Zur künftigen Studienfinanzierung


Entschließung des 206. Plenums der HRK vom 23.11.2005

Vorbemerkung


Die Finanzierung von Hochschulen und Hochschulausbildung setzt sich aus einer institutionellen und einer individuellen Komponente zusammen. Unter institutioneller Finanzierung versteht man die Finanzierung der Institution Hochschule, die sich auf knapp 20 Milliarden Euro (ohne Ausgaben für die Krankenversorgung) jährlich beläuft und die aus Mitteln der Länder, des Bundes und Privater (z.B. Forschungsaufträge) gespeist wird. Unter individueller Finanzierung versteht man die studienbedingten Aufwendungen der Studierenden. Die individuellen Aufwendungen der Studierenden belaufen sich ebenfalls auf ca. 20 Mrd. Euro jährlich.

Gegenwärtig leisten die Individuen keinen Beitrag zur institutionellen Finanzierung der Hochschulen in Form von Studienbeiträgen. Hierfür hat sich die HRK aber aus hochschulsteuerungs-, verteilungspolitischen und finanziellen Gesichtspunkten wiederholt ausgesprochen (Empfehlung des 100. Senats der HRK vom 15.2.2005 und Empfehlung des 202. Plenums der HRK vom 8.6.2004). Die Entscheidung des Bundesver-fassungsgerichts, das im HRG fest geschriebene Verbot von Studien-gebühren aufzuheben, gibt nun den Ländern die Möglichkeit, die Erhebung von Studienbeiträgen vorzusehen. Die HRK formuliert im Folgenden einige Anforderungen, die bei der Einführung von Studien-beiträgen beachtet werden sollten, damit deren Sozialverträglichkeit gewährleistet, gleichzeitig aber auch die mit der Einführung verbundenen Steuerungseffekte erreicht werden. (I und II)

Allerdings hält es die HRK nicht für ausreichend, alleine die Finanzierung von Studienbeiträgen zu regeln. Sie plädiert vielmehr dafür, den gesamten Komplex der individuellen Studienfinanzierung und die hierfür bereit stehenden Mittel auf den Prüfstand zu stellen. Bereits in der Vergangenheit ist angesichts der Probleme, die viele Studierende haben, ihr Studium zu finanzieren, über eine Neuregelung der Studien-finanzierung nachgedacht worden (z.B. "Drei-Körbe-Modell"). Eine umfassende Reform konnte jedoch politisch nicht durchgesetzt werden und musste einer kleinen Lösung ("Reform der Bundesausbildungs-förderung") weichen. In Anbetracht des Ziels, die Zahl der Studierenden und den Anteil am Altersjahrgang deutlich zu steigern, müssen aber in absehbarer Zeit noch einmal alle Möglichkeiten erörtert werden, das Studium für eine größere Anzahl von Studierenden finanzierbar zu machen. Zu diesem Bereich hat die HRK erste grundsätzliche Überlegungen angestellt. (III)

I. Studienbeiträge für alle als hochschulpolitisches Steuerungsinstrument
Studienbeiträge sollten von allen Studierenden gleichermaßen aufgebracht werden sollen, da nur dann die gewünschten hochschulpolitischen Steuerungseffekte wirksam werden können. Für eine solche Lösung sprechen folgende Argumente: Durch den Wechsel vom - für die Studierenden - beitragsfreien zum beitragspflichtigen Studium ändert sich sowohl das Verhältnis der Studierenden zum Studium als auch das Verhältnis der Hochschule zu den Studierenden. Während diese bisher Ausbildungsleistungen in Anspruch nahmen, ohne deren öffentliche Kosten in Betracht zu ziehen, erfahren sie nun das Studium aufgrund der Kostenbeteiligung als Investition in die eigene Zukunft. Sie werden genauer abwägen, wie viel Ausbildung sie anstreben und in Anspruch nehmen. Studienentscheidung, Fächerwahl und Studien- oder Hochschulwechsel werden, mit dem Ziel einer Verkürzung der Studienzeit bewusster getroffen.

