Gute Rahmenbedingungen für Studium und Lehre


Entschließung des Senats der HRK am 16. März 2021
Die Sicherstellung und Entwicklung der Qualität von Studium und Lehre ist genuine Aufgabe der Hochschulen. Teil dieser Aufgabe sind Planung und Durchführung von Studium und Lehre und die Gestaltung der entsprechenden organisatorischen Rahmenbedingungen. Bezüglich dieser Aspekte sind die Hochschulen darauf angewiesen, dass Bund und Länder für die Aufgabenerfüllung geeignete regulatorische und finanzielle Voraussetzungen schaffen. Die gegenwärtige Corona-Pandemie hat in vielen Bereichen der Hochschulen auch Potenziale freigesetzt, dabei aber erneut deutlich gemacht, dass bei den Rahmenbedingungen für die Durchführung von Studium und Lehre seit Jahren strukturelle Defizite existieren. Angesichts der dauerhaft hoch bleibenden Studierneigung beeinträchtigt dieses massiv die Zukunftsfähigkeit der hochschulischen Bildungsangebote. Die Hochschulen bitten Bund und Länder deshalb, in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen und, wo geboten, in Kooperation, Abhilfe zu schaffen, damit die Hochschulen ihre Aufgaben erfüllen können.

Die in der Folge detaillierter geschilderten Zusammenhänge und Anliegen erfordern Veränderungen in fast allen Bereichen der Hochschulen. Dabei müssen viele dieser Prozesse durch entsprechende staatliche Maßnahmen zunächst angeschoben oder überhaupt ermöglicht werden. Mittelfristiges Ziel bleibt aber eine Stärkung der Grundausstattung der Hochschulen, um Studium und Lehre weiterhin in bestmöglicher Qualität eigenverantwortlich anbieten zu können. Alle skizzierten Veränderungen sind durch Anpassungen in der Arbeit der Hochschulverwaltungen (insbesondere Ausbau digitaler Abläufe, Weiterqualifizierung) zu begleiten.


1. Digitale Infrastrukturen ausbauen

Grundsatz: Die Digitalisierung der Hochschulen muss auf der Basis einer entsprechenden Übereinkunft von Bund und Ländern substanziell und unter allen Aspekten gefördert werden.

Erläuterung: Unabhängig von den anerkennenswerten kurzfristigen Sofortprogrammen durch viele Länder bleibt die Digitalisierung der Hochschulen strukturell defizitär, wenn sie nicht durch eine entsprechende Bund-Länder-Übereinkunft gesichert wird. Handlungsbedarf besteht dabei nicht nur hinsichtlich der Ausstattung von Arbeitsplätzen und Lehrräumen, sondern vor allem mit Blick auf die Infrastrukturen (z. B. Serverumgebungen mit ausreichenden Kapazitäten, kabellose Netzwerke auf dem gesamten Campus), Lizenzen (auch für KI-gestützte Instrumente) und das notwendige Fachpersonal. Dabei werden neben IT-Spezialisten auch konzeptionell arbeitende Fachleute (etwa aus Mediendidaktik und Studienganggestaltung) benötigt. Darüber hinaus sind hohe Ansprüche an die kontinuierliche Fort- und Weiterbildung aller beteiligten Personengruppen zu stellen, wobei gerade die Verbindung von Lehre und (Medien-)Technik dabei bedeutsam ist. Schließlich hat die Corona-Pandemie gezeigt, dass eine stärker digitalisierte Lehre zunächst nur möglich war, wenn kurzfristig auf externe, kommerzielle Anbieter zurückgegriffen wurde. Ein solcher Rückgriff ist im Sinne einer digitalen Souveränität der Hochschulen allerdings auf Dauer nicht wünschenswert: Hochschulen müssen in die Lage versetzt werden, sichere, datenschutzkonforme und zuverlässige Lösungen für digitale und hybride Lehr- und Studienformate zu beschaffen oder selbst zu entwickeln; hierbei spielt die hochschulübergreifende, mit entsprechenden Ressourcen unterlegte Kooperation eine zentrale Rolle. Zugleich wird sehr anschaulich, dass eine Entwicklung der hochschulischen Kooperationskultur im Bereich von Lehre und Studium notwendig ist und insbesondere nicht durch ein ungünstiges Umsatzsteuerrecht behindert werden darf.


2. Deputate für digitale Lehre erhöhen

Grundsatz: Die Lehrverpflichtungsverordnungen der Länder müssen eine länderübergreifend konsistente Regelung der Anrechnung digitaler Lehre auf das Lehrdeputat vorsehen.

