aufgaben, im Gegenteil, sie sind auf das Engste miteinander verbunden. Gute Forschung und gute Lehre bedingen sich gegenseitig. Nur wenn es gelingt, durch qualitativ gute Lehre exzellente junge Leute für die Wissenschaft zu gewinnen und sie langfristig an sie zu binden, wachsen gute Nachwuchswissenschaftler nach. Die Studierenden müssen spüren, dass sie an der Entwicklung des Wissens teilhaben, die ihnen vermittelten Inhalte sich an neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren.


3. Die gegenwärtige Finanzierung des Hochschulbereichs


3.1. Status und Entwicklung


Gegenwärtig werden jährlich etwa 19,8 Milliarden Euro für den Hochschulbereich verausgabt (ohne Aufwendungen für die Krankenversorgung an Hochschulkliniken). Von dieser Summe werden 16,2 Milliarden Euro von den Ländern und 2,4 Milliarden Euro vom Bund bereitgestellt. Aus dem privaten Sektor fließt etwa eine Milliarde Euro (oder 6 Prozent) in den Hochschulbereich, davon kommen ca. 800 Millionen Euro über Forschungsaufträge und Sponsoring und 200 Millionen Euro über Stiftungen. Von internationalen Organisationen werden ebenfalls 200 Millionen Euro bereit gestellt.


Der langfristige Finanzierungstrend ist stagnierend, in jüngerer Vergangenheit eher rückläufig. Die Länder, die als Verantwortliche für den Hochschulbereich die Grundfinanzierung der Hochschulen sichern, haben in der Vergangenheit trotz steigender Studierendenzahlen allenfalls nominelle Steigerungen zugestanden, die unter den durch Preis- und Tarifentwicklung verursachten Kostensteigerungen lagen und in keiner Weise mit der Entwicklung der Studierendenzahlen Schritt hielten. Die Hochschulfinanzstatistik belegt, dass die Ausgaben für die Lehre je Studierenden real im Zeitraum 1980 bis 2001 um ein Sechstel zurückgegangen sind. Der Rückgang hat sich in den beiden letzten Jahren verschärft, da die Zahl der Studierenden seit 2001 um weitere 100.000 angestiegen ist, Finanzzuwächse aber nicht stattgefunden haben.


3.2. Das Finanzierungsdefizit


Da es kein allgemein anerkanntes Verfahren gibt, die Kosten pro Studierenden exakt zu berechnen, kann auch der Fehlbetrag für den Hochschulbereich nicht genau beziffert werden. Schon 1993 schätzten die Regierungschefs von Bund und Ländern im so genannten "Eckwertepapier" den Fehlbetrag für den Hochschulbereich auf jährlich 2,7 Milliarden Euro. Sie gingen davon aus, dass im Jahre 2000 ein Finanzierungsdefizit von 4,2 Milliarden Euro erreicht sein würde, wenn nicht besondere Finanzanstrengungen unternommen würden. Zum damaligen Zeitpunkt war aber die massive Steigerung der Studienanfänger- und Studierendenzahlen noch nicht absehbar.


3.3. Auseinanderlaufende Entwicklung von Grund- und Drittmitteln


Während die für Forschung und Lehre über die Haushalte zugewiesenen Grundmittel rückläufig waren, ist in den letzten Jahren ein Anstieg der Drittmittel für die Forschung zu verzeichnen. Sie stiegen im Zeitraum 1997 bis 2001 um über 30 Prozent an. Insgesamt konnten die Drittmittel aus öffentlichen wie aus privaten Quellen im gleichen Umfang gesteigert werden. Hier zeigt sich auch, dass die Hochschulforschung von der Möglichkeit, Mittel aus öffentlichen und privaten Quellen, z.B. über Forschungsaufträge, zu akquirieren, profitiert, während die Hochschullehre fast ausschließlich auf öffentliche Grundmittel angewiesen ist und nicht durch Eigenanstrengung der Hochschule besser finanziert werden kann. Die Erfahrung der Forschungsfinanzierung sollte Anlass sein, in diesem Rahmen ein entsprechendes Konzept für eine angemessene Finanzierung der Lehre zu entwickeln.


