10 Punkte zur wissenschaftsadäquaten Umsetzung des Professorenbesoldungsreformgesetzes auf Landesebene


Entschließung des 200. Plenums am 8. Juli 2003


Mit dem Professorenbesoldungsreformgesetz (ProfBesReformG) vom Februar 2002 verfolgt der Bundesgesetzgeber drei Ziele:

  • Ablösung der altersbedingten Gehaltszuwächse durch altersunabhängige, leistungsorientierte individuelle Vergütungen;

  • Anreize für Leistungssteigerungen;

  • Förderung des Leistungswettbewerbs unter Professoren und zwischen Hochschulen.

Vorab stellt das Plenum fest, dass rigide, kleinkarierte Kostenneutralität oder sogar Kürzungen der Personalbudgets die Ziele der Reform desavouieren.


Aufbauend darauf, dass sich Professoren typischerweise aus außermonetären Gründen für die Hochschullaufbahn entscheiden und auch ohne besondere finanzielle Anreize Höchstleistungen in ihrem Beruf erbracht haben und erbringen, gibt das Professorenbesoldungsreformgesetz den Hochschulen zusätzliche Möglichkeiten zur Leistungsdifferenzierung und zur Profilbildung. Dies betrifft alle drei Arten von Leistungsbezügen, die künftig vergeben werden können: Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge, besondere Leistungsbezüge und Funktionsleistungsbezüge. Damit die erhofften Wirkungen eintreten, sind aus Sicht der HRK und des CHE auf der Ebene der Landesgesetzgebung folgende Prinzipien zu beachten:


1. Delegation von Entscheidungskompetenzen


Damit die durch die Neuregelung entstandenen Potenziale genutzt werden können, muss sich das Land aus Einzelfallentscheidungen zurückziehen und den Hochschulen Spielraum für eigene Gestaltungsoptionen und Ermessensentscheidungen im Rahmen der bundesgesetzlichen Bestimmungen geben. Das Land soll sich auf die Vorgabe grundsätzlicher, unbedingt notwendiger prozeduraler Regeln beschränken. Dies gilt prinzipiell für alle drei Arten von Leistungsbezügen, insbesondere aber für Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge und besondere Leistungsbezüge.


2. Verzicht auf Detailsteuerung


Die Hochschulen müssen unter Maßgabe der bundesgesetzlichen Bestimmungen selbst definieren können, was sie als "besondere Leistungen" ansehen, wie und in welcher Höhe sie diese honorieren wollen, welche Verfahren und Kriterien dabei im einzelnen zur Anwendung kommen und welche Gehaltsspreizung möglich sein soll. Daher sollten landesrechtliche Regelungen weder Einschränkungen bei der Mittelvergabe (wie z. B. eine verbindliche Kontingentierung für die drei verschiedenen Arten von Leistungsbezügen) noch detaillierte Verfahrensauflagen (Kriterien, Fristigkeit, etc.) für die Entscheidungen der Hochschulen enthalten. Allerdings wäre es verfehlt, Vergütungsentscheidungen zu dezentralisieren. Daher müssen die Länderregelungen ein Letztentscheidungsrecht der Hochschulleitungen vorsehen.


3. Vergaberahmen


Der Bundesgesetzgeber hat die Länder zur Einhaltung eines Vergaberahmens verpflichtet, der die Summe aller möglichen Aufwendungen für Leistungsbezüge darstellt. Das Land muss einen Besoldungsdurchschnitt ermitteln und entscheiden, wie dessen Einhaltung durch die Vergabepraxis in den Hochschulen gewährleistet werden soll. Die Verpflichtung, bei Personalkostenbudgetierung für die Einhaltung des Vergaberahmens zu sorgen, obliegt den Ländern, nicht einer einzelnen Hochschule. Zu diesem Zweck haben die Länder ihren Hochschulen jeweils einen Teil-Vergaberahmen zuzuweisen, der aus dem Besoldungsdurchschnitt resultiert.Der Besoldungsdurchschnitt kann als Orientierungswert für die durchschnittlich für die Vergütung einschließlich Leistungsbezügen zur Verfügung stehenden Personalmittel auf zweierlei Weise an die Hochschulen weitergegeben werden: als Landesdurchschnitt (differenziert nach Fachhochschulen und Universitäten) oder als Durchschnittswert für die einzelne Hochschule. Beide Varianten haben Nachteile. Orientiert man sich an einem landesweiten Durchschnittswert, führt dies in der Folge zu einer Reduzierung des Besoldungsdurchschnitts (und damit des Vergaberahmens für Leistungsbezüge) jener Hochschulen, deren Professoren älter als der Durchschnitt sind und überdurchschnittlich hohe Berufungszulagen erhalten.