Erläuterung: Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass Hochschullehre derzeit in umfassender Weise in digitalen Formaten stattfindet. Dies beschleunigt eine schon länger existierende Tendenz, die sich aus der Individualisierung von Studienverläufen, einer zunehmend betreuungsintensiven Diversifizierung der Studierendenschaft, der Ausdifferenzierung und Internationalisierung von Lehrangeboten und den Vorteilen neuer Analyse- und Vermittlungsmethoden ergibt und darin besteht, dem Präsenzdialog zwischen Lehrenden und Lernenden als Kern akademischer Lehre ergänzend digitale Elemente zur Seite zur stellen. Der Aus- und Aufbau dieser Blended Learning-Kultur muss schrittweise erfolgen und dabei Lehr- und Medienqualifizierung als Einheit verstehen. Absehbar ist aber bereits jetzt, dass die Erweiterung der Lehrformate im digitalen Bereich mit Blick auf technische und didaktische Anforderungen, Barrierefreiheit/Nachteilsausgleich und Nachnutzbarkeit der Inhalte einen erhöhten Aufwand in Vorbereitung und Durchführung akademischen Unterrichts bedeutet. Die bestehenden Lehrverpflichtungsverordnungen tragen dieser Realität digitaler bzw. hybrider Lehre allerdings in der Regel nicht Rechnung oder enthalten sehr unterschiedliche Regelungen für die Anrechnung digitaler Lehre auf das Lehrdeputat. Die Länder sind daher gebeten, die veralteten Verordnungen entsprechend zu modernisieren, wobei eine in den Kernelementen einheitliche Regelung über Ländergrenzen hinweg geboten ist.


3. Digitale Prüfungen absichern

Grundsatz: Die Rechtslage bei digitalen Prüfungen ist insbesondere mit Blick auf Durchführbarkeit und Datenschutz klärungsbedürftig und muss einheitlich gestaltet werden.

Erläuterung: Die Notwendigkeit, für inzwischen mehrere Kohorten von Studierenden auch während der Pandemie die Ablegung von Prüfungen zu ermöglichen und so den Studienerfolg sicherzustellen, hat die mit Blick vor allem auf Teilzeitstudium, Fernstudium und internationale Studierende schon länger bestehende Frage nach stabilen digitalen Prüfungsformaten sehr sichtbar gemacht. Unabhängig von den aktuellen Bedarfen kommt es den Hochschulen dabei mittelfristig darauf an, entlang der inhaltlichen Leitlinie des kompetenzorientierten Prüfens die Prüfungsformen (analoge wie digitale) differenziert und innovativ weiterentwickeln und dann auch verlässlich anbieten zu können. Das macht es notwendig, dass neben der Präsenzprüfung die digitale Prüfung überhaupt in belastbarer Weise als Option zur Verfügung steht. Bislang sind in der Mehrzahl der Länder keine oder nur vereinzelte Rechtsvorschriften zum Thema vorhanden. Eine Regelung der Materie ist aktuell und langfristig dringend notwendig. Dabei reicht es nicht aus, die Verordnungen nur prüfungsrechtlich zu konzipieren, vielmehr müssen Datenschutz, Datensicherheit und arrondierende Fragen mitgeregelt sein. Jetzt und künftig wird die Wahl der konkreten Prüfungsform im Einzelfall von der Hochschule bzw. den dort intern zuständigen Einheiten vor allem aufgrund didaktischer, technischer und administrativer Überlegungen zu treffen sein. Insgesamt ist die Verfügbarkeit digitaler Prüfungsformate als Baustein zu begreifen für den Aufbau von ausgereiften hochschulischen E-Government-Strukturen, die unter anderem auch die Herstellung von Rechtssicherheit für digitale Gremienbeschlüsse umfassen müssen.


4. Finanzierung des Studiums ermöglichen


Grundsatz: Existierende Fördersystematik, Reichweite und Mitteleinsatz des BAföG sind nicht (mehr) auf die Realität von Studierenden abgestimmt und müssen angepasst werden.