4. Konzept zur künftigen Finanzierung der Hochschullehre


4.1. Grundsätzliche Forderungen


Die Analyse der gegenwärtigen Misere der Finanzierung der Hochschullehre führt zu folgenden zwei Schlussfolgerungen:Erstens: Da die Hochschullehre fast ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, muss die auch politisch gewollte Steigerung der Übergangsquote in den Hochschulbereich ihre Entsprechung in steigenden öffentlichen Mitteln finden. Die Expansion des Hochschulbereiches kann nicht länger auf Kosten der Studienbedingungen und der Qualität der Ausbildung betrieben werden.Zweitens: Die Hochschulen müssen befähigt werden, ergänzend zur öffentlichen Finanzierung private Beiträge zu erheben und auf diese Weise Drittmittel für die Lehre zu beschaffen, mit deren Hilfe sie die Qualität der Lehre in eigener Verantwortung steigern können.


4.2. Forderungen an die öffentliche Finanzierung


Bund und Länder müssen dafür Sorge tragen, dass eine ausreichende Zahl von Studienplätzen zur Verfügung gestellt wird. Der Bund hat die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau gerade um 175 Millionen Euro gekürzt, bis zum Jahre 2007 sollen die Ausgaben sogar um 340 Millionen schrumpfen. Gleichzeitig wird die Fortexistenz der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau insgesamt in Frage gestellt. Angesichts des enormen Wachstums der Zahl der Studierenden kann der Hochschulbau jedoch nicht als abgeschlossene Aufgabe betrachtet werden wie im öffentlichen Meinungsbild mitunter vermittelt wird.


Der schrittweise Rückzug des Bundes, der mit der Diskussion über die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau im Rahmen der Föderalismusdiskussion einsetzte, ist verfehlt. Es macht wenig Sinn, in Spitzenuniversitäten investieren zu wollen, wenn sich der Staat gleichzeitig aus der Verpflichtung, das Hochschulsystem ausreichend zu dimensionieren, zurückzieht. Bund und Länder müssen sich auf eine Fortsetzung der Gemeinschaftsaufgabe verständigen, um die erforderliche räumliche Dimensionierung des Hochschulbereichs mittel- bis langfristig sicherzustellen.


Wenn die Länder ihre Verantwortung für den Hochschulbereich wahrnehmen wollen und auf eine ausreichende Zahl von qualitativ gut ausgebildeten Hochschulabsolventen setzen, müssen sie ihrerseits eine verlässliche und ausreichende Grundfinanzierung pro Studierendem z.B. im Rahmen von Hochschulverträgen zusichern, die mindestens an den gegenwärtigen Aufwendungen orientiert ist. Angesichts fehlender Informationen über die genauen Kosten eines Studienplatzes, sollte auf die Berechnung der tatsächlichen Ausgaben, die vor allem von der HIS-GmbH regelmäßig vorgelegt werden, zurückgegriffen werden.


4.3. Ergänzender privater Finanzbeitrag


Die Sicherung der derzeitigen Ausbildungsqualität und erst recht ihre Steigerung, die weitere Erhöhung der Studierendenzahlen durch höhere Übergangsquoten und die weitere Rekrutierung internationaler Studierender sind mit den derzeit stattfindenden Kürzungen der seit langem unzureichenden Hochschulfinanzierung sowohl durch den Bund (Projektförderung, Hochschulbau) als auch durch die Länder (Landeszuschüsse) nicht vereinbar.


Dies gilt auch, wenn die Effizienz des Mitteleinsatzes in den Hochschulen durch Abbau von Bürokratie und schlankeres Management gesteigert werden könnte. Der hohe Bedarf an qualifiziert ausgebildeten jungen Menschen und der zunehmende internationale Wettbewerb im Hochschulbereich lassen eine Fortsetzung der eklatanten Verschlechterung der Studienbedingungen nicht zu. Solange der Staat seine Finanzzuwendungen nicht deutlich erhöht, ist ein Rückgriff auf private Finanzressourcen unabdingbar. Wer öffentliche Mittel streicht und gleichzeitig Studienbeiträge verbietet, muss das politische Ziel einer weiteren Expansion der Hochschulausbildung unter Erhaltung der Ausbildungsqualität aufgeben.