Gleichzeitig ändert sich die Einstellung der Hochschulen gegenüber den Studierenden. Die Studierenden werden nämlich, wenn sie ihren Beitrag bezahlen müssen, deutlicher als in der Vergangenheit ihre Anforderungen an die Qualität der Ausbildung formulieren. Die Hochschulen müssen ihrerseits mit Hilfe der Einnahmen aus den Studienbeiträgen die Qualität der Ausbildung und die Studienbedingungen verbessern, damit sie attraktiv für zahlende Studierende bleiben und auch künftig auf diese Einnahmen rechnen können. Dieser Zusammenhang ist nur gegeben, wenn alle Studierenden Beiträge leisten, weil es ansonsten zur Ausbildung unterschiedlicher Gruppen kommt, von denen nur ein Teil monetäre und wirtschaftliche Erwägungen anstellt oder weil die Hochschulen sich sonst vorrangig um zahlungsfähige Studierende bemühen, die finanzielle Zuwendungen erbringen und den Hochschulen somit die Möglichkeit verschaffen, in die Qualität der Ausbildung zu investieren.

Wichtig für diese Forderung ist auch der verteilungspolitische Aspekt: Hochschulabsolventinnen und -absolventen haben i.d.R. deutlich bessere Lebenseinkommensperspektiven als Absolventinnen/-en anderer Ausbildungen und ein geringeres Risiko, arbeitslos zu werden. Ihre Stellung wird nach Abschluss der Ausbildung in erster Linie durch ihr Studium und nicht durch ihre soziale Herkunft determiniert sein. In dem System der öffentlichen Finanzierung der Hochschulen lässt sich nachweisen, dass die akademische Ausbildung zu einem großen Teil von der nicht-akademischen Bevölkerung mit einem durchschnittlich geringeren Lebenseinkommen finanziert wird.

Zusammenfassend erscheint es sinnvoll, die Individuellen Studienbeiträge unterschiedslos an der Inanspruchnahme von Studienleistungen festzumachen und nicht an den Einkommensverhältnissen der Eltern.

Im Übrigen spricht auch das Ziel der Reduzierung des Verwaltungsaufwandes für eine generelle Beitragslösung, die nicht mit Befreiungstatbeständen operiert. Gruppen von Studierenden, die aufgrund ihrer Lebensumstände (Erziehung eigener Kinder, Behinderung oder chronische Krankheit)oder aufgrund eines besonderen Engagements (Ehrenämter) besonders belastet werden könnten, weil sie längere Studiendauern haben, müssen durch aktive Studienförderung, z.B. durch besondere staatliche Förderung oder Stipendien unterstützt werden. Auch ausländische Studierende sollten Studienbeiträge entrichten. Hierfür spricht nicht nur das Argument, dass deutsche Studierende im Ausland ebenfalls bezahlen, sondern auch der vergleichsweise höhere Betreuungsaufwand. Andere mit der Werbung für ein Studium in Deutschland verbundene Ziele, z.B. entwicklungspolitische Ziele, sollten durch eine entsprechende finanzielle Förderung des Studiums verfolgt werden.

II. Sozial verträgliche Ausgestaltung von Studienbeiträgen
In ihrer Entschließung vom 15.2.2005 hat die HRK festgestellt, dass die politische Verantwortung für die Einführung von Studienbeiträgen beim Staat liegt. Die Ausgestaltung der Beiträge soll dagegen Angelegenheit der Hochschule sein. Die HRK unterstreicht diese Aussage an dieser Stelle.Gegenwärtig wird über Studienbeiträge in der Höhe von bis zu 500 Euro pro Semester bzw. 1.000 Euro im Studienjahr gesprochen. Dies bedeutet bei einer Studiendauer von 3 (Bachelor) oder 5 Jahren (Bachelor plus Master) eine Gesamtbelastung im Umfang von 3.000 oder 5.000 Euro. Auf Beiträge dieser Höhe nimmt auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Bezug:

"Soweit finanzielle Erwägungen danach bei der Wahl des Studienorts überhaupt eine Rolle spielen, ist zu beachten, dass Studiengebühren in der bislang diskutierten Größenordnung von 500 € je Semester im Vergleich zu den von Ort zu Ort unterschiedlichen Lebenshaltungskosten von nachrangiger Bedeutung sind."

Studienbeiträge müssen durch die Möglichkeit der Vorfinanzierung und durch an der persönlichen Leistungsfähigkeit orientierte Rückzahlungsbedingungen sozial verträglich gestaltet werden.

