Leitlinien für die Ausgestaltung befristeter Beschäftigungsverhältnisse mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal


Empfehlung der 12. Mitgliederversammlung der HRK am 24.4.2012

I. Einleitung


Die Hochschulen tragen Verantwortung für unbefristetes und befristetes Personal. Befristete Arbeitsverhältnisse mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal dienen der Qualifikation dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zugleich der Innovationskraft der Hochschulen. Die befristeten Beschäftigungsverhältnisse sind so auszugestalten, dass die Bedürfnisse und Interessen des wissenschaftlichen Nachwuchses und der Hochschulen berücksichtigt werden [1].

Die individuell verschiedenen Karrierewege des wissenschaftlichen Nachwuchses müssen planbar und transparent sein: Es sind Qualifikationsziele zu vereinbaren, aus denen sich die Befristung ableitet, d.h. das Qualifikationsziel muss in der Befristungszeit erreichbar und wissenschaftlich ausführbar sein. Dabei sind sehr unterschiedliche Qualifikationsziele auf Grundlage einer wissenschaftlich fundierten Tätigkeit denkbar:

Neben der Promotion und Habilitation bzw. habilitationsäquivalenten Leistung können das zum Beispiel Konzeption von Forschungsprojekten und dazugehörige Antragsstellung sowie Projekteinwerbung sein, die Mitarbeit an einem einzelnen Forschungsprojekt, die Vorbereitung von Auslandsaufenthalten oder auch managementbezogene Tätigkeiten im Wissenschaftssystem. Hochschule, Vorgesetzte und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sind bei der konturierten Bestimmung des Qualifikationsziels gleichermaßen gefordert. Das Bewusstsein um diese Aufgabe verstärkt eine Kultur der Verantwortung für den wissenschaftlichen Nachwuchs, und diese ist von jeder Hochschule individuell zu gestalten. Die Hochschulen müssen dazu die strukturellen Voraussetzungen schaffen.

II. Hintergrund

  1. Die Hochschulen benötigen zur Erfüllung ihrer komplexen Aufgaben befristetes und unbefristetes Personal. Wesentlich dafür, Innovationsfähigkeit, Flexibilität und Handlungsfähigkeit der Hochschulen zu sichern, sind wissenschaftsspezifische Befristungsmöglichkeiten von Arbeitsverhältnissen. Im wissenschaftlichen Kontext ist es notwendig, dass die Zahl der befristeten Stellen für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler die der unbefristeten deutlich übersteigt. Dies dient insbesondere der kontinuierlichen Förderung des immer neu zu gewinnenden wissenschaftlichen Nachwuchses [2], dessen Qualifizierung für unterschiedliche Tätigkeiten im Wissenschaftsbereich und darüber hinaus - auch in deren eigenem Interesse - nur durch eine befristete Tätigkeit erfolgen kann. Die Sicherung der Innovation in Forschung und Lehre erfordert ebenfalls die Möglichkeit, Arbeitsverhältnisse zu befristen [3].

    2. Nur eine planbare auskömmliche Grundfinanzierung versetzt die Hochschulen in die Lage, verlässliche Qualifizierungswege anzubieten und förderliche Arbeitsbedingungen zu sichern [4].

    3. Auch für die Arbeit in Projekten ist eine Befristungsmöglichkeit unerlässlich. Das gilt sowohl für Projekte, die aus Mitteln Dritter finanziert werden, wie für Projekte, die aus sonstigen, zweckgebunden und befristet gewährten Mitteln (z. B. aus dem Landeshaushalt) finanziert werden.


III. Handlungsempfehlungen


Daher ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen im Sinne einer guten Praxis:

1. Planbarkeit


Die Hochschulen schaffen ein Bewusstsein für das System der Befristungsmöglichkeiten und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten. Dabei ist die längerfristige Karriereperspektive des befristeten Personals zu berücksichtigen. Die konkrete Befristung muss möglichst zielbezogen erfolgen, d.h. in jeder Phase ist das Qualifikationsziel zu der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses in Beziehung zu setzen. Um dieses angemessen zu erreichen, müssen die Vorgesetzten den Qualifizierungsfortschritt bewusst begleiten und kontinuierlich evaluieren.Die Vorgesetzten haben eine realistische Betreuung aus Personalentwicklungsperspektive - d. h. auch die Bestimmung von Zielen und Zeitschritten in der Befristungszeit - zu gewährleisten. Dazu zählt im Sinne einer wohlverstandenen, verantwortungsbewussten Personalentwicklung, dem wissenschaftlichen Nachwuchs Karrierewege innerhalb und außerhalb der Wissenschaft aufzuzeigen und für diese Wege zu qualifizieren. Dies kann aber auch das Abraten vom Weiterverfolgen einer wissenschaftlichen Karriere beinhalten.


