Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on als strategische Aufgabe


Empfehlung der 33. Mitgliederversammlung der HRK vom 10.5.2022                         

Zusammenfassung

  • Entscheiden Hochschulen und ihre Mitglieder über Inhalte, Organisation und Formate ihrer Kommunikation, so orientieren sie sich dabei an ihrer Verantwortung gegenüber der demokratischen Gesellschaft.
  • Die Kommunikationsstrategie ist ein zentraler Teil der Governance einer Hochschule. Alle Hochschulangehörigen sollten darin gefördert werden, die gesellschaftliche Relevanz ihrer Hochschule und der (eigenen) wissenschaftlichen Arbeit zu reflektieren.
  • Zwischen Hochschulleitung und Kommunikationsverantwortlichen ist ein enges Vertrauensverhältnis notwendig; Rolle und Kompetenzen der zentralen Kommunikationseinheiten sollten geklärt und transparent sein. Gleiches gilt für die Zusammenarbeit zwischen zentralen und dezentralen Kommunikationseinheiten.
  • Durch fachliche Expertise, Verständlichkeit, Integrität und Transparenz, durch die Darstellung wissenschaftlicher Methoden sowie die Offenlegung der wissenschaftlichen Prozesse und der hinter ihnen stehenden Interessen bzw. Haltungen sollte Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on ein informiertes Vertrauen schaffen.
  • Eine gute interne Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on berücksichtigt alle Beschäftigten, Studierenden und wissenschaftlich Arbeitenden. Sie ist im Sinne der Zielgruppen und als Basis einer gelingenden externen Kommunikation unverzichtbar.
  • Eine mittel- und langfristig angelegte politische Kommunikation sichert Bestands- und Entwicklungsinteressen.
  • Mit weltanschaulich oder politisch motivierten Konflikten auf dem Campus sollten Hochschulen transparent, konstruktiv und beispielgebend umgehen.
  • Hochschulen sollten sich unter Einbindung der Kommunikationsverantwortlichen proaktiv auf Krisensituationen vorbereiten. Dabei dürfen aber konfliktträchtige Themen nicht aus der Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on verdrängt werden.
  • Hochschulen sind als Orte der Bildung und der Qualifizierung des wissenschaftlichen Personals bei der Entwicklung kommunikativer Kompetenzen besonders gefordert. In den grundständigen Studiengängen sollen dafür die Grundlagen gelegt werden. Ab den Graduierten-Studiengängen sollten explizit und differenziert Wissenschaftskommunikation und Zielgruppenkompetenz vermittelt werden.
  • Hochschulen sollten Qualitätsziele und Indikatoren guter Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on ausdrücklich formulieren und im Selbstverständnis ihrer Institution verankern. Zur Qualitätssicherung gehört die Souveränität, verantwortungsbewusst darüber zu entscheiden, ob, wann und wie die Hochschule insbesondere auf Social-Media-Aktivitäten reagiert.
  • Hochschulen sollten klären, wie sie mit wissenschaftsfernen Zielgruppen umgehen wollen und können, und verstärkt Mechanismen implementieren, ihre Kompetenzen zeit- und zielgruppengerecht in gesellschaftliche Debatten einzubringen.
  • Mit Hilfe der fachwissenschaftlichen Kompetenzen in den Hochschulen sollten der Auf- bzw. Ausbau einer demokratiefreundlichen digitalen Medienlandschaft vorangetrieben, die Förderung von Medienkompetenz und der Schutz vor Falschinformationen in der Gesamtgesellschaft gestärkt werden.
  • Es sollte eine größere Wertschätzung für und Anerkennung von Kommunikationsleistungen entwickelt werden, auch im Bewusstsein der positiven Rückwirkungen auf die Wissenschaft selbst.
  • Die hochschulspezifisch angemessene finanzielle, technische und personelle Ausstattung der Kommunikationsbereiche muss der zentralen Rolle der Kommunikation zur Entwicklung der Institution entsprechen und deren Handlungsfähigkeit auch in möglichen Krisen sichern. Dies muss unterstützt werden durch eine ausreichende öffentlich finanzierte Grundausstattung.

Vorbemerkung
Hochschulen sind die zentralen und aufgrund ihres großen Aufgabenspektrums die komplexesten Institutionen des Wissenschaftssystems. Sie sind aufgrund ihres öffentlichen Auftrags der Gesellschaft und ihrer demokratischen Verfasstheit verpflichtet. Bei ihrer strategischen Ausrichtung und den davon abgeleiteten Entscheidungen über Inhalte, Organisation und Formate ihrer Kommunikation müssen sich Hochschulen und ihre Mitglieder an dieser Verpflichtung orientieren.[1] 

Ihr Betätigungsfeld umfasst Studium, Lehre, Forschung, Innovation, Förderung wissenschaftlicher Karrierewege und Transfer. Dieser Aktionsradius spiegelt sich auch in der Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on wider. Die hier vorliegende Empfehlung beleuchtet vor diesem Hintergrund die Besonderheiten der Kommunikation an, durch und mit Hochschulen, indem sie Selbst- und Fremdbilder, Ziele, Strategien und Ansprüche der Institution Hochschule aufgreift. In diesem Sinne folgt die Empfehlung einer organisationssoziologischen Sicht und fasst den Begriff „Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on“ enger als überwiegend gebräuchlich.[2] Die HRK versteht Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on als konstitutiven Faktor für Bestand und Entwicklung einer Hochschule und würdigt diese Organisationskommunikation in ihrer ganzen Breite im Innen- und im Außenverhältnis, in formeller wie informeller Form als kontinuierlichen, dialogischen, für den gesellschaftlichen Diskurs offenen Prozess.

Ausgangspunkt der nachfolgenden Empfehlungen ist die besondere Verantwortung, die den Hochschulen als zentralen Bildungs-, Forschungs-, Innovations- und Kultureinrichtungen zukommt. Diese muss sich in ihren Kommunikationsstrategien niederschlagen, was wiederum systematische Planung und Förderung verlangt. Für Konzeption, Organisation und Umfang tragen die Hochschulleitungen entscheidende Verantwortung. Die an Hochschulen professionell mit Kommunikation betrauten Personen beraten und unterstützen sie dabei und verantworten die Umsetzung. An einzelnen Hochschulen sind Kommunikationsleitungen selbst Teil der Hochschulleitung. Grundsätzlich jedoch sind alle Hochschulmitglieder bewusst oder unbewusst Akteur:innen der Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on. Im Zusammenhang mit ihrem Bildungsauftrag kommt den Hochschulen eine besondere Verantwortung auch für die kommunikative Weiterqualifizierung von Studierenden und wissenschaftlich Arbeitenden zu. Entsprechend nimmt das Thema in diesen Empfehlungen eine besondere Rolle ein.

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre sind geprägt von neuen Herausforderungen für die Wissenschafts- und Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on und von deren deutlich gewachsenem Stellenwert. Die Hochschulen haben enorme Anstrengungen unternommen, die Qualität ihrer Kommunikation zu entwickeln, was sich sowohl in einem deutlich erweiterten Portfolio als auch in der verbesserten Ausstattung der entsprechenden Organisationseinheiten niederschlägt.

Nunmehr scheint eine hochschulübergreifende Reflexion und Neujustierung des Verständnisses von Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on als strategische Leitungsaufgabe angezeigt.
 
Grundlegendes
1. Hintergrund: Entwicklungen und Herausforderungen der vergangenen Jahre
Die HRK sieht drei zentrale Entwicklungsstränge, die aktuell und in den kommenden Jahren die Herausforderungen für eine zeitgemäße Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on bestimmen.

Zum einen ist die Wissenschaft insbesondere als Politikberaterin im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie und der Klimawandel-Debatte stark ins allgemeine Bewusstsein getreten. Sie stößt in der Gesellschaft auf ein stabil großes Vertrauen[3], das es zu bestätigen und zu erhalten gilt. Andererseits haben nicht nur in Deutschland populistische Bewegungen und politische Gruppierungen, die Wissenschaftsskepsis gezielt wecken und fördern, deutlich an Einfluss gewonnen. Sie versuchen, gesellschaftlichen Debatten ihre wissenschaftlich begründeten Faktenbezüge zu entziehen oder wissenschaftliche Institutionen oder Methoden zu delegitimieren und stellen damit ernsthafte demokratiegefährdende Herausforderungen dar.