Aus Studienbeiträgen von 1.000 Euro im Jahr resultiert eine zusätzliche Belastung von 83 Euro monatlich. Sie kann von der Mehrheit der Studierenden ohne unzumutbare Probleme zusätzlich getragen werden. Zu einem Problem wird dieser Betrag sowohl für die BAFöG-Empfänger/-innen, vor allem für diejenigen, die nur eine Teilförderung erhalten, als auch für diejenigen, die entweder knapp die materiellen Kriterien der BAFöG-Förderung verfehlen oder aus individuellen Gründen (Alter, Zweitausbildung) keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben und ihren Elternhäusern die Übernahme der Kosten nicht zumuten können oder wollen.

Studienbeiträge dürfen aber nicht vom Studium abhalten. Im Gegenteil wird übereinstimmend gefordert, dass mehr Hochschulberechtigte als bisher ein Studium aufnehmen sollten, was angesichts der sozialen Schieflage der Bildungsbeteiligung vor allem für einkommensschwächere Schichten gilt. Deshalb ist eine sozial verträgliche Ausgestaltung unabdingbar und verfassungsgerichtlich geboten. Wie bereits in früheren Empfehlungen dargelegt, ist dies am ehesten durch das Instrument der Bildungsdarlehen zur Finanzierung der Studienbeiträge zu gewährleisten. Dies bedeutet, dass die Beiträge während des Studiums anfallen und auch an die Hochschule fließen, die einzelnen Studierenden aber die Möglichkeit haben, diese durch ein Darlehen vorzufinanzieren und sie erst nach Abschluss des Studiums bzw. nach Verlassen der Hochschule zurückzuzahlen. Dabei sollen sich die Rückzahlungsmodalitäten an der finanziellen Leistungsfähigkeit der betroffenen Akademikerinnen und Akademiker orientieren.

Nachlaufende Beiträge dieser Art können in doppelter Weise sozial verträglich gestaltet werden: Sie berücksichtigen die finanzielle Lage der Studierenden im Studium, in dem sie ihnen die Möglichkeit geben, die Beiträge vorzufinanzieren und die Belastung in die Zukunft zu verlagern. Gleichzeitig sollten die Rückzahlungsbedingungen so ausgestaltet sein, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit nach Abschluss des Studiums berücksichtigt wird: Die Rückzahlungsverpflichtung tritt erst ab einer bestimmen Einkommensgrenze ein, es wird eine ausreichend lange Laufzeit festgelegt, je nach Einkommenssituation kann die Rückzahlung in größeren oder kleineren Raten erfolgen, die Rückzahlungsdauer entsprechend verkürzt oder gestreckt werden. Konnte innerhalb der Laufzeit aufgrund der finanziellen Situation keine oder keine vollständige Rückzahlung erfolgen, kommt eine mit dem Darlehensvertrag abgeschlossene Versicherung zum Tragen, die die Darlehens-schuld abdeckt. Damit wird eine Dauerverschuldung der Darlehensempfänger vermieden.

Das Kreditangebot sollte im Wettbewerb der Finanzierungsinstitute aufgelegt werden, das Ausfallrisiko sollte teils durch eine Versicherungslösung teils durch eine staatliche Sicherung aufgefangen werden.

Die Hochschulrektorenkonferenz geht davon aus, dass es im Bereich der Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken Interesse am Angebot entsprechender Studienfinanzierungsdarlehen gibt. Dies zeigen die ersten Reaktionen der Finanzierungsinstitute auf die Beitragsdiskussion in den verschiedenen Bundesländern. Wichtig ist, dass die Länder im Zuge der Einführung von Studienbeiträgen in Verhandlungen mit einem oder mehreren Partnern aus dem Kreditgewerbe die Sozialverträglichkeit gewährleisten. Das heißt, es muss ein Angebot sichergestellt werden, das von allen Studierenden, unabhängig von ihrer finanziellen Situation, der Wahl des Hochschulortes oder des Studienfachs, zu den gleichen Konditionen in Anspruch genommen werden kann. Außerdem ist darauf zu achten, dass den Studierenden bei der Inanspruchnahme des Darlehens keine Mobilitätsschranken auferlegt werden, dass sie also auch einen Hochschulwechsel zwischen verschiedenen Bundesländern vollziehen können.