2. Transparenz


Im Interesse der Beschäftigten ist jede Befristung transparent auszugestalten. Eine Anrechnung von Beschäftigungsverhältnissen ist klar und berechenbar zu kommunizieren, so dass sie für den wissenschaftlichen Nachwuchs nachvollziehbar ist. Etwaige Kriterien sind zu definieren und offen zu legen. So wird beispielsweise eine Anrechnung von vorangegangenen Beschäftigungsverhältnissen nur vorgenommen, wenn diese ebenfalls der Qualifizierung in derselben Phase gedient haben.Die Hochschulen sind aufgefordert, eine klare, möglichst einheitliche Definition des Abschlusses der Promotion zu fassen, um den Übergang von der Befristung in der ersten und in der zweiten Qualifizierungsphase für den befristet Beschäftigten klar zu gestalten.


3. Familienpolitischer Aspekt / Gleichstellung


Eine höhere Beteiligung von Frauen an der wissenschaftlichen, karriererelevanten Qualifizierung ist selbstverständlich auch bei der Befristung von Arbeitsverträgen zu gewährleisten.Familienbezogene Fördermöglichkeiten sind in jedem Einzelfall zu nutzen. Um das Beschäftigungsverhältnis wenn möglich um Zeiten, die etwa aus familiären Gründen nicht zur wissenschaftlichen Qualifizierung genutzt werden konnten, gem. § 2 Abs. 5 WissZeitVG zu verlängern, sollte der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG der Vorzug vor einer reinen Drittmittelbefristung nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG gegeben werden. Bei der Antragstellung für ein Drittmittelprojekt sind durch familienbezogene Fördermöglichkeiten entstehende Kosten - wenn dies möglich ist - durch die Hochschulen zu berücksichtigen. Die Hochschulen setzen sich hochschulpolitisch dafür ein, dass alle Drittmittelgeber die entstehenden Kosten in Zukunft tragen.

Befristungen sind so auszugestalten, dass wissenschaftliche Karriere und familiäre Inanspruchnahme für Männer und Frauen vereinbar sind. So sollte von den Verlängerungsmöglichkeiten nach § 2 Abs. 1 S. 3 WissZeitVG (Familienkomponente) zur Kompensation von Zeiten, die nicht oder nicht in vollem Umfang zur Qualifizierung genutzt werden konnten, sinnvoll Gebrauch gemacht werden. Dabei ist darauf zu achten, dass dadurch Qualifizierungsphasen nicht unnötig verlängert werden (etwa weil die Beschäftigten schwerpunktmäßig für andere Aufgaben herangezogen werden) und das Instrument nicht die kontinuierliche Förderung und Gewinnung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern konterkariert.


4. Umsetzung an den Hochschulen


Um ihrer Verantwortung für die befristeten Beschäftigungsverhältnisse gerecht zu werden, sind die Hochschulen aufgefordert, sich hochschulspezifische Standards zu setzen, nach denen sie innerhalb des rechtlichen Rahmens die Verträge ihres Personals ausgestalten. Dabei berücksichtigen sie die genannten Ziele der Planbarkeit, Transparenz und Gleichstellung.

Es wird empfohlen, dass von den Fakultäten bzw. Fachbereichen Dauerstellenkonzepte aufgestellt werden, um die Anzahl der Dauerstellen in einem angemessenen Verhältnis zu den befristeten Qualifikationsstellen zu halten. Diese sind mit der Hochschulleitung abzustimmen.

Die Hochschulen sollten eine Bündelung der vorhandenen Angebote in den Bereichen Career Services, Mentoring und Schlüsselqualifikation vornehmen, um den Nachwuchswissenschaftlerinnen und-wissenschaftlern Möglichkeiten überfachlicher Fortbildung und Unterstützung in der Karriereplanung zu gewähren.Im Rahmen von Führungskräftetrainings sollten Vorgesetzte für die besonderen Bedürfnisse von befristet beschäftigten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sensibilisiert werden.

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[1] Die nachfolgenden Empfehlungen gelten analog auch für befristete Arbeitsverhältnisse mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal in Teilzeit.

[2] HRK: Empfehlungen zum Dienst- und Tarif-, Besoldungs- und Vergütungsrecht sowie zur Personalstruktur in den Hochschulen - Entschließung des 186. Plenums vom 2. November 1998 III. Wissenschaftliches Personal (wissenschaftlicher Dienst)

[3] So auch: BAG Urteil vom 1.6.2011, 7 AZR 827/09 - Rn. 37 4) vgl. dazu Entschließung "Finanzierung der Hochschulen" der 11. Mitgliederversammlung der HRK am 22.11.2011

[4] vgl. dazu Entschließung "Finanzierung der Hochschulen" der 11. Mitgliederversammlung der HRK am 22.11.2011