Zum Zweiten bekennt sich die Wissenschaft insgesamt heute sehr deutlich zu ihrer Verpflichtung zu einem offenen gesellschaftlichen Dialog. Das manifestierte sich erstmals unter anderem in dem 1999 von allen großen Wissenschafts­organisationen unterzeichneten PUSH-Memorandum[4] und setzte sich zuletzt mit dem im Jahr 2020 verabschiedeten „10-Punkte-Plan zur Wissenschaftskommunikation“[5] der Allianz der Wissenschafts­organisationen fort. Parallel dazu sind die Erwartungen an die Fähigkeit und Bereitschaft einzelner Wissenschaftler:innen zu zielgruppenadäquaten Kommunikationsaktivitäten gestiegen. Gerade in der Corona-Pandemie haben Forschende verschiedener Disziplinen ihre Bereitschaft zu intensiver, zeitaufwändiger Wissenschaftskommunikation mit der Öffentlichkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt; zugleich hat sich das Bewusstsein der Bürger:innen für die Bedeutung der Wissenschaft geschärft.

Und drittens haben Social Media seit der Jahrtausendwende die Medienlandschaft und die öffentliche Kommunikation stark verändert. Die Spezifika einer Sender- und Empfängerrollen verwischenden Kommunikation in Echtzeit, die meist durch intransparente Plattform-Algorithmen gesteuerte Verbreitung von Beiträgen, das oft nur eingeschränkt kuratierbare Nebeneinander von Fakten, Meinungen und bisweilen auch Falschinformationen, die Neigung zu teils stark emotionalisierten Kommunikationsstilen, die hochindividuellen, personalisierten (Netzwerk-)Öffentlichkeiten u. ä. erfordern kontinuierlich Anpassungen im Verständnis öffentlicher Kommunikation. Printmedien, Hörfunk und Fernsehen sowie zugehörige Onlineangebote sind keine exklusiven Foren und Treiber der öffentlichen Debatte mehr.
Als relativ neue Akteur:innen haben sich beispielsweise so genannte Science Influencer mit teilweise erheblichen Nutzerzahlen in den Sozialen Medien etabliert, die primär junge Zielgruppen erreichen. Sie sind oft, aber keineswegs immer, journalistisch bzw. wissenschaftlich versiert. Die traditionellen Massenmedien bleiben gleichzeitig wesentlich für die Vermittlung zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, zumal sie ihre Reichweite zunehmend durch digitale Angebote stärken.
Kommunikationseinheiten der hochschulischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit übernehmen wiederum mehr denn je eine koordinierende Funktion in der Kommunikation nach innen und außen. Wissenschaftler:innen sind insbesondere durch Soziale Medien allesamt potenzielle Kommunikator:innen mit den entsprechenden Optionen, aber auch Erwartungen und Risiken, auf die öffentliche Debatte einzuwirken. Für Bürger:innen bedeutet das Konzert von Einzelstimmen neue Möglichkeiten der unmittelbaren und umfassenden Information und Meinungsbildung, es erschwert jedoch auch die Orientierung. Journalismus und professionelle Öffentlichkeitsarbeit haben im Zuge dessen eine neue Bedeutung gewonnen. Gleichzeitig befindet sich der Qualitätsjournalismus in einer ernsthaften ökonomischen Krise mit zurückgehenden Marktanteilen und abnehmenden Ressourcen.

Die Hochschulen sollten sich diesen veränderten Rahmenbedingungen auf verschiedenen Ebenen stellen. Neben einer kontinuierlichen Ertüchtigung der Kommunikationseinheiten gilt es beispielsweise, bereits Studierenden und jungen Wissenschaftler:innen die notwendige hohe Medien- und Datenkompetenz zu vermitteln und generell Verantwortungsbewusstsein, Engagement und gegenseitige Unterstützung vorzuleben. In den Hochschulverwaltungen und insbesondere den Rechtsabteilungen sollte über Datenschutzfragen hinaus ausreichend Expertise zu Social Media aufgebaut werden, um entsprechenden Beratungsbedarf decken zu können.

2. Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on als zentraler Teil der Governance

Aufgrund ihres unmittelbaren Bezugs zu Profil, Aufgaben und Zielen der Institution sind Kommunikation und Kommunikationsstrategie wichtige, perspektivisch zentrale Teile der Governance einer Hochschule. Die HRK unterstreicht die Aussage des Wissenschaftsrats, dass die Leitungen wissenschaftlicher Einrichtungen die Verantwortung für die Qualität der institutionellen Kommunikation einschließlich der kommunizierten Inhalte tragen.[6]

Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on hat den Auftrag, die Hochschule als verlässliche Ansprechpartnerin für Forschungsthemen und Fragen der akademischen Bildung im öffentlichen Raum sichtbar zu machen, als gesellschaftliche Institution zu positionieren und einen lebendigen internen und externen Austausch zu befördern. Die Sicherung einer auskömmlichen öffentlichen Finanzierung für die wachsenden Aufgaben der Hochschulen setzt auch voraus, dass diese ihre Leistungsfähigkeit und Verlässlichkeit gegenüber der Gesellschaft sichtbar machen. Das kann nicht als ein einfaches Aussenden von Informationen und Botschaften gedacht werden. Es bedarf eines fairen, rekursiven Dialogs, einer permanenten Einladung an diverse gesellschaftliche Gruppen zum Austausch.

Den Leitungsebenen kommt die Aufgabe zu, ein positives, motivierendes Klima für kommunikatives Engagement zu schaffen und dabei die unterschiedlichen Fachkulturen zu berücksichtigen. Allen Hochschulangehörigen sollte deutlich sein, dass das mediale, soziale und politische Umfeld für sämtliche Disziplinen und für die Institution selbst große (wenn auch wechselnde) Bedeutung haben. Sie sollten in der Lage sein, nicht nur die wissenschaftliche, sondern auch die gesellschaftliche und kommunikative Relevanz wissenschaftlichen Arbeitens zu reflektieren. Studierende können über integrierte oder spezifische Studienangebote, aber auch durch Kreativwettbewerbe und Ähnliches motiviert werden, diese Prozesse mitzuvollziehen und sich aktiv einzubringen.

Ein enges Vertrauensverhältnis zwischen Hochschulleitung und Kommunikationsverantwortlichen ist unverzichtbar, denn Kommunikationsstrategien und -maßnahmen sollten unmittelbar von Hochschulprofil, -selbstverständnis und strategischen Zielen abgeleitet werden. Die Zuständigkeit für die diesbezügliche strategische Weiterentwicklung sollte daher idealerweise mit eigener Ressortzuständigkeit im Leitungsgremium verankert sein.

Zu einer guten Governance gehört es, einen Rahmen zu schaffen, in dem Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on im Zusammenspiel von zentral und dezentral Verantwortlichen gelingt. Anzustreben ist, dass alle Beteiligten Ziele und Aufgaben der Hochschule kennen, dass sie wissen und berücksichtigen, welche Kommunikationseinheiten in der Hochschule, ihren Instituten und Projekten aktiv sind und wie sie Austausch, Abstimmung und Kooperation gestalten. Dazu gilt es insbesondere, Rolle und Kompetenzen der zentralen Kommunikationseinheit zu klären. Ihr kommt es im Zweifelsfall zu, im Sinne des Profils, des Ansehens und der kommunikativen Leistungsfähigkeit der Gesamtinstitution notwendige Abstimmungen zu vereinbaren. Solche Abstimmungsprozesse sollten flexibel gehandhabt werden und frühzeitig erfolgen, um Zeit- und Reibungsverluste zu vermeiden. Das Innovationspotenzial und die Kompetenzen der dezentralen Einheiten sollten in diesem Prozess genutzt und deren spezifische Bedarfe berücksichtigt werden.

Der effiziente Umgang mit begrenzten Ressourcen muss durch eine systematische, abgestimmte und transparente Priorisierung von Zielen und Maßnahmen gesichert werden. Eine begründete Konzentration ist in der Regel einer breiten Streuung vorzuziehen. Auch eine Bündelung von Kapazitäten mehrerer Hochschulen für die Außenkommunikation kann gerade auch, aber nicht nur für kleinere Hochschulen sinnvoll im Sinne der Effizienzsteigerung sein.