Es ist davon auszugehen, dass einzelne Institute Angebote auflegen, die u. U. durch bessere Konditionen gekennzeichnet sind, sich aber nur an bestimmte Studierendengruppen richten, vor allem an solche in Studiengängen mit besonders guten Berufsaussichten und Verdienstmöglichkeiten. Solche Angebote existieren bereits und sie werden, wenn es zur flächendeckenden Einführung von Studienbeiträgen kommt, sicher zunehmen. Sie wirken sich aber für die staatlich abgesicherten Darlehen tendenziell nachteilig aus, weil sie die "guten Risiken" bedienen und die Risikostreuung der flächendeckenden Anbieter negativ beeinflussen. Gerade weil diese Angebote aber nicht zu verhindern sein werden, ist es umso wichtiger, dass die Grundversorgung aller Studierenden zu vertretbaren Zinskonditionen und am Einkommen orientierter Rückzahlungsmöglichkeiten sichergestellt ist.

Ein Teil des Ausfallrisikos (Tod des Darlehensnehmers, Arbeitslosigkeit, geringes Einkommen etc.) kann durch eine Versicherungslösung (oder äquivalente Lösung), die im Rahmen des Zinses kalkuliert wird, abgedeckt werden. Um aber eine zu hohe Zinsbelastung zu vermeiden, die aus dem Verzicht auf Ausschlusskriterien und aus der Restschuldversicherung resultiert, muss der Staat einen Teil des Restrisikos auffangen. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Verantwortung für die sozial verträgliche Ausgestaltung bei den Ländern:

"Vor allem aber ist davon auszugehen, dass die Länder in eigenverantwortlicher Wahrnehmung der sie - nicht anders als den Bund - treffenden Aufgabe zu sozialstaatlicher, auf die Wahrung gleicher Bildungschancen bedachter Regelung bei einer Einführung von Studiengebühren den Belangen einkommensschwacher Bevölkerungskreise angemessen Rechnung tragen werden."

Die Hochschulrektorenkonferenz lehnt vor diesem Hintergrund den Versuch einiger Länder, das Ausfallrisiko auf die Hochschulen abzuwälzen, entschieden ab. Die Einrichtung von Ausfallsicherungsfonds bei den Hochschulen würde das Einnahmepotential der Hochschulen schmälern und damit die Möglichkeiten, die Beiträge für Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Lehre einzusetzen, reduzieren. Bei der Übernahme des Ausfallrisikos ist zu erwägen, dass bei einer hundertprozentigen Übernahme das Interesse der Finanzierungsinstitute an einer Eintreibung ausstehender Kreditbeträge nicht so hoch sein wird, weil der Rückfluss staatlich garantiert ist. Aus diesem Grund sind in anderen Staaten gemischte Konzepte aufgelegt worden, die eine gesamte oder anteilige Übernahme des Ausfallrisikos, eine Prämie für die Auflage von Kreditprogrammen oder eine Aufsichtsbehörde vorsehen, die über die Eintreibung der Kredite wacht (z.B. in den USA). Vor dem Hintergrund der relativ niedrigen in Frage stehenden Beträge sollte jedoch stets abgewogen werden, inwieweit entsprechende administrative Aufwendungen gerechtfertigt sind.

Die HRK fordert zudem die Wirtschaft auf, ihren Interessen und nicht zuletzt ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden und einen Fonds anzulegen, der die Übernahme der Studienbeiträge von Studierenden erlaubt.

III. Sozial verträgliche Neuordnung der gesamten individuellen Studienfinanzierung
Eine isolierte Regelung der Finanzierung von Studienbeiträgen wird auf Dauer nicht ausreichend sein. Eine nachhaltige Steigerung des Anteils der jungen Menschen, die ein Hochschulstudium aufnehmen - wie in vergleichbaren Ländern bereits vollzogen -, wird nur dann zu erreichen sein, wenn geeignete Instrumente entwickelt werden, die die Finanzierung des Studiums unterstützen. Aktuelle Trends zeigen, dass die Studierneigung gegenwärtig eher rückläufig ist. Als Grund werden häufig Probleme bei der Studienfinanzierung genannt, die durch die aktuelle wirtschaftliche Lage, vor allem die hohe Arbeitslosenquote, noch verstärkt werden.
Die hohe soziale Selektivität des deutschen Bildungs- und Hochschulwesens ist u.a. auch darin begründet, dass Studierende bzw. deren Eltern, die nach den geltenden Bestimmungen des Unterhaltsrechts für ihre studierenden Kinder sorgen müssen, Probleme haben, die erforderlichen finanziellen Mittel für das Studium aufzubringen.