Legt man den Besoldungsdurchschnitt der individuellen Hochschule zu Grunde, würden historische Zufälligkeiten den Vergaberahmen determinieren und Unterschiede zwischen Hochschulen perpetuieren, die unter Umständen ein vergleichbares Leistungsniveau aufweisen. Beide Regelungen können - je nach Blickwinkel - als ungerecht empfunden werden. Vorerst erscheint eine Orientierung an bisherigen Verteilungsmustern vielleicht als praktikabler. Im Rahmen von leistungsbezogenen Mittelverteilungssystemen, die den Personalhaushalt einschließen (bisher Rheinland-Pfalz, Hessen und Brandenburg) wird dieses Problem aufgelöst. Fragen, die die Bewirtschaftung des Vergaberahmens der einzelnen Hochschule betreffen, sollten prinzipiell nicht Gegenstand bindender Landesvorgaben sein. Das Land sollte davon Abstand nehmen, detaillierte Regelungen und Genehmigungsvorbehalte dafür zu definieren, wie die Hochschulen mit den ihnen für die Professorenbesoldung zur Verfügung stehenden Budgets umzugehen haben. Sie sollten auch die Möglichkeit haben, über die Ausbringung von W2- und W3-Stellen im Rahmen diese Budgets frei zu disponieren.


4. Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge


Weil Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge künftig aus dem Budget bestritten werden müssen, das der einzelnen Hochschule für Leistungsbezüge zur Verfügung steht, ist es nur folgerichtig, dass die Hochschulen die entsprechenden Entscheidungen über Art und Umfang von Berufungs- und Bleibeleistungsbezügen selbst treffen. Entsprechende Fonds auf Landesebene sind aufzulösen und an die Hochschulen zu verteilen.


5. Funktionsleistungsbezüge


Funktionsleistungsbezüge werden künftig für die Übernahme von hauptamtlichen und bestimmten nebenamtlichen Funktionen in der Hochschule vergeben. Das Land sollte lediglich über Art und Umfang der Funktionsleistungsbezüge für hauptamtliche Mitglieder der Hochschulleitung entscheiden, sofern noch kein Hochschulrat mit derartigen Kompetenzen besteht. Es sollte den Hochschulen selbst überlassen bleiben, welche nebenamtlichen Funktionen sie berücksichtigen wollen. Dabei wäre eine Staffelung der Funktionsleistungsbezüge je nach Größe der betreuten Einheit und Aufgabenumfang sowie eine Vergabe von leistungsabhängigen Komponenten zu erwägen.


6. Besondere Leistungsbezüge


Besondere Leistungsbezüge sollen einerseits dazu dienen, bereits erbrachte Leistungen zu honorieren. Andererseits könnten sie - beispielsweise durch eine Kopplung an Zielvereinbarungen - auch Anreize für künftige Leistungen darstellen. Für diese wie für alle anderen Bezüge gilt, dass die Hochschulen selbst definieren müssen, was sie - innerhalb des vom Bundesgesetzgebers gesteckten Rahmens - als Leistung definieren wollen. Kriterien-Vorgaben durch das Land sind nicht wissenschaftsadäquat und würden die Hochschulen in ihrer Profilbildung allzu stark einschränken.