Identitätsbildung ist zentraler wie integraler Teil einer gelingenden Hochschulstrategie und ein komplexer, permanenter kommunikativer Prozess, in den möglichst alle Hochschulangehörigen eingebunden sein sollten. Ein solcher Prozess vollzieht sich in organisierten Formaten und informell, in internen Abläufen und im Austausch mit dem hochschulischen Umfeld. Die systematische Reflexion über das institutionelle Selbstverständnis im Rahmen der Entwicklung oder Neufassung eines gemeinsamen Leitbilds oder der aktiven, hochschulweiten Befassung mit der Historie der Institution liefern entsprechende Beispiele. Eine auf das Selbstverständnis und die spezifischen Bedingungen der Hochschule abgestimmte, alle Hochschulangehörigen einbindende Kommunikationskultur bildet dafür die Basis und sollte daher von der Hochschulleitung systematisch gefördert werden.

3. Spannungen zwischen Interessen aktiv handhaben
Hochschulen sind Arbeits- und Wirkungskreis für eine Vielzahl von Mitgliedergruppen mit je eigenen Perspektiven. Sie bilden im Idealfall eine Gemeinschaft, deren Heterogenität ein unvergleichliches Potenzial an Kreativität bietet, indem sie die Identität der Institution gleichermaßen als Bezugspunkt ermöglicht sowie kontinuierlich mitgestalten hilft.

Diesen Prozessen wohnt eine Ambivalenz inne, die für die Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on kennzeichnend ist. Hochschulen sind Orte des offenen wissenschaftlichen (und damit auch gesellschaftlichen) Diskurses, an denen sich Lehrende und Forschende, Fachgruppen und -gemeinschaften unabhängig entfalten können müssen. Als Organisationen verfügen Hochschulen aber sehr wohl über hierarchische Strukturen; zudem gehen interne Interessenkonflikte über rein wissenschaftliche Fragen weit hinaus. Diese den Hochschulen immanente Spannung zwischen individuellen Freiheiten und legitimen Interessen der Institution sollte in einem kreativen Prozess produktiv gemacht werden. Rücksichtnahme auf institutionelle Interessen sollte aktiv ausgehandelt und eingefordert, kann aber natürlich nicht erzwungen werden. Für die Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on bedeutet dies, dass es möglichst klarer Vereinbarungen für den Umgang mit dieser Spannung bedarf, um Missverständnisse zu vermeiden und das Konfliktpotenzial zu reduzieren.

Die Verantwortung für die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft und die Vertrauensbildung sollte allen Hochschulangehörigen und insbesondere den wissenschaftlich Arbeitenden und den professionellen Kommunikator:innen bewusst sein. Für die Kommunikation wissenschaftlicher Inhalte sollten dabei die – inzwischen vielfach diskutierten und weitgehend anerkannten – „Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR“[7] gelten sowie die bislang nur im Entwurf veröffentlichte „Richtlinie Wissenschaftskommunikation“ des Deutschen Rats für Public Relations (DRPR)[8]. Es ist für die Wissenschaft insgesamt wie für die jeweilige Hochschule von essenziellem Interesse, dass diese basalen Regeln respektiert und eingehalten werden. Die Einzelnen tragen nicht nur Verantwortung für die eigene Einrichtung, sondern für das Hochschul- und das Wissenschaftssystem insgesamt: Übertreibende oder gar fehlerhafte Kommunikation von wissenschaftlichen Erfolgen oder die Kommunikation fehlerhafter Forschungsergebnisse beispielsweise schädigen die gesamte Wissenschaft. Den institutionellen Kommunikationseinheiten kommt hier eine wichtige moderierende Funktion zu.

Ein essenzieller Faktor für die Kommunikation einzelner Hochschulmitglieder sind Klärung von und bewusster Umgang mit den eigenen Rollen. Insbesondere Lehrende, Forschende und Funktionsträger:innen sollten sich stets ihrer Verantwortung gegenüber der Institution bewusst sein. Sie sollten deutlich machen, ob sie sich mit einer persönlichen Einschätzung etwa als (Fach-)Wissenschaftler:in, als Vertreter:in der Institution, als Privatperson oder als Mitglied einer anderen Interessenvertretung zu Wort melden; das gilt auch für ihre Aktivitäten in Sozialen Medien.[9] Die Hochschulleitung sollte dafür Sorge tragen, dass die grundlegenden Regeln für den möglichst unmissverständlichen Umgang mit den unterschiedlichen Rollen in entsprechenden Handreichungen und Guidelines niedergelegt und vermittelt werden. Grundsätzlich sollte sich jedes Hochschulmitglied bewusst sein, dass die eigene öffentliche Äußerung auch als Privatperson oft der Institution zugerechnet wird oder zumindest auf die Institution rückwirken kann.

4. Aufgaben und Struktur professioneller Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on klären
Eine Kernaufgabe von Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on ist Vertrauensbildung. Vertrauen im Sinne eines „informierten Vertrauens“[10] entsteht nicht allein durch Verständlichkeit des Kommunizierten und durch die fachliche Expertise der Kommunizierenden. Wichtig sind zudem Integrität und Transparenz, unter anderem durch Prozesskommunikation, die Vermittlung wissenschaftlicher Methoden und deren verlässliche Einhaltung sowie die Offenlegung von Eigeninteressen.[11] Auch Korrekturen und Scheitern sollten kommuniziert werden. Informiertes Vertrauen entsteht vor allem auch dann, wenn Motive nachvollziehbar gemacht werden (Warum wird wie agiert und kommuniziert?). In der Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on geht es wesentlich um die langfristige Sicherstellung einer gemeinsamen Zielorientierung im Inneren sowie öffentlicher Akzeptanz und gesellschaftlicher Legitimität.

Eine idealtypische Organisationsform für die Gestaltung der Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on gibt es nicht. Die bestehende Vielfalt hat ihre Berechtigung, soweit sie der Diversität der Einrichtungen und ihren jeweils spezifischen Aufgaben und Zielsetzungen sowie sinnvoll gewachsenen Strukturen entspricht. So kann es für die organisatorische Verortung der zentralen Kommunikationsbereiche angesichts der Vielfalt von Hochschulen (Typen, Größen, Fächerspektren etc.) kein Einheitsmodell geben. Gleiches gilt für die Integration der verschiedenen Kommunikationssektoren (Medienarbeit, Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Alumni-Pflege, Hochschulgesellschaften, Eventmanagement etc.).

Bei der Entwicklung der individuellen Strukturen und Schwerpunktsetzungen ist es jedoch wichtig, die jeweiligen – vorhandenen oder zu planenden – Sektoren gemeinsam zu denken. Eine systematische Verknüpfung schafft Synergien bei Personal und Ressourcen, unterstützt den kreativen Austausch ebenso wie Transparenz der Aufgabenteilung und erleichtert die notwendigen permanenten Anpassungen.

Dabei spiegeln Organigramme nicht immer die tatsächlich praktizierte Kommunikationsverantwortung wider.[12] Arbeitsalltag und tradierte Strukturen bedürfen eines regelmäßigen Abgleichs mit den tatsächlichen Bedarfen, Prioritäten und Zielen der Institution und gegebenenfalls einer entsprechenden Anpassung.

5. Verantwortung für die Vermittlung von Kommunikationskompetenzen
Die Hochschulen beschäftigen den überwiegenden Teil des wissenschaftlichen Personals in Deutschland und sind die Orte seiner Qualifizierung. Ihnen kommt eine besondere Bedeutung dabei zu, diese Gruppe zur Wissenschaftskommunikation zu befähigen und ihr entsprechendes Rollenverständnis im Rahmen der Scientific Community zu entwickeln.

Wissenschaftler:innen müssen verstehen, weshalb es ein berechtigtes gesellschaftliches Interesse an einer Rechenschaftslegung der Wissenschaft gibt. Sie sollten die Mechanismen öffentlicher Kommunikation und die Funktionsweise der Medienlandschaft kennen. Sie können ihrer Institution und der Wissenschaft insgesamt rascher als früher Schaden zufügen, wenn sie ungeschickt oder fahrlässig fehlerhaft kommunizieren. Es ist Ziel der Qualifizierung und der begleitenden Unterstützung durch die professionellen Kommunikationseinheiten, derartige Fehlkommunikation möglichst zu vermeiden. Auch wenn Kommunikationsfähigkeit in diesem Sinne gefördert werden sollte, sollte sie jedoch nicht zu einem zentralen Qualitätskriterium der wissenschaftlichen Arbeit gemacht werden.