5. Studienbeiträge


5.1. Studienbeiträge als Steuerungselement


Die Hochschulrektorenkonferenz hat sich in ihrer Empfehlung "Zur Finanzierung der Hochschulen" aus dem Jahre 1996 eingehend mit dem Pro und Contra von Studienbeiträgen befasst. Die Argumente sollen im folgenden nur stichwortartig wiedergegeben werden:Beiträge für in Anspruch genommene Bildungsleistungen sind in verschiedenen Erziehungs-, Bildungs- und Ausbildungsbereichen seit langem selbstverständlich. Die Hochschulabsolventen erzielen in der Regel ein höheres Lebenseinkommen und sind deutlich seltener von Arbeitslosigkeit bedroht als Absolventen anderer Ausbildungswege. Sie haben individuelle Vorteile, die durch Beiträge zu einem kleinen Teil abgeschöpft werden könnten.


Für Studienbeiträge spricht außerdem, dass sie dazu angetan sind, das Angebotsverhalten der Hochschulen und das Nachfrageverhalten der Studierenden positiv zu beeinflussen. Die Hochschulen werden, da sie ihre Einnahmen aus Studienbeiträgen steigern möchten, die Qualität der Lehre verbessern, um für möglichst viele Studierende attraktiv zu sein. Die Studierenden ihrerseits werden verantwortlicher mit dem Gut Hochschulausbildung umgehen, wenn es nicht mehr wie bisher kostenlos angeboten wird. Sie werden die Kosten der Ausbildung und den späteren Ertrag gegenüber stellen, um einen zügigen Abschluss des Studiums bemüht sein und auch bei der Wahl der Hochschule Kosten und zu erwartende Leistung kritisch abwägen.Gegen Studienbeiträge wird häufig eingewandt, dass sie Hochschulzugangsberechtigte aus niedrigen Einkommensschichten vom Studium abschreckt. Die Einführung von Beiträgen hat in anderen Ländern nicht zu vermehrter sozialer Auslese geführt.


Die Wirkung von Studienbeiträgen hängt entscheidend von ihrer Ausgestaltung ab. Internationale Vergleichszahlen belegen, dass der Anteil von Studierenden aus niedrigen Einkommensschichten in Deutschland niedriger ist als in einer Vielzahl von Ländern mit Studienbeiträgen, offensichtlich die Folge eines sozial selektiven Schulsystems (Übergang von der Primar- in die Sekundarstufe) und relativ hoher Lebenshaltungskosten während eines - im internationalen Vergleich - langen Studiums in Deutschland. So zeigen auch internationale Vergleiche, dass die Rendite eines Studiums (Einkommensvorteile von Hochschulabsolventen gegenüber den mit dem Studium verbundenen Ausgaben in Form von Lebenshaltungskosten und Studienbeiträgen) in Deutschland niedriger liegt als in einer Vielzahl anderer europäischer Länder.


Um eine wirkliche Verbesserung zu erreichen, müssen die Hochschulen auch aus dem einengenden System entlassen werden, das die Ausbildung in Zeiten der Überlast sichern sollte: die Kapazitätsverordnung - und mit ihr die Curricularnormwerte - müssen abgeschafft werden. Studienbeiträge können nur dann zu einem Steuerungselement in einem wettbewerblich orientierten Hochschulsystem werden, wenn die Hochschulen in die Lage versetzt werden, ihren Lehrauftrag nach eigenen Vorstellungen zu erfüllen. Gleiches gilt für die Zulassung der Studierenden. Die staatliche Verteilung der Studierenden auf Hochschulen ist nicht vereinbar mit einem System von Studienbeiträgen, die von den einzelnen Hochschulen festgesetzt werden. Die Studierenden müssen die Chance haben, auf der Basis des Lehrangebots der Hochschule und der geforderten Beiträge sich bei einzelnen Hochschulen gezielt zu bewerben, die Auswahl sollte ausschließlich von den Leistungskriterien der einzelnen Hochschule abhängig sein.


5.2. Sozialverträglichkeit von Studienbeiträgen


Die Sozialverträglichkeit von Studienbeiträgen muss gewährleistet sein. Dies kann in der Eingangsphase (drei bis fünf Jahre) dadurch gewährleistet werden, dass die Beiträge zunächst so niedrig gehalten werden (ca. 500 Euro pro Semester), dass es den Studierenden oder deren Eltern nicht schwer fällt, diese aufzubringen bzw. eine eventuelle Finanzierung privat zu regeln. BAFöG-Empfänger sollten in dieser Phase ganz von der Zahlung befreit werden.