Erläuterung: Die umstrittene und vielfach als unzureichend eingeschätzte Nothilfe-Förderung des Bundes in der Corona-Pandemie rückt die Studienfinanzierung und damit das Thema einer fairen Zugangschance zum Hochschulstudium erneut in den Blick; rasante Preisentwicklungen in den Bereichen Miete und Lebenshaltung in vielen großen Hochschulstädten sowie wachsende Notwendigkeiten bei Mobilität und technischer Ausstattung haben den Finanzbedarf für ein Studium über die Jahre steigen lassen. Herzstück der staatlichen Förderung der Studienfinanzierung sind die Leistungen des BAföG, die zuletzt trotz einiger Reformversuche nur noch von gut 11% der Studierenden bezogen wurden. Insgesamt zeigt sich, dass Systematik und Inhalte des BAföG der Lebensrealität der Studierendenschaft nicht mehr in ausreichender Weise entsprechen. Daher sind künftig etwa mit Blick auf die Diversität der Studierenden Optionen für ein Teilzeitstudium zu integrieren und die Altersgrenzen so zu flexibilisieren, dass auch weiterbildende Studiengänge umfänglich genutzt werden können. Daneben ist die Zugänglichkeit der Förderung vor allem über schlankere Verfahren, eine Justierung der Freibeträge, den Einschluss von hochschulischen Orientierungsangeboten und eine maßvolle Erweiterung des Bezugszeitraums über die Regelstudienzeit hinaus zu verbessern. Schließlich sollte eine Notfallkomponente einschneidende individuelle oder gesellschaftliche Situationen abfedern; dies auch und gerade für internationale Studierende. Der Bund ist gebeten, die Reform in Absprache mit den Ländern und Hochschulen in Angriff zu nehmen.


5. Praktische Rahmenbedingungen für Studierende verbessern

Grundsatz: Die studentische Infrastruktur in Deutschland – insbesondere Internetzugang sowie Planbarkeit und Erfolg der Wohnraumsuche – muss dauerhaft verbessert werden.

Erläuterung: Die auch in der Corona-Pandemie nur wenig gemilderte Preisdynamik für studentischen Wohnraum insbesondere in den großen deutschen Hochschulstädten und die Schwierigkeiten für viele Studierende, stabilen Zugang zum Internet zu erhalten, haben den prinzipiell unzureichenden Ausbaugrad der studentischen Infrastruktur exemplarisch erneut eindrucksvoll illustriert. Ein Hochschulstudium ist in Deutschland der Regelausbildungsweg; aktuell ist mit über 2,9 Mio. Studierenden an deutschen Hochschulen eine große gesellschaftliche Gruppe von den infrastrukturellen Defiziten direkt oder indirekt betroffen. Aus Sicht der Hochschulen ist es unzureichend, die Beseitigung dieser Mängel nur im Zuge allgemeiner politischer Maßnahmen zu betreiben. Wenn das Wohnraumangebot sich trotz marktlenkender Eingriffe nicht oder zu langsam verbessert, muss die inzwischen unter 10% gefallene Unterbringungsquote über entsprechende Investitionen in den Bestand an studentischen Wohnheimen wieder erhöht werden. Damit verbunden ist die in Deutschland insgesamt nach wie vor ungenügende Verfügbarkeit leistungsfähiger Internetzugänge, die über den Ausbau der für Studium und Lehre nutzbaren Angebote in den Wohnheimen und an den Hochschulen selbst zumindest temporär überbrückt werden muss. Bund und Länder sind gefordert, in einem übergreifenden Konzept eine entsprechende Förderung für die studentische Infrastruktur auf den Weg zu bringen.


6. Teilhabe internationaler Studierender gewährleisten

Grundsatz: Um die Teilhabe internationaler Studierender auf Dauer zu gewährleisten, ist eine Vielzahl von Maßnahmen in allen Phasen des internationalen Studierendenzyklus nötig.

Erläuterung: Das deutsche Hochschulsystem hat sich mit Blick auf seine internationale Attraktivität auch in der Corona-Pandemie als vergleichsweise robust erwiesen. Der Arbeitsprozess, den die Hochschulen gemeinsam mit Bund, Ländern und weiteren Akteuren durchgeführt haben, um den Rückgang von internationalen Studienanfängerinnen und -anfängern in den Pandemiesemestern so weit wie möglich zu begrenzen, hat allerdings deutlich gemacht, dass auch mit Blick auf ein reguläres Studium in Post-Pandemiezeiten eine Reihe von strukturellen Hindernissen für die Teilhabe internationaler Studierender existiert. So sind etwa das System der studentischen Krankenversicherung, der Visavergabe für Studierwillige, der Einreise zu Studium oder Studienanbahnung (etwa Aufnahmeprüfungen der Kunst- und Musikhochschulen), der Abwicklung von Wohnraumverträgen, der Vorlage von Sprachnachweisen und der eigentlichen Studienvorbereitung (Studienkollegs) verbesserungsbedürftig. Die genannten Aspekte sollten in einer gemeinsamen Anstrengung aller beteiligten Akteure optimiert und darüber hinaus in ihrem Zuschnitt auch auf digitale oder hybride Studienformen angepasst werden, da diese gerade aus internationaler Perspektive stetig bedeutsamer werden. Die Hochschulen respektieren dabei, dass die Gewinnung internationaler Studierender immer in einem von verschiedenen staatlichen Akteuren und Interessen geprägten besonderen Kontext steht, erwarten aber, dass die offenen Fragen von Bund und Ländern im Sinne der langfristigen Anziehungskraft des Studienstandortes Deutschland beantwortet werden.