Niemand ist fachlich so kompetent wie die kommunizierenden Wissenschaftler:innen selbst. Die zentralen (und gegebenenfalls dezentralen) Kommunikationseinheiten sollten sie dabei unterstützen, über ihr Fach und ihre Themen auch mit Zielgruppen außerhalb ihrer fachlichen Community zu kommunizieren. Die Unterstützung kann in Kooperation bei konkreten Aktionen bestehen, in Qualifizierung im Rahmen von Fortbildungsangeboten oder Beratung im Einzelfall. Die Inhalte können von Vermittlung allgemeiner Medienkompetenz, praktischer Beratung zu Verhalten bei Interviews bis hin zu einer strategischen Kommunikationsberatung reichen.

Die Kompetenzvermittlung sollte Verständnis von und Fähigkeit zu guter, zielgruppenadäquater Kommunikation entwickeln und Angebote zu allen Medien und Formaten, insbesondere auch dialogischen, umfassen. Sie sollte dazu befähigen, die eigenen Rollen zu reflektieren und zwischen der Kommunikation als Privatperson, als Fachwissenschaftler:in und der als Hochschulmitglied zu differenzieren. Das Verständnis für allgemeingesellschaftliche, regionale, gruppenspezifische und andere Interessenlagen sowie für die Mechanismen der Aufmerksamkeitslenkung in der heutigen Medienlandschaft und der „algorithmischen“ Prägung moderner Medien sollte geschärft werden. Die Qualifizierung sollte für die Fallstricke der Kommunikation sensibilisieren, darunter mögliche handwerkliche Fehler oder Skandalisierungspotenziale.

Das Ideal ist die kommunizierende Hochschule, die ihren Mitgliedern die (Frei-)Räume bietet und sie befähigt, über das eigene Fach und die eigene Forschung hinaus über Wissenschaft und wissenschaftliches Arbeiten allgemein zu kommunizieren, in interdisziplinären Zusammenhängen zu denken und gesellschaftliche Bezüge in die Kommunikation einzubeziehen. In diesem Zusammenhang könnten insbesondere mit Blick auf die Studierenden Formate wie die in Deutschland wenig verbreiteten Debattierclubs eine wichtige Rolle spielen. Die Hochschulleitungen sollten anstreben, eine motivierende, kommunikationsfreundliche Kultur in der gesamten Institution zu schaffen.

Im Fall der Studierenden sollten in den grundständigen Studiengängen die Fundamente für allgemeine Kommunikationskompetenz gelegt werden. Dazu gehört einerseits zwingend die Reflexion der im Studium vermittelten Fachinhalte, ihrer Methoden, Fragestellungen, Paradigmen und gesellschaftlichen Bezüge und andererseits die Entwicklung von Darstellungs- und Medienkompetenz. Während des gesamten Studiums sollten Perspektivwechsel systematisch eingeübt und die Wertschätzung für Kommunikation und kommunikativ aktive und erfolgreiche Wissenschaftler:innen sowie für professionelle Kommunikation vermittelt werden. Für die Berufsfelder Hochschul- und Wissenschaftskommunikation qualifizieren eigene Studienangebote (Module, Weiterbildungsprogramme, Masterstudiengänge etc.).

Ab den postgradualen Studiengängen können auch explizit und differenziert Wissenschaftskommunikation und Zielgruppenkompetenz vermittelt werden. Studierende im Masterstudium sollen beispielsweise einüben, Forschungsprojekte, in die sie involviert sind, einem nicht-fachlichen Publikum zu präsentieren.

Eng an der Forschung liegende „Wissenschaftskommunikation“ im engeren Sinne, zu der eine bereits erworbene profunde Basis von Fachwissen gehört, wird nur von Wissenschaftler:innen mit eigenen Forschungsvorhaben, also üblicherweise ab der Promotionsphase, betrieben. Qualifizierungsangebote für die Wissenschaftskommunikation sollten ab diesem Zeitpunkt angeboten werden. Nicht zuletzt erleichtern kommunikative Kompetenzen den interdisziplinären Austausch, so dass ihre Förderung auch einen Beitrag zur wissenschaftlichen Entwicklung insgesamt darstellt.

Grundsätzlich ist hochschulische (Wissenschafts-)Kommunikation als Querschnittsthema abgeleitet von den Kernaufgaben in Lehre und Forschung. Mit dem Erwerb kommunikativer Kompetenzen sollten keine zusätzlichen Belastungen verbunden sein, was am besten gelingt, wenn er integraler Bestandteil des wissenschaftlichen Bildungsprozesses ist. Die Motivation zum Kompetenzerwerb sollte in erster Linie durch ein kommunikationsfreundliches Klima, Anreize und attraktive Qualifizierungsangebote gefördert werden.

Diesem Grundsatz folgend ergeben sich folgende Optionen:
•    In vorhandene Angebote insbesondere für Studierende und Promovierende wird die Förderung von wissenschaftsbezogenen Kommunikationskompetenzen systematisch integriert.
•    Im Rahmen der Lehrqualifizierungen werden Möglichkeiten für eine solche Integration vermittelt.
•    Vertiefende Inhalte werden im Rahmen fakultativer Angebote vermittelt.
•    Für die Berufsfelder Hochschul- und Wissenschaftskommunikation qualifizieren eigene Studienangebote (Module, Masterstudiengänge, Module in Graduate Schools usw.).

Für die Qualifizierung sollten alle in der Hochschule vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen genutzt und diese vernetzt werden sowie gegebenenfalls weitere externe Angebote bedarfsgerecht einbezogen oder gemeinschaftlich geschaffen werden.

Insbesondere die zentrale Kommunikationsabteilung sollte hier in geeigneter Weise einbezogen werden. Sie kann je nach Möglichkeit und Bedarf die Vermittlung kommunikativer Kompetenzen unterstützen (z. B. Medientraining). Bei der Auswahl externer Angebote kann sie deren Güte und Passgenauigkeit bewerten und deren Konzeption und Organisation mit eventuellen hausinternen Angeboten abstimmen. Bei entsprechenden Kapazitäten kann sie selbst Qualifizierungsangebote unterbreiten. Vor allem aber sollte sie die eigene Policy und Strategie der Institution in Bezug auf (Wissenschafts-)Kommunikation vermitteln. Dezentrale Kommunikationseinheiten sollten mit ihren Potenzialen im Sinne eines kooperativen Austauschs einbezogen werden.

Besondere kommunikative Felder

6. Grundlegende Stärke durch interne Kommunikation

Gute interne Kommunikation ist für Wohlbefinden, Motivation und Identifikation sowie Leistungsbereitschaft und -fähigkeit aller Hochschulmitglieder von großer Bedeutung. Dies gilt wie in jeder Institution und jedem Unternehmen auch für die Beschäftigten in Hochschulen, jedoch außerdem für Studierende und wissenschaftlich Arbeitende.

Eine zeitgemäße und effektive interne Kommunikation ist ebenso wenig eine „Einbahnstraße“ wie die Kommunikation mit externen Zielgruppen. Diskursive Elemente sollten systematisch integriert werden. Interne Problemfelder und Bedarfe können auf der Grundlage positiver wie kritischer Rückmeldungen erkannt und bearbeitet werden. Auch der wissenschaftliche interdisziplinäre Austausch kann durch eine lebendige interne Kommunikation angeregt werden. Dies gilt unter Umständen auch für Maßnahmen, die primär auf externe Zielgruppen zielen wie ein „Tag der offenen Tür" oder eine „Lange Nacht der Wissenschaften“. Insgesamt gilt auch für die interne Kommunikation, dass die Angebote in Form und Umfang bedarfs- und zielgruppengerecht gestaltet werden müssen.

Eine offene interne Kommunikation braucht auch geschützte Räume. Vertraulichkeit ist die Voraussetzung dafür, dass beispielsweise sensible Vorgänge innerhalb der Hochschule kommuniziert werden können. Für diese Vertraulichkeit sollte aktiv geworben und ihr (Mehr-)Wert muss deutlich gemacht werden.

Die erfolgreiche Bewältigung von Ausnahme- und Krisensituationen fußt wesentlich auf einer kontinuierlichen, in Inhalt, Duktus und Medien angemessenen Kommunikation der Hochschulleitungen mit allen Hochschulmitgliedern. Die Erfahrungen mit den durch die Covid-19-Pandemie angestoßenen und verbesserten Kommunikationsaktivitäten sollten aber über diesen Krisenfall hinaus fruchtbar gemacht werden. So sollten erfolgreich etablierte Formate wie beispielsweise regelmäßige Videoblogs der Leitung gegebenenfalls dauerhaft weitergeführt werden.

