Gegen sexualisierte Diskriminierung und sexuelle Belästigung an Hochschulen


Empfehlung der 24. HRK-Mitgliederversammlung vom 24.4.2018

Hochschulen sind aufgrund der bestehenden Betreuungs- und Abhängigkeitsverhältnisse anfällig für verschiedene Formen des Machtmissbrauchs. Diese Formen in ihrer gesamten inhaltlichen Breite sollen in einer späteren Stellungnahme der HRK thematisiert werden. Die Hochschulen positionieren sich hier ausdrücklich gegen sexuelle Belästigung und sexuellen Missbrauch insbesondere durch sexualisierte diskriminierende und degradierende Handlungen und Verhaltensweisen. Solche sexualisierten diskriminierenden und degradierenden Handlungen und Verhaltensweisen kommen besonders in folgenden Ausprägungen vor:

-    Sexualisierte Diskriminierungen (Herabsetzung oder Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder der Gender-Identität);

-    Sexuelle Belästigung (verbale und körperliche Übergriffe auf die Person);

-    Sexuelle Gewalt (Nötigung und Vergewaltigung)(1).

Erlebte sexuelle Übergriffe können weitreichende und nicht selten langanhaltende körperliche, psychische und ökonomische Auswirkungen auf Betroffene haben und Gesundheit, Lebensqualität und Leistungsfähigkeit und die Verwirklichung beruflicher Chancen erheblich mindern. Dies wirft die Frage nach der Verantwortlichkeit der einzelnen Hochschule im sozialen Problemfeld der Missbrauchserfahrungen auf. Die Hochschulen stellen sich dieser Verantwortung.

Gerade auch im Hochschulkontext besteht eine besondere Verwundbarkeit, denn es existieren sowohl im Studium als auch in der Qualifikationsphase besondere Abhängigkeitsverhältnisse. Dies kann zum Beispiel durch die Identität von Betreuung und Vorgesetztenfunktion hervorgerufen werden und sich auch auf die wissenschaftliche Gemeinschaft außerhalb der einzelnen Hochschule auswirken. Die Hochschulen müssen hier, aber auch beim technisch-administrativen und beim wissenschaftlichen Personal, ihre Strukturen so ausgestalten, dass die Gefahr von Machtmissbrauch durch hierarchische Strukturen minimiert wird. Das gleiche gilt im Verhältnis von Studierenden untereinander.

Die HRK hat im Kanon ihrer Empfehlungen immer wieder Aspekte genannt, die Machtmissbrauch verhindern sollen und die in diese Eckpunkte eingeflossen sind. Darüber hinaus soll in der HRK ein hochschulübergreifender Austausch zu Good-Practice-Lösungen und bei der Etablierung von Qualitätsstandards gestartet werden(2).

I. Jede Hochschule muss ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ihre Studentinnen und Studenten bestmöglich vor sexistischer Diskriminierung, sexueller Belästigung und sexueller Gewalt schützen.

Eine im Alltag gelebte Kultur des Respekts und der Wertschätzung der Studierenden, des wissenschaftlichen Nachwuchses und des wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Personals ist dafür unabdingbar.

Zusätzlich sollten hochschulweit geltende Richtlinien(3) verabschiedet werden, die einen respektvollen und professionellen Umgang miteinander verlangen. Sensibilisierungs- und Präventivmaßnahmen müssen etabliert, Verstöße klar sanktioniert und Anlaufstellen für Betroffene vorgesehen werden. Die Hochschulen bieten dauerhaft Beratung für Betroffene und ihre Vertrauenspersonen an. Erste Anlaufstellen sind klar und hochschulweit zu kommunizieren. Betroffene werden ermutigt, sich bei sexualisierte Diskriminierung und Gewalt an diese Stellen zu wenden.

Konkrete Beschwerden können auch an alle Personen mit Leitungs- und Aufsichtsfunktion an der Hochschule gerichtet werden. Die/der Gleichstellungsbeauftragte und die Sozialberatung können erste Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner für eine vertrauliche Beratung sein und begleiten gegebenenfalls durch das Verfahren.

Insbesondere in Sprechstunden und Lernformen, die individuelle Kontakte zu den Lehrenden erfordern (etwa Medizin, Musik, Psychologie, Sport), sind transparente Verfahren und adäquate Räumlichkeiten erforderlich, um sexualisierten Übergriffen vorzubeugen.

Ebenso sind Exkursionen (und Kongressreisen), bei denen die Gruppendynamik in einen semiprivaten Bereich führt, besonders sensibel zu betrachten. Durch die Teilnahme mehrerer Lehrender können Übergriffe eher vermeiden werden.

II. Abläufe an Hochschulen sind so auszugestalten, dass Machtmissbrauch und daraus resultierende sexualisierte diskriminierende und degradierende Handlungen und Verhaltensweisen verhindert werden.

Entsprechend dem besonderen Abhängigkeitsverhältnis, in dem befristet Beschäftigte auf Qualifizierungsstellen zu ihrem/ihrer Betreuer/in stehen, besteht dort eine besondere Gefahr übergriffigen Verhaltens, gegen das Gegenwehr besonders erschwert ist.

Die Hochschulen sind besonders in der Pflicht, für eine Hochschule als gewaltfreien Raum einzutreten, in der man sich frei bewegen kann und nicht besonderen Gefahren durch hierarchische Strukturen ausgeliefert ist.

Ein wichtiger Schritt dahin besteht in einem Führungskräftetraining für Vorgesetzte, damit diese ihre Rolle als Führungskräfte mit entsprechender Sensibilität gegenüber möglichem Machtmissbrauch wahrnehmen können. Darüber hinaus sollte durch Mentoring-Programme und Coaching-Angebote dazu beigetragen werden, dass für Studierende, den wissenschaftlichen Nachwuchs und das wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Personal geeignete Ansprechpartnerinnen und -partner als Vertrauenspersonen zur Verfügung stehen.

III. Für die Qualifikationsphase hat die HRK darüber hinaus bereits Empfehlungen beschlossen, die auch der Verhinderung sexistischer Diskriminierung, sexueller Belästigung und sexueller Gewalt dienen(4).

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(1)  So z.B. auch Richtlinie gegen Diskriminierung und sexualisierte Gewalt, Universität Konstanz.
(2) Zu allgemeinen Maßnahmen beispielhaft: Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, Antidiskrimierungsstelle des Bundes, 2. Auflage 2016.
(3) S. beispielhaft Richtlinie gegen sexualisierte Diskriminierung und Gewalt der Universität Bielefeld, 2001; Richtlinie gegen sexualisierte Diskriminierung, Belästigung und Gewalt der Universität Greifswald 2016; Senatsrichtlinie zum Schutz vor sexueller Belästigung, Diskriminierung und Gewalt am Arbeitsplatz und Studienort Universität Trier, 2016                                                                                                                      (4) Frauen fördern, Empfehlung des 209. Plenums der HRK am 14.11.2006; Zur Qualitätssicherung in Promotionsverfahren. Empfehlung des Präsidiums der HRK an die promotionsberechtigten Hochschulen, 2012.