7. Instrumente


Die Ausgestaltung der Leistungsvergütung hinsichtlich Art, Höhe und Spreizung sowie Befristung und Ruhegehaltsfähigkeit soll und muss weitestgehend den Hochschulen überlassen bleiben. Funktionsleistungsbezüge sind per definitionem befristet. Bei allen anderen Leistungsbezügen ist eine Befristung personalwirtschaftlich eher schädlich und auch international unüblich. Die Aberkennung einer einmal gewährten Zulage oder auch nur die Androhung der Aberkennung wird als demotivierend empfunden. Es empfiehlt sich also, entweder von einer Befristung generell abzusehen oder es den Hochschulen freizustellen, ob sie z. B. im Rahmen von Zielvereinbarungen Leistungsbezüge befristet vergeben wollen. Laut ProfBesReformG sind sowohl besondere als auch Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge bis zu 40 Prozent ruhegehaltfähig, sofern sie unbefristet gewährt und mindestens drei Jahre bezogen wurden. Werden sie befristet gewährt, können sie bei wiederholter Vergabe für ruhegehaltfähig erklärt werden. Prinzipiell ist eine Anhebung über die 40-Prozent-Grenze hinaus möglich.


8. Kumulation von Leistungsbezügen


Die drei Arten von Leistungsbezügen sind als komplementär aufzufassen. In der Folge eines Kumulationsverbotes würde die Übernahme von Funktionen in der akademischen Selbstverwaltung zum Verlust besonderer Leistungsbezüge führen. Diejenigen Professorinnen und Professoren, die eine solche Funktion übernehmen, würden also de facto bestraft werden. Die Übernahme von Funktionen wäre nur noch für jene attraktiv, die ansonsten keine Leistungen nachweisen könnten. Dies würde zu einer Herabstufung der betroffenen Funktionen führen. Vor diesem Hintergrund darf es ein Kumulationsverbot auf keinen Fall geben.


9. Flexibilität


Die Hochschulen sollten durch eigene Prioritätensetzungen größere Handlungsspielräume für die Vergabe von Leistungsbezügen schaffen können. Dies kann beispielsweise durch die Mittelschöpfung bei der Nutzung vakanter Stellen oder durch die Übertragung nicht ausgeschöpfter Mittel für Leistungsbezüge in das folgende Haushaltsjahr geschehen. Die Regeln für die Bewirtschaftung der Haushalte sollten hier keine übermäßigen Restriktionen beinhalten.


10. Verfahrens- und Modellvielfalt


Entscheidungen über die Gewährung - oder auch Nichtgewährung - von Leistungsbezügen sind Verwaltungsakte. Um eine möglichst große Akzeptanz gewährleisten und ggf. auch rechtlicher Überprüfung Stand halten zu können, müssen sie transparent und nachvollziehbar sein. Das kann und muss im Wesentlichen durch klare Verfahrensregeln erreicht werden; es wäre jedenfalls ein Fehlschluss anzunehmen, Ergebnisse der individuellen Leistungsbewertung von Professoren ließen sich durch quantifizierbare Leistungskriterien objektivieren oder gar zweifelsfrei vorhersagen. Denn Leistungsbewertungen und damit individualisierte Leistungsbezüge beruhen im Kern stets auf Ermessensentscheidungen, die allerdings durch für alle Betroffene gleichermaßen geltende Verfahrensregeln strukturiert und nachvollziehbar gestaltet werden müssen.


Sowohl die Gewichtung von Entscheidungsgesichtspunkten als auch die konkrete Form der Entscheidungsverfahren reflektieren strategische Weichenstellungen und unterschiedliche Organisationskulturen der einzelnen Hochschulen. Standardisierte Verfahrensmodelle würden dem nicht gerecht, sondern stattdessen wie eine Wettbewerbsbremse wirken. Daher wird es nötig sein, Raum für unterschiedliche Verfahrens- und Vergabemodelle zu gewähren, wenn man die Reformziele befördern will.