Die Studierenden sind als Ziel- und Bezugsgruppe in die interne Kommunikation systematisch einzubeziehen. Dabei ist die Vernetzung mit Studierendensekretariaten, International Offices etc. sowie auch die Zusammenarbeit mit Studierendenvertretungen und -medien von besonderer Bedeutung. Aber auch die Hochschulleitung selbst sollte die direkte Ansprache der Studierenden suchen, um Entscheidungen, Entwicklungen und Zielsetzungen für die Gesamtinstitution nachvollziehbar zu machen, sich den Fragen dazu zu stellen und damit die Identifikation der Studierenden mit der Hochschule zu stärken. Ihre eigenen Kommunikationskulturen sollten Studierende im Hochschulraum entwickeln und entfalten können, soweit sie sich im Rahmen der an den Hochschulen geltenden Grenzen für politische und religiöse Betätigung bewegen. Nicht zuletzt wird die Basis für eine ertragreiche Alumni-Arbeit durch wertschätzende und bedarfsgerechte Kommunikation mit den Studierenden auf Hochschul- und Fachbereichs- bzw. Fakultätsebene gelegt. Besonders ausgeprägte Formen studentischer Teilhabe sind Magazin- und Rundfunkformate der Studierenden. Studentische Netzwerke und Medien bieten – unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Autonomie – Potenzial für Projektkooperationen und Themensetzung. Mitunter haben studentische Medien erheblichen Einfluss auf Social-Media-Kanäle oder Lokalpresse. Eine kontinuierliche Beobachtung studentischer Medien (AStA-Zeitschrift, Campus-TV, Uni- bzw. Campus-/Hochschulradio inklusive ihrer jeweiligen sozialen Netzwerke) sollte selbstverständlicher Teil der internen Kommunikation sein. Sie kann Indikatoren für Problemlagen, Handlungs- und Kommunikationsbedarf liefern und so krisenvorbeugend wirken.

Eine aktive interne Kommunikation ist zugleich als Basis einer erfolgreichen Außenkommunikation zu sehen, denn nur gut informierte Hochschulmitglieder sind dazu in der Lage, ihre Institution in der Öffentlichkeit überzeugend zu vertreten. Interne Kommunikation stärkt die Motivation, das Engagement und die Bindung der Mitarbeiter:innen und Organisationsangehörigen. Sie optimiert organisatorische Abläufe, erleichtert die Informationsverbreitung und verbessert den Austausch untereinander. Damit schafft interne Kommunikation eine wichtige Grundlage einer gelingenden strategischen Ausrichtung von Hochschulen und fördert das Vertrauen in und die Bindung an die eigene Einrichtung.[13] Das Ziel kann dabei nicht eine widerspruchsfreie Außenkommunikation sein, sondern eine Identifikation mit der Institution als Basis einer verantwortungsbewussten Außenkommunikation.

Interne und externe Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on überlappen sich in der Praxis; Doppelfunktionen sollten mitgedacht werden: Extern veröffentlichte Produkte wie zum Beispiel Social-Media-Posts oder Pressebeilagen werden gerade von Hochschulmitgliedern aufmerksam rezipiert, intern verbreitete Informationen bleiben kaum mehr intern. Aber auch geschützte Räume für die interne Verständigung sind notwendig und stärken die Institution.

7. Politische Kommunikation: Interessen und Verantwortung wahrnehmen

Hochschulen kommunizieren in vielfacher Weise im politischen Raum. Drei bedeutsame Varianten werden im Folgenden näher betrachtet:

7.1 Sicherung von Bestands- und Entwicklungsinteressen
Hochschulen befinden sich permanent mit unterschiedlichen Ebenen der Politik in Aushandlungsprozessen, die überwiegend Rechts- und Organi-sationsthemen sowie Finanzfragen betreffen. Sie sollten sicherstellen, dass ihre Leistungen, Potenziale und Interessen auf allen relevanten Politikebenen (lokal-, landes-, bundes- bzw. europapolitisch) wahrgenommen und, daraus folgend, unter Wahrung ihrer Autonomie ausreichend gefördert und berücksichtigt werden. Sie sollten frühzeitig ihre individuellen Zukunftsvisionen entwickeln, die dazu notwendigen strategischen Schritte ausarbeiten, diese im Vorfeld von Entscheidungsprozessen in den politischen Diskurs einbringen und um entsprechende Unterstützung werben.

Eine mittel- und langfristige Kommunikationsstrategie ist auf diesem Feld von besonderer Bedeutung. Die Verantwortlichen in Exekutive und Legislative benötigen ein Grundverständnis von Arbeitsweise und Belangen der Hochschulen, um in Einzelfragen kompetent entscheiden zu können. Deshalb bedarf es hier einer anhaltenden Kontaktpflege und neben Information vor allem auch eines aktiven, persönlichen Austausches. Zielgruppen sind neben Bildungs- und Wissenschaftspolitiker:innen alle politisch Verantwortlichen, die sich mit für die Hochschule relevanten Fragen befassen, etwa des Gesundheitswesens oder der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Unter anderem wird durch die regelmäßige Einbeziehung von Wissenschaftler:innen das Potenzial für eine kompetente wissenschaftliche Beratung auf nahezu sämtlichen Politikfeldern ins Bewusstsein politisch Verantwortlicher gerückt.

Die politische Kommunikation, soweit sie primär auf die Belange der Hochschule zielt, ist eine originäre Leitungsaufgabe. Sie bedarf einer systematischen, nicht nur an den eigenen Interessen ausgerichteten, sondern zielgruppenorientierten Konzeptionierung. An dieser Stelle werden die Kommunikationsverantwortlichen häufig noch nicht genügend einbezogen bzw. fehlt sowohl auf Leitungsebene wie in den Kommunikationsabteilungen und der Hochschule generell noch ein entsprechendes Know-how. So wird das Potenzial digitaler Instrumente in der politischen Kommunikation – unabhängig von der Sondersituation der Pandemie – häufig noch nicht systematisch geprüft und genutzt.

Ein gemeinsames Auftreten ist in der Außendarstellung insbesondere der Leistungsdimensionen der Hochschule unter Umständen eindrucksvoller als die unkoordinierte Aktivität Einzelner oder die ausschließliche Vermittlung über die Leitung. Gemeinsame Interessen sollten von den Hochschulen in abgestimmten oder gemeinsamen Kommunikationsprozessen vertreten werden.

7.2 Umgang mit weltanschaulich motivierten Konflikten auf dem Campus
In den Hochschulen ergeben sich regelmäßig weltanschaulich begründete Konflikte (Political Correctness, Religionsausübung in Hochschulräumen, o. ä.). Allgemein und tagespolitische Ereignisse und Entwicklungen (z. B. Ausländerfeindlichkeit, Geflüchtete, Brexit, Gender- und Umweltfragen) betreffen auch die Hochschulen. Diese sind gefordert, einen transparenten und konstruktiven Umgang mit solchen, teilweise äußerst kontrovers debattierten Themen anzustreben. Sie können damit dank der in ihnen versammelten fachlichen Kompetenzen und der Regeln des wissenschaftlichen Diskurses beispielgebend in ihr gesellschaftliches Umfeld wirken. Redefreiheit und (partei-)politische Neutralität sollten dabei gleichermaßen gelten. Durch einen entsprechenden wissenschaftlichen Gesamtrahmen wird sichergestellt, dass die Auftritte von eindeutig parteipolitisch verorteten Persönlichkeiten nicht als Wahlkampf- oder Werbungsaktivitäten stattfinden, sondern dem allgemeinen politischen Diskurs dienen.

7.3 Engagement in allgemeinpolitischen Fragen
Zur Identitätsbildung und strategischen Ausrichtung einer Hochschule gehört auch die Frage, wie weit sich insbesondere die Leitung in ihrer Funktion als Repräsentantin der Organisation in allgemein- bis tagespolitischen Fragen positioniert. Bei dieser Entscheidung kann der (un)mittelbare institutionelle Bezug des fraglichen Sachverhalts/Politikfelds ein für Hochschulmitglieder und Öffentlichkeit nachvollziehbares Kriterium sein. Solche Anknüpfungspunkte können sich aus Leitbild, wissenschaftlichem Profil und Historie der Hochschule ergeben.