Grundsätzlich sollten die Hochschulen aber in der Lage sein selbst zu entscheiden, ob und in welcher Höhe sie Beiträge erheben wollen. Dies entspricht am ehesten dem Gedanken eines wettbewerblich organisierten Hochschulsystems. Dann muss ein System nachlaufender Finanzierung gewährleistet werden. Das bedeutet, dass die Beiträge während des Studiums anfallen, die Studierenden sie aber durch Kredite, die nach Beendigung des Studiums und ab Erreichen einer bestimmten Einkommenshöhe anfallen, vorfinanzieren können (australisches Modell). Da die Studierenden während des Studiums nicht mit den Zahlungen belastet werden und die Rückzahlung der empfangenen Leistungen sich nach der Einkommenshöhe des Absolventen richtet, ist in dieser Phase die Freistellung aus sozialen Gründen (z.B. BAFöG-Empfänger) nicht mehr notwendig. Die entsprechenden Weichenstellungen für den Übergang zu einem Konzept nachlaufender Studienbeiträge sollten in der drei- bis fünfjährigen Eingangsphase getroffen werden.


Die Verantwortlichkeit dafür, dass die Sozialverträglichkeit von Studienbeiträgen - etwa durch Darlehen oder andere Maßnahmen zu Gunsten derjenigen Studierwilligen, die aus finanziellen Gründen möglicherweise auf ein Studium verzichten müssten - liegt nicht bei den Hochschulen, sondern beim Staat. Eine entsprechende Absicherung durch die öffentliche Hand ist daher eine unverzichtbare Begleitmaßnahme der Einführung von Studienbeiträgen.


5.3. Sicherung der staatlichen Finanzierung


Beiträge sollten langfristig die Rolle von Preisen spielen. Einheits- oder Langzeitgebühren sind mit diesem Gedanken nicht vereinbar. Die einzelnen Hochschulen sollten selbst entscheiden können, in welcher Höhe sie Beiträge ansetzen und diese der Marktlage und ihrer eigenen Strategie anpassen können. Dabei kann es sich nicht um eine Vollkostenfinanzierung des Studiums handeln, sondern um einen Beitrag zu seinen Kosten. Im Rahmen der Hochschulverträge sollte das Land seinen Beitrag zur Finanzierung der Hochschulen langfristig und verbindlich und unabhängig von der Höhe der Studienbeiträge der einzelnen Hochschule festschreiben.


5.4. Studienbeiträge als Drittmittel für die Lehre


Die Einnahmen aus den Studienbeiträgen sollten als "Drittmittel" für die Lehre dienen. Während die staatlichen Mittelzuweisungen so beschaffen sein müssen, dass ein angemessener Standard der Ausbildung gewährleistet werden kann, sollten die Drittmittel für die Lehre den einzelnen Hochschulen dazu dienen, Maßnahmen zur Steigerung der Qualität der Lehre zu finanzieren. Die Einnahmen aus den Studienbeiträgen müssen deshalb unbedingt bei den Hochschulen verbleiben und zweckadäquat und unabhängig von haushaltsrechtlichen Auflagen wieder verausgabt werden können. Sie sollten in das Körperschaftsvermögen der einzelnen Hochschule fließen und dort in einem Fonds akkumuliert werden können.


Die Hochschulen sollten sich verpflichten, die Einnahmen aus den Beiträgen grundsätzlich für eine Verbesserung der Lehre einzusetzen. Die Gestaltung der einzelnen Maßnahmen liegt in ihrem Ermessen. Möglich sein sollte u.a.:

  • eine Verbesserung der Betreuungsrelationen, z.B. durch Einstellung zusätzlichen Personals, sei es zusätzlichen wissenschaftlichen Personals oder zusätzliche Tutoren,
  • eine Finanzierung von Zulagen für diejenigen, die sich in besonderem Maße in der Lehre engagieren,
  • die Verbesserung der Infrastruktur der Lehre, z.B. durch längere Bibliotheksöffnungszeiten, in Form zusätzlicher Literatur- und Rechnerausstattung,
  • die Förderung der Hochschul-Didaktik,
  • die Bereitstellung von Mitteln für Preise für besondere Leistungen in der Lehre
  • die Einrichtung neuer Studiengänge.

Grundsätzlich sollen auf diese Art und Weise die Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Hochschulen der Lehre noch mehr Gewicht als bisher beimessen. Bei Berufungsverhandlungen sollte die Entscheidung für oder gegen eine Hochschule nicht alleine wegen der besonderen Bedingungen und Möglichkeiten in der Forschung fallen, die Bedingungen in der Lehre sollten ein gleichgewichtiger Faktor sein.