7. Um- und Aufbau von Studiengängen sichern

Grundsatz: Die Konzeption und der Umbau von Studiengängen (etwa: Gesundheits­wissenschaften, Psychotherapie, Lehrerbildung) müssen jetzt und künftig ausfinanziert sein.

Erläuterung: In einer Folge berufsrechtlicher Reformen haben Bund und Länder die Ausbildungswege einiger Gesundheitsberufe sowie des Heilberufs Psychotherapie einer Neuregelung unterzogen. Diese Neuregelungen bezwecken die vollständige oder partielle Verlagerung des Ausbildungsgeschehens in das Hochschulsystem. Damit ist politisch die Erwartung an die Hochschulen verbunden, die jeweiligen Wissensbestände und Kompetenzen auf akademischem Niveau und in Verbindung mit praxisintegrierenden Elementen zu vermitteln. Die Hochschulen stehen daher vor der Herausforderung, neue und zusätzliche Studiengänge einzurichten, ohne aber Zusagen über entsprechende zusätzliche Mittel für deren Etablierung und dauerhaften Betrieb von den Ländern erhalten zu haben. Das schafft nicht nur Unsicherheiten für die Entwicklungsperspektiven von Studierenden, sondern unterläuft auch berechtigte Erwartungen der Gesellschaft an eine qualitätsgeleitete Umsetzung der Reformen in den pandemiebedingt besonders sichtbaren Gesundheitsberufen. Vor dem Hintergrund der kommenden Novellierung der Ärztlichen Approbationsordnung, der schon erfolgten Novellierung der Approbationsordnung für die Psychotherapie und der dringend voranzutreibenden weiteren Akademisierung im Bereich der Gesundheitsberufe fordert die HRK deshalb, dass Bund und Länder hier entsprechend stabile Finanzierungsperspektiven für die Hochschulen eröffnen. In diesem Zusammenhang notwendig ist eine unter maßgeblicher Beteiligung der Hochschulen erarbeitete Roadmap, die Zwecke, Umfang und den jeweiligen Aufwand der zusätzlichen Ausbildungsaufgaben beschreiben kann. Analog gilt die hier geschilderte Systematik auch außerhalb des Gesundheitsbereichs, etwa bei neueren Anforderungen an die Lehrerbildung (z.B. Digitalisierung, Inklusion, Internationalisierung).


8. Urheberrecht modernisieren


Grundsatz: Der zulässige Nutzungsumfang für digitales Lehrmaterial ist unzureichend und im Paket mit arrondierenden Fragen in der laufenden Urheberrechtsreform zu adressieren.

Erläuterung: Die bedingungslose digitale Verfügbarkeit von einschlägigen, urheberrechtlich geschützten Materialien an den Hochschulen ist eine Grundvoraussetzung für zeitgemäße, digital gestützte Lehre. Die aktuelle Rechtslage lässt den notwendigen Zugriff aber nur unter viel zu engen Bedingungen zu. Während ein (pauschaler) Vergütungsanspruch unstreitig ist, sind vor allem die bestehenden Befristungen bei der Geltungsdauer der Erlaubnisse, der geringe Nutzungsumfang (15%) und die partiellen Nutzungsverbote (etwa Kioskzeitschriften) nicht akzeptabel. Der Bund ist in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber gefordert, im Rahmen der europäischen Vorgaben das Urheberrecht mit Blick auch auf den akademischen Unterricht aus der Sicht von Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz abzuwägen, zeitliche Beschränkungen aufzuheben und die Nutzungsmöglichkeiten im Sinne zeitgemäßer, auch digitaler Lehre sachgerecht zu erweitern. Die Länder sind gebeten, die noch offenen Fragen der Vergütung der Nutzung von digitalen Lehrmaterialien und des innerbibliothekarischen Leihverkehrs mit den Verwertungsgesellschaften dauerhaft und abschließend zu klären und auf diese Weise Rechts- und Planungssicherheit herzustellen.


