Frauen fördern


Empfehlung des 209. Plenums der HRK am 14.11.2006



Zusammenfassung

  1. Im Bereich der Professuren wie der Leitungspositionen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen gibt es trotz einer Verbesserung der Beteiligungswerte im letzten Jahrzehnt nach wie vor zu wenige Frauen.

  2. Frauen stellen heute die Hälfte der Studienanfänger, Studierenden und Absolventen. Es sind die Schnittstellen Hochschulabschluss/Promotion und Promotion/Habilitation, an denen überproportional viele Frauen aus dem System ausscheiden. Der Anteil der auf Professuren berufenen Frauen entspricht dann wieder ihrem Anteil an den Habilitationen. Die Chancen eines männlichen Hochschulabsolventen, später Professor zu werden, sind fünf Mal so groß wie die einer Hochschulabsolventin.

  3. Trotz Steigerung des Frauenanteils insgesamt blieben die Anteile von Frauen im Bereich der Ingenieur­wissenschaften, aber auch in einigen Naturwissenschaften bereits auf der Ebene der Studienanfänger und Studierenden äußerst gering. Dies ist nachteilig für die Entwicklung dieser wirtschaftlich und innovationspolitisch wichtigen Disziplinen, sie schließt aber auch Frauen von Feldern mit einem hohen Zukunftspotenzial, wissenschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten und guten Berufsaussichten aus.

  4. Die unzureichende Beteiligung von Frauen bedeutet ein Effizienz- und Exzellenzdefizit für den Hochschulbereich, denn das in Wissenschaft und Forschung liegende Innovationspotential kann zur Gänze nur genutzt werden, wenn herausragende Talente unabhängig vom Geschlecht in möglichst großer Zahl im Wissenschaftsbereich verbleiben und nicht auf dem Weg zu ihrer höchsten Leistungsfähigkeit in andere Beschäftigungsbereiche abwandern. Männer und Frauen müssen auf allen Ebenen des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses gleichberechtigt beteiligt werden.

  5. Die Ursachen für das Ausscheiden von Frauen auf dem Weg zu den höchsten Qualifikationen sind umfänglich erforscht und lassen sich auf folgende Tatbestände zurückführen: das deutsche Wissenschaftssystem ist zu stark auf individuelle Förderbeziehungen ausgerichtet, es gibt Defizite bei der Definition von Qualifikationsanforderungen sowie an klaren Regeln bei der Vergabe von Qualifikationsstellen. Frauen werden seltener zur Weiterqualifikation aufgefordert als männliche Absolventen, sie werden weniger in den Hochschulbereich integriert (Stipendien statt Stellen), sie werden stärker in die Lehre eingebunden als ihre männlichen Kollegen. Möglicherweise unterliegen sie auch Nachteilen im Förderbetrieb.

  6. Die geringere Beteiligung von Frauen hängt auch mit der zeitlichen Parallelität von karriererelevanter Qualifizierung und Familiengründung unter den Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zusammen. Die Arbeitsbelastung ist hoch und die Konkurrenzsituation unter den Nachwuchswissenschaftlern ist ausgeprägt. Das Problem der Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Karriere und Familiengründung wird durch die Unsicherheit des Arbeitsplatzes Wissenschaft potenziert: zu gibt zu wenige Qualifikationsstellen, sie sind durchweg befristet und schlechter bezahlt als Beschäftigungsverhältnisse außerhalb.

  7. Gleichstellungspolitik ist eine Leitungsaufgabe der Hochschulen. Die gleichberechtigte Beteiligung von Männern und Frauen, vor dem Hintergrund eines streng qualitätsgeleiteten Auswahlprozesses, muss integraler Bestandteil des Selbststeuerungskonzeptes jeder Hochschule sein.

  8. Gleichstellungspolitik an den Hochschulen kann nur Erfolg haben, wenn sie von den einzelnen Fächern mit getragen wird. Die eigene Motivation der Fächer muss im Rahmen der leistungsbezogenen Steuerung realisiert werden. Gleichstellungspolitische Ziele müssen deshalb sowohl Eingang in die hochschulinterne Mittelverteilung finden als auch Gegenstand von Zielvereinbarungen mit den Fachbereichen sein.

  9. Der gleichstellungspolitische Prozess in der Hochschule muss transparent gestaltet werden. Im Rahmen der hochschulinternen Qualitätssicherung muss ein systematisches gleichstellungspolitisches Monitoring stattfinden. Das System individueller Förderbeziehungen, das für die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses kennzeichnend ist, muss durch ein Konzept der aktiven und vorausschauenden Personalentwicklung abgelöst werden.

  10. Im Bereich der Medizin und Laborfächer müssen Konzepte für einen sinnvollen Einsatz von Schwangeren unter Berücksichtigung von Beschäftigungsverboten erfolgen.

  11. Die Berufungsverfahren sollten mit dem Ziel der Objektivierung der Auswahl neu gestaltet werden. Im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Elternschaft und Karriere stehen die Hochschulen als Arbeitgeber im Wettbewerb mit den Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung. Sie müssen die Beschäftigungsbedingungen so gestalten, dass sie im Hinblick auf die Vereinbarkeit konkurrenzfähig sind.

  12. Das Ziel der Verwirklichung von Chancengleichheit kann auch von den Ländern als Träger der Hochschulen und für die Gesetzgebung Verantwortliche in geeigneter Weise unterstützt werden. Ansatzpunkte dafür sind auch hier die leistungs- und belastungsorientierte Mittelverteilung, Zielvereinbarungen und die rechtliche Ausgestaltung der Beschäftigungsbedingungen. Darüber hinaus ist die Auflage von Sonderprogrammen zur Steigerung des Frauenanteils so lange von Vorteil, wie keine hinreichenden Beteiligungswerte erreicht sind.

  13. Die Forschungsförderorganisationen müssen das Problem eines möglichen Gender Bias bei der Bewilligung von Fördermitteln hinterfragen und gegebenenfalls Möglichkeiten zur Objektivierung der Verfahren ergreifen.

  14. In weiten Bereichen liegen keine gesicherten Erkenntnisse über einzelne Instrumente zur Durchsetzung von mehr Chancengleichheit vor. Hier besteht erheblicher Forschungsbedarf, der baldmöglichst aufgegriffen werden sollte.