8. Auf Krisen vorbereiten, mit Risiken umgehen
Zu guter Governance gehört, dass sich die Institution auf Krisensituationen vorbereitet. Ein durch nachhaltig bewiesene Transparenz, Seriosität und Fehlerkultur gewachsener Vertrauensvorschuss gehört zu der Basis, auf die eine erfolgreiche Krisenkommunikation zurückgreifen kann.[14]

Dazu zählt ein gutes Risikokommunikationsmanagement, das ein kompetentes Themenmonitoring durch die zentrale Kommunikationseinheit und frühzeitige Hinweise der Hochschulleitung an die Kommunikationsleitung auf heraufziehende kritische Themen einschließt. Bekannte potenziell kritische Themen (z. B. Tierversuche) erfordern ein tragfähiges Risikokommunikationskonzept.

Krisenkommunikation ist zu einem guten Teil Kommunikationsfolgenmanagement, d. h. Hochschulen müssen mit Irritationen und Kritik aufgrund eigener oder externer Kommunikationsaktivitäten umgehen. Krisen erwachsen häufig aus mehr oder minder absehbaren Risikosituationen; sie entstehen durch technische Pannen, Fehleinschätzungen, Verantwortungsdiffusion, wissenschaftliches Fehlverhalten oder sonstiges (individuelles) Versagen mit medialer Resonanz bis hin zur Skandalisierung. Verhängnisvoll wird es, wenn unlautere Krisenbewältigung und -kommunikation wie Unter- bzw. Übertreibungen, Verschweigen oder wahrheitswidrige Verzerrungen dazukommen. Eine entsprechende Fehlerkultur – also die Bereitschaft, Versehen einzugestehen und öffentlich zu reflektieren – ist hier die beste Prävention.

Angesichts der notwendigen Reaktionsgeschwindigkeit sind vorab erstellte Krisenpläne für wesentliche Szenarien unabdingbar, in die potenzielle, auf den jeweiligen Krisenfall kurzfristig anzupassende Kommunikationsmaßnahmen integriert werden. Angesichts der Vielzahl möglicher Problemstellungen sind dabei vor allem allgemeine Verfahrensweisen, Abläufe und einzubeziehende Funktionsträger:innen zu benennen und deren Erreichbarkeit sicherzustellen. Wesentlich ist, dass die Rolle der zentralen Kommunikationseinheit im Vorfeld geklärt sein sollte: Wie weit geht ihr Mitspracherecht, wer hat das letzte Wort bei der Entscheidung über Kommunikationsmaßnahmen in der Krise? In jedem Fall ist eine professionelle Kommunikation mit klaren Regeln und Zuständigkeiten für die Bewältigung von großer Bedeutung.

Wissenschaftler:innen, die sich kommunikativ engagieren und ihre wissenschaftliche Expertise in brisante gesellschaftliche Debatten einbringen, benötigen und verdienen Unterstützung und bestmöglichen Schutz durch die Institution. Hochschulleitungen sollten sie ermutigen, sich in potenziell risikohaften bzw. krisenträchtigen Situationen frühzeitig mit ihren Kommunikationsabteilungen in Verbindung zu setzen, und Beratung und Unterstützung anbieten. Es ist sinnvoll, insbesondere Neuberufenen Kommunikationskultur und -strategie der Hochschule zu erläutern und sie mit Optionen in Krisensituationen vertraut zu machen. Es kann aber keine Solidarität um jeden Preis für angegriffene Wissenschaftler:innen geben, wenn eigenes Fehlverhalten vorliegt und wenn die Institution dadurch selbst nachhaltig geschädigt zu werden droht. Krisen können auch von innen kommen, wenn beispielsweise Kritik öffentlich artikuliert wird, ehe die betreffenden Argumente intern vorgetragen wurden.

Das Bemühen, der Entstehung von Krisen vorzubeugen, darf indes nicht dazu führen, dass konfliktträchtige Themen und prononcierte Äußerungen aus der Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on verdrängt werden.

Förderung und Ausblick

9. Qualität der Kommunikation kontinuierlich entwickeln

Gute Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on – i. S. einer qualitativ hochwertigen, den jeweiligen Zielen und Erwartungen genügenden, dabei möglichst effizient, effektiv und transparent gestalteten Kommunikation – stellt eine zentral verantwortete, aber auch dezentral bearbeitete Querschnittsauf¬gabe und somit eine Gemeinschaftsleistung der Hochschule und ihrer Angehörigen dar. Angesichts der in den vergangenen Jahren deutlich erweiterten Kommunikationsaktivitäten auf allen Ebenen sollte nun ihre qualitative, weniger die weitere quantitative Entwicklung im Fokus stehen.[15]

Qualitätsentwicklung in der Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on erstreckt sich nicht lediglich auf die nachgehende Evaluation (der Wirksamkeit) einzelner Aktivitäten, sondern umfasst einen kontinuierlichen Prozess begleitender Unterstützungs- und Anerkennungsmaßnahmen.[16] Ideelle wie konkrete Wertschätzung für einzelne Lehrende und Forschende tragen insofern zur Qualitätssicherung bei, als dieser Kriterien zugrunde liegen, die das institutionelle Verständnis von „guter Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on“ erfassen. Hochschulen sollten dieses eigene Verständnis mit Qualitätszielen und Indikatoren ausdrücklich formulieren und im Selbstverständnis ihrer Institution verankern. Dabei sollte der Qualitätsbegriff sowohl formelle als auch inhaltliche Aspekte der Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on umfassen.[17]

9.1 Qualitätsförderung der institutionellen Kommunikation
Die Größe, der Zuschnitt und die organisatorische Einordnung von Abteilungen – etwa als direkt den Hochschulleitungen zugeordneten Stabsstellen –, die sich mit Kommunikation befassen, spiegelt unter anderem die gewachsene Wertschätzung für Kommunikationsaufgaben wider. Zudem hat im Zuge der stark gewachsenen Nutzung von Social Media die individuelle Kommunikation in und aus den Hochschulen zugenommen. Hochschulen beziehen solche Kommunikationsformen zunehmend in ihre institutionelle Gesamtkommunikation ein, sei es durch konkrete Unterstützung und Beratung ihrer (kommunizierenden) Wissenschaftler:innen. Wichtig sind dabei die Abstimmung über die „großen Linien“ der Kommunikation und deren strategische Einbindung.

9.2 Qualitätsförderung der Wissenschaftskommunikation
Individuen wie Institutionen verstehen im Rahmen ihrer Forschungsförderung Kommunikationsaufgaben und -kompetenzen zunehmend als Teil wissenschaftlichen Handelns und integrieren sie in Forschung und Lehre.

In der allgemeinen Forschungsförderung haben sich Anreizsysteme für Kommunikationsleistungen so weit etabliert, dass derzeit eine Ausweitung an dieser Stelle kaum notwendig erscheint. Vielmehr sollten die Förderbedingungen auf ihre Wirksamkeit hinsichtlich der qualitativen Entwicklung der Wissenschaftskommunikation hin systematisch überprüft werden. In diesem Sinne sind etwa die durch die VolkswagenStiftung[18] ermöglichten, gerade anlaufenden fachspezifischen Projekte der Wissenschaftskommunikationsforschung außerordentlich sinnvoll, um den Impact der derzeitigen Praxis und die sinnvolle Weiterentwicklung von Kommunikationsmaßnahmen zu ergründen.

Der Kommunikationsauftrag im Rahmen von Drittmittelförderung führt aktuell vielfach zu Fehlsteuerungen. Der begrenzte Förderzeitraum und Teilzeitstellen erschweren den Einsatz qualifizierten Personals und die naturgemäß überschaubaren Mittel für das Einzelprojekt erlauben keine adäquaten Maßnahmen. Das aufgrund der genannten anspruchsvollen Aufgaben benötigte hochqualifizierte Personal kann nur mit entsprechenden längerfristigen Beschäftigungsperspektiven gewonnen werden.

Daher bedarf es neuer Modelle, damit die Ressourcen für Kommunikation erhöht und möglichst effizient eingesetzt werden können. Eine Variante kann ein Pooling von Projektmitteln sein, um die Schaffung längerfristig angelegter Stellen für die Wissenschaftskommunikation zu ermöglichen. Auf diese Weise könnten auch Dauerstellen geschaffen werden, die für entsprechend qualifiziertes Personal ausreichend attraktiv sind. Die Inhaber:innen dieser Stellen könnten für die jeweiligen Projekte effektiver und effizienter tätig werden.