9. Kapazitätsrecht reformieren

Grundsatz: Die schlichte Koppelung von Lehrverpflichtung und Aufnahmekapazität im Kapazitätsrecht ist ein Qualitätshindernis für die Lehre und benötigt weitere Flexibilisierung.

Erläuterung: Das deutsche Kapazitätsrecht ist pandemieunabhängig reformbedürftig, es blockiert in vielerlei Hinsicht eine qualitative Entwicklung der Lehre. Ursprünglich konzipiert mit Blick auf den Regelungsbedarf für eine temporär verstandene Überlast, entsprechen viele seiner „Bausteine“ heute nicht mehr den aktuellen Rahmenbedingungen. Differenzierung des Hochschulsystems, konstant hohe Studierendenzahlen, wachsender Betreuungsbedarf qua Heterogenität/Diversität, Modularisierung innerhalb der Studienfächer, neue analoge und digitale Lehr- und Lernformate, Europäisierung der Lehre, veränderte (Outcome-orientierte) Steuerungsmodelle in der Hochschulgovernance – all diese Veränderungen werden nicht oder nur unzureichend abgebildet; entsprechend ungeeignet ist im Kern das überkommene Steuerungsinstrumentarium (SWS/CNW usw.), das letztlich in der weitgehenden Festschreibung einer ungünstigen Betreuungsrelation mündet. Vor diesem Hintergrund spricht sich die HRK für eine Weiterentwicklung des bestehenden Kapazitätsrechts aus. Es muss im Dialog mit den Ländern grundlegend modernisiert und künftig weniger als staatliches Steuerungsinstrument denn als flexibles Mittel zur Umsetzung von Profilbildung, Differenzierung und Qualitätsentwicklung begriffen werden. Dabei ist mit entscheidend, dass die Kapazitätsverordnungen lediglich für die Grundausstattung gelten und etwaige Zusatzmittel (Sonder-/Drittmittel) stets kapazitätsneutral sind.


10. Hochschulbau/Sanierung für Studium und Lehre vorantreiben

Grundsatz: Es besteht hoher Finanzbedarf zur Errichtung, Ertüchtigung und Gestaltung der Hochschulbauten, und zwar für die Anforderungen der digitalen wie der Präsenzlehre.

Erläuterung: Nach der Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau im Zuge der Entflechtung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern wird bis zum Jahr 2025 an den Hochschulen ein Finanzierungsstau bei Neubau, Sanierung und Ertüchtigung baulicher Infrastrukturen von etwa 35 Milliarden Euro entstanden sein. Aus Sicht der HRK ist dabei zu konstatieren, dass die Länder trotz einiger bemerkenswerter Investitionsprogramme diesen anerkannten Rückstand nicht in alleiniger Finanzierungsverantwortung werden auflösen können. Dies gilt umso mehr, als die anerkannten Mittelbedarfe die Transformationsdynamik der Hochschulen nicht ausreichend abbilden. So entwickeln sich Hochschulen zum einen durch Orientierung an Klimaschutzzielen, durch Erkenntnisse aus Forschungsprozessen und durch insbesondere von Studierenden getragene Aktivitäten und Projekte im Bereich der Lehre zu in dieser Konstellation einzigartigen Reallaboren bei der Etablierung einer Kultur der Nachhaltigkeit. Zum anderen wirkt die pandemiebedingte Beschleunigung der Etablierung innovativer digitaler Lehr-Lernformate als Katalysator einer Transformation, die die Hochschulen hin zu einem exemplarischen Sozialraum digitaler und analoger Interaktionen verändert. Beide Entwicklungen erfordern neue Raumkonzepte auch und gerade für die Lehre, die über eine bloße Ergänzung bestehender baulicher Infrastrukturen und die den Hochschulen aktuell zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten deutlich hinausgehen. Hier sind grundlegende Raummerkmale wie Multifunktionalität, infrastrukturelle Ausstattung, Flexibilität und Aufenthaltsqualität in den Blick zu nehmen. Die HRK fordert im Bereich des Hochschulbaus, dessen Finanzierungssystem als Daueraufgabe auskömmlich an wissenschaftsadäquaten Planungs- und Nutzungshorizonten und den beschriebenen Transformationsprojekten auszurichten. Sie spricht sich dafür aus, die Finanzierungsverantwortung unter Beteiligung des Bundes so weiterzuentwickeln, dass die Länder Anreize dafür erhalten, zusätzliche Mittel bereitzustellen.