Kommunikationsleistungen finden in Berufungsverfahren zunehmend, bislang jedoch noch wenig systematisch Berücksichtigung. Hochschulen sollten sich hier auch für publizistische Leistungen jenseits der klassischen Fachkommunikation öffnen, um etwa Formen der Wissenschaftskommunikation über andere Medien, Kanäle, Plattformen oder Veranstaltungen adäquat einbeziehen zu können. Sie sind zudem herausgefordert, die individuelle Kommunikation ihrer Lehrenden und Forschenden zu fördern und sie bei ihren Aktivitäten zu unterstützen, und zugleich Überforderungen – insbesondere von Wissenschaftler:innen in der Qualifizierungsphase – zu vermeiden und diese, wo nötig, punktuell zu entlasten.[19] 

10. Perspektiven: Was braucht die Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on der Zukunft?

10.1 Aufgaben

Die Hochschulen sollten gemeinsam mit allen anderen Wissenschaftseinrichtungen klären, wie sie mit Zielgruppen, die (strukturell) bislang nicht erreicht werden, insbesondere mit Wissenschaftsskeptiker:innen oder -gegner:innen, umgehen wollen. Im eigenen Interesse und in Verantwortung für das demokratische Gemeinwesen müssen sie sich dieser Frage stellen. Der Wissenschaftsrat weist zurecht darauf hin, dass die Einbeziehung so genannter wissenschaftsferner Zielgruppen zwar vielfach zum strategischen Ziel erklärt wird, dieses in der Praxis aber schwer umsetzbar zu sein scheine, weil die „Exklusionsfaktoren“ sozial- und bildungspolitisch bearbeitet werden müssten.[20] Die Hochschulen sollten hier – möglichst gestützt auf sozialwissenschaftliche Forschung – nach Wegen suchen, ihre spezifische Bandbreite als Bildungseinrichtungen, Arbeitgeber, als Orte der Innovation und als Kulturstätten zu nutzen.

Angesichts der fachlichen und strukturellen Komplexität der meisten Hochschulen ist es eine besondere Herausforderung, die vorhandenen Kompetenzen jeweils zeit- und zielgruppengerecht in gesellschaftliche Debatten einzubringen. Die Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on sollte verstärkt Mechanismen implementieren, die einerseits die relevanten Themen und die wesentlichen Diskussionsplattformen identifizieren und andererseits passende, insbesondere wissenschaftliche Kompetenzen mit potenziellen Debattenbeiträgen in der Hochschule erkennen und aktivieren.

Hochschulen müssen in der Lage sein, wo das geboten ist, punktuell schnell – gemäß den Gepflogenheiten der Social Media, aber auch darüber hinaus – zu kommunizieren, sollten sich aber generell nicht dazu verleiten lassen, Thesen und Hypothesen ohne gründliche Prüfung an die Öffentlichkeit zu bringen. Hochschulen müssen über Kommunikationssouveränität verfügen, das heißt: Sie müssen sich die aus Verantwortungsbewusstsein geborene Freiheit nehmen, zu entscheiden, wann sie auf Social-Media-Aktivitäten und Vergleichbares rasch oder wann sie nur nach reiflicher Prüfung (oder gar nicht) reagieren.

Die Kommunikationsverantwortlichen sollten die geeigneten Plattformen und Formate identifizieren oder schaffen, die Qualität der Wissenschaftskommunikation in allen Karrierestufen der Wissenschaft durch Weiterbildungsangebote steigern und die Wissenschaftler:innen bei der Kommunikation unterstützen. Unterstützt von der Hochschulleitung sollten sie die Forschenden ermutigen, sich in öffentliche Diskurse einzubringen. Als Kompetenzstellen für Wissenschaftskommunikation sollten sie zudem ihre Expertise um partizipative Formate erweitern und die Bereitstellung von Experimentier- und Dialogräumen für partizipative Wissenschaftskommunikation gemeinsam mit anderen Wissenschaftseinrichtungen vorantreiben.

Hochschulen sollten die immer wieder neu entstehenden, gesellschaftlich stark prägenden Social-Media-Plattformen nicht unkritisch nutzen. Dort können Formate und Qualitätsmaßstäbe entstehen, die im Widerspruch zu Expertenorganisationen wie Hochschulen stehen. Es bedarf eines schwierigen Balanceaktes: Weder sollten sich Hochschulen mit ihrem Expertenstatus anbiedern, noch dürfen sie in Selbsttrivialisierung verfallen oder relevante Plattformen ohne zwingende Begründung ausschließen.

Mit Hilfe der in den Hochschulen vorhandenen fachwissenschaftlichen Kompetenzen sollte der Auf- bzw. Ausbau einer demokratiefreundlichen digitalen Medienlandschaft vorangetrieben, die Förderung von Medienkompetenz und der Schutz vor Falschinformationen in der Gesamtgesellschaft gestärkt werden.[21] 

10.2 Anerkennung
Die wissenschaftliche Community sollte insgesamt eine größere Wertschätzung für Kommunikationsleistungen entwickeln.[22] Dazu ist es wichtig, die positiven Rückwirkungen auf die Wissenschaft selbst ins Bewusstsein zu rücken. Diese positiven Effekte sind Motivation für die weitere wissenschaftliche Arbeit durch positive Rückmeldungen in der Wissenschaftskommunikation oder Lerneffekte für den interdisziplinären Austausch und vor allem durch die Anerkennung und Wertschätzung innerhalb der eigenen Hochschule. Die Anerkennung für Kommunikationsleistungen im Zusammenhang mit Berufungen bedarf einer Steigerung – auch um die nachwachsenden Wissenschaftler:innengenerationen zu ermutigen, sich auf dem Feld der Wissenschafts- und Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on zu engagieren. Kommunikationsleistungen sind dabei weder als Alternative noch als Add-on zu betrachten und zu bewerten, sondern als integraler Bestandteil von Forschung und Lehre.

10.3 Ressourcen
Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on benötigt hochschulspezifisch angemessene finanzielle und technische Ressourcen, hochqualifiziertes, spezifisch kompetentes Personal sowie eine adäquate organisatorische Einbindung, um die jeweils definierten kommunikativen Aufgaben und Ansprüche einer Hochschule und ihrer Bezugsgruppen sach-, fach-, medien- und zielgruppengerecht erfüllen zu können. Für die Angemessenheit dieser durch Hochschulleitung und Zuwendungsgeber zu sichernden Rahmenbedingungen lassen sich schwerlich allgemeingültige, quantitativ fassbare Standards benennen. Dazu sind die Konstellationen und Bedarfe der einzelnen Hochschulen wie dargestellt zu unterschiedlich.

Klar ist, dass Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on konstitutiv für die Selbst- und Fremdwahrnehmung, den Bestand und die Entwicklung, das Profil und die Funktionsfähigkeit einer Hochschule ist und entsprechend nachhaltig organisiert und bedarfsgerecht ausgestattet sein sollte. Nachhaltigkeit bedeutet unter anderem, dass die bereitgestellten Ressourcen sich nicht nur am Regelbetrieb orientieren, sondern auch Innovationen ermöglichen und die Handlungsfähigkeit in der Krise sowie generell die zentrale Rolle der Kommunikation als strategische Aufgabe der Institution sichern. Dazu gehören der nachhaltige Kompetenzaufbau, die systematische Weiterqualifizierung des Personals und eigene Nachwuchsförderung etwa im Rahmen von Volontariaten. Zu berücksichtigen sind dabei auch die zunehmend eingeforderten Kommunikationsleistungen in strategischen Projekten und Veränderungsprozessen (z. B. Nachhaltigkeitskommunikation, Europäische Universität, Digitalisierung, Campusgestaltung u. ä.).

Eine leistungsfähige Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on ist elementar für die positive institutionelle Entwicklung – bei strukturellen, finanziellen oder personellen Defiziten wirkt sie entsprechend negativ. Die Bedeutung ihrer strategischen Einbindung und damit der Zusammenhang zwischen Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on und institutioneller Strategie ist entsprechend hoch.

Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on als strategische Aufgabe ernst zu nehmen, bedeutet, ihre Ziele, Formen und Strukturen kontinuierlich den sich wandelnden Anforderungen anzupassen und hochschulspezifisch selbstbewusst weiterzuentwickeln. Die entsprechenden Bemühungen der einzelnen Hochschulen müssen unterstützt werden durch eine ausreichende öffentlich finanzierte Grundausstattung, durch Förderung der Kommunikationsforschung und durch Sicherung einer Demokratie-adäquaten Medienlandschaft.

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[1] „Die Hochschulen als zentrale Akteure in Wissenschaft und Gesellschaft – Eckpunkte zur Rolle und zu den Herausforderungen des Hochschulsystems“, Beschluss des HRK-Senats, Oktober 2016: „Hochschulen sind Orte des Dialogs und der geistigen Auseinandersetzung. Sie fördern und entwickeln die Persönlichkeit und vermitteln die Haltung und die Fähigkeit, der Kraft des sachlichen Arguments zu vertrauen und diese zu nutzen. Als Zentren demokratischer Kultur tragen sie (auch im Sinne einer „Dritten Mission“ / Third Mission) zur produktiven Diskussion um die Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen bei. Dazu machen die Hochschulen vielfältige Angebote an alle Bevölkerungsgruppen und nutzen dabei auch innovative Formate: von Veranstaltungen zur politischen Bildung über Workshops zum Social Entrepreneurship bis zur KinderUni. Darüber hinaus engagieren sie sich gezielt und nachhaltig gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung.“ (URL: www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/die-hochschulen-als-zentrale-akteure-in-wissenschaft-und-gesellschaft-eckpunkte-zur-rolle-und-zu-d/; 4.4.2022).
[2] Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on lässt sich zwar als eine besondere Form von Wissenschaftskommunikation fassen, ist in ihrem Wesen, ihren An- und Herausforderungen sowie ihren unterschiedlichen Ausprägungen aber nur dann umfassend verständlich, wenn sie als Kommunikation, die im Zusammenhang mit dem spezifischen Organisationtyp „Hochschule“ stattfindet, gefasst wird. Dem hier zugrunde gelegten Verständnis des Begriffs „Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on“ am nächsten kommen bspw. Fähnrich, Birthe u. a.: Einleitung. In: Dies. (Hg.): Forschungsfeld Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on, Wiesbaden 2019, S. 1-21 und Schwetje, Thorsten / Hauser, Christiane / Leßmöllmann, Annette: Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on erforschen. Hochschulkommunikatoren als Akteure: Ergebnisse einer Online-Befragung – 2. Welle. Projektbericht. Karlsruhe 2017. URL: wmk.itz.kit.edu/downloads/Projektbericht-Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on-er.pdf (4.4.2022).
[3] Vgl. Wissenschaft im Dialog: Wissenschaftsbarometer 2020. Berlin 2020. URL: www.wissenschaft-im-dialog.de/projekte/wissenschaftsbarometer/wissenschaftsbarometer-2020/ (4.4.2022).
[4] Memorandum „Dialog Wissenschaft und Gesellschaft“. Bonn 1999. URL: www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/memorandum-dialog-wissenschaft-und-gesellschaft (4.4.2022).
[5] Allianz der Wissenschafts­organisationen: 10-Punkte-Plan zur Wissenschaftskommunikation. Interne Vereinbarung zur Entwicklung der Kommunikation der Allianz und ihrer Mitglieder. O.O. 2020. URL: www.hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/02-Dokumente/10_Punkte_Plan_Allianz_2020.pdf (4.4.2022).
[6] Vgl. Wissenschaftsrat: Wissenschaftskommunikation (Positionspapier; Drs. 9367-21). Kiel 2021, S. 48. URL: www.wissenschaftsrat.de/download/2021/9367-21.pdf (4.4.2022).
[7] Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR. Berlin 2016. URL: www.bundesverband-Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on.de/fileadmin/user_upload/themen/Wissenschafts-PR/Leitlinien_zur_guten_Wissenschafts-PR.pdf (4.4.2022).
[8] Deutscher Rat für Public Relations: DRPR Richtlinie Wissenschaftskommunikation. Berlin 2022. URL: drpr-online.de/wp-content/uploads/2022/02/2022-02-24_DRPR_Richtlinie-Wissenschaftskommunikation.pdf (4.4.2022).
[9] Vgl. Wissenschaftsrat: Wissenschaftskommunikation (Positionspapier; Drs. 9367-21). Kiel 2021, S. 21. URL: www.wissenschaftsrat.de/download/2021/9367-21.pdf (4.4.2022).
[10] Vgl. Bromme, Rainer: Verständlichkeit ist gut, aber es geht um informiertes Vertrauen. In: wissenschaftskommunikation.de, 4.5.2020. URL: www.wissenschaftskommunikation.de/verstaendlichkeit-ist-gut-aber-es-geht-um-informiertes-vertrauen-38231/ (4.4.2022).
[11] Vgl. Wissenschaftsrat: Wissenschaftskommunikation (Positionspapier; Drs. 9367-21). Kiel 2021, S. 31. URL: www.wissenschaftsrat.de/download/2021/9367-21.pdf (4.4.2022).
[12] Schwetje, Thorsten / Hauser, Christiane / Leßmöllmann, Annette: Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on erforschen. Hochschulkommunikatoren als Akteure: Ergebnisse einer Online-Befragung – 1. und 2. Welle. Zwischen- bzw. Projektbericht, Projekt Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on erforschen; gefördert vom Bundesverband Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on. Karlsruhe 2017. Zwischenbericht (1. Welle), URL: www.wmk.itz.kit.edu/downloads/Zwischenbericht%20Hochschulkommunikation%20e.pdf (4.4.2022); Projektbericht (2. Welle, URL: www.wmk.itz.kit.edu/downloads/Projektbericht-Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on-er.pdf (4.4.2022).
[13] „Eine funktionierende und vertrauensvolle Kommunikationskultur innerhalb der Hochschule bildet eine wesentliche Basis für eine nachhaltige und wirkungsvolle Kommunikation auch nach außen. In der komplexen Organisationsform Hochschule ist es eine besondere Herausforderung, alle Gruppen in die vielschichtigen Kommunikationsprozesse einzubeziehen. Eine systematisch angelegte interne Kommunikation sollte die Hochschulangehörigen zu einem kommunikativen Austausch motivieren, die übergreifenden Ziele der Institution unterstützen und alle Akteure in ihrer Handlungsfähigkeit nach innen und außen fördern. Interne Kommunikation kann so die Identifikation mit der Hochschule und die Übernahme von Verantwortung für Leistungsqualität und für eine gelungene Außenwirkung stärken.“ (Auszug der Ausschreibung „Preis für Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on 2019“).
[14] Zur Bedeutung einer professionellen Krisenkommunikation wissenschaftlicher Einrichtungen siehe auch Wissenschaftsrat: Wissenschaftskommunikation (Positionspapier; Drs. 9367-21). Kiel 2021, S. 48ff. URL: www.wissenschaftsrat.de/download/2021/9367-21.pdf (4.4.2022).
[15] Vgl. #FactoryWisskomm: „Handlungsperspektiven für die Wissenschaftskommunikation“. Eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Berlin 2021, S. 21 ff. URL: www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/downloads/files/factory_wisskomm_publikation.pdf (4.4.2022).
[16] Der Bundesverband Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on unterstützt seine Mitglieder bei der Qualitätsentwicklung durch entsprechende Arbeitsgruppen und Materialien. So gibt es dort die bereits vor über 30 Jahren gegründete Initiative Qualität in der Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on (IQ_HKom).
[17] Der Bundesverband Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on unterstützt seine Mitglieder bei der Qualitätsentwicklung durch entsprechende Arbeitsgruppen und Materialien. So gibt es dort die bereits vor über 30 Jahren gegründete Initiative Qualität in der Hochschul­kom­mu­ni­ka­ti­on (IQ_HKom).
[18] VolkswagenStiftung: Bewilligungen zur Ausschreibung der VolkswagenStiftung „Wissenschaftskommunikation hoch drei – Zentren für Wissenschaftskommunikation“, Pressemitteilung vom 25.6.2021. URL: www.volkswagenstiftung.de/aktuelles-presse/presse/volkswagenstiftung-f%C3%B6rdert-mit-15-mio-euro-vier-neue-zentren-f%C3%BCr-wissenschaftskommunikationsforschung (4.4.2022).
[19] Vgl. #FactoryWisskomm: „Handlungsperspektiven für die Wissenschaftskommunikation“. Eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Berlin 2021, S. 25 ff.
[20] Vgl. Wissenschaftsrat: Wissenschaftskommunikation (Positionspapier; Drs. 9367-21). Kiel 2021, S. 33 f.
[21] Vgl. #FactoryWisskomm: „Handlungsperspektiven für die Wissenschaftskommunikati-on“. Eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Berlin 2021, S. 25 ff.