Bei einem errechneten Monatsbedarf von knapp 770 Euro müssen für ein fünfjähriges Studium derzeit etwa 46.200 Euro aufgebracht werden. Von diesem Betrag wird etwa die Hälfte von den Eltern aufgebracht (die im Gegenzug allerdings auch staatliche Zuwendungen in Form von Kindergeld, Kinderfreibeträgen etc. erhalten), 13 Prozent durch das BAFöG, 27 Prozent durch eigenen Verdienst der Studierenden und 9 Prozent durch sonstige Einnahmen wie Stipendien, Waisenrenten, Sparverträge oder Zuwendungen von anderen Familienmitgliedern.

Vor allem Studierende, die nur Anspruch auf eine Teilförderung nach BAFöG erhalten oder deren Eltern knapp oberhalb der Einkommensgrenzen des BAFöG liegen, müssen ihr Studium entweder durch umfangreiche Erwerbstätigkeit neben dem Studium finanzieren oder ganz auf ein Studium verzichten. Gegenwärtig nehmen aus Familien hoher sozialer Herkunft (definiert durch Einkommen und Ausbildungsabschluss der Eltern) etwa 80 Prozent der Kinder ein Studium auf, aus Familien mit niedriger sozialer Herkunft nur etwa 14 Prozent.

Dass Studierende nicht als eigenständige Erwachsene, sondern unterhaltsrechtlich als Kinder ihrer Eltern behandelt werden, ist problematisch. In einer Vielzahl von Staaten endet das Unterhaltsrecht mit dem Übergang in die Hochschule. Insofern sollte die Entscheidung über die Aufnahme eines Studiums nicht so sehr von den Vorstellungen der Eltern und deren Finanzierungsmöglichkeiten bestimmt sein, sondern als Investition der jungen Erwachsenen in die eigene Zukunft gesehen werden. Um einen Studienwunsch zu realisieren, müssen deshalb ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten vorhanden sein.

Dabei ist nicht zu unterschätzen, dass die vollständige Vorfinanzierung des Studiums durch Kredite, die zu marktüblichen Bedingungen vergeben werden, zu einer erheblichen finanziellen Belastung der Betroffenen im Berufsleben führt, die wiederum abschreckend wirken kann, wenn für die Betroffenen nicht absehbar ist, ob sich ihr finanzieller Einsatz tatsächlich lohnt. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, dass es zu einer Diversifizierung der Quellen kommt, die eine Finanzierung des Studiums ermöglichen sollen.

  1. Will man die Studierenden als Erwachsene, als angehende Akademiker, und nicht als unterhaltsberechtigte Kinder ihrer Eltern behandeln, müssen folgerichtig die staatlichen Transferleistungen direkt an die sich in Ausbildung befindenden Kinder ausgezahlt werden. Dies betrifft das Kindergeld und die sonstigen steuerlichen Vorteile, die derzeit an die Eltern gezahlt werden, wenn sich ihre Kinder noch in der Ausbildung befinden. Im Zusammenhang mit der Entwicklung des so genannten Drei-Körbe-Modells Ende der 90er Jahre wurde berechnet, dass es sich um einen Betrag handelt, der einen monatlichen Sockelbetrag von etwa 200 Euro bis 250 Euro pro Studierenden zuließe.

  2. Die darüber hinaus gehende Finanzierung müsste teils durch studentische Erwerbsarbeit, vor allem aber durch die Möglichkeit einer Darlehensfinanzierung gesichert werden können. Dabei ist davon auszugehen, dass Studierende in manchen Phasen des Studiums arbeiten werden, in bestimmten Studien-, vor allem aber Prüfungsphasen in verstärktem Umfang auf ein Darlehen zurückgreifen müssen, um die Konzentration auf das Studium und den Studienabschluss zu sichern (Darlehen in Höhe von bis zu 500 Euro pro Monat oder maximal 30.000 Euro über die gesamte Studienzeit). Dieses Darlehen sollte entsprechend dem oben beschriebenen Modell für Studienbeiträge ebenfalls sozial verträglich ausgestaltet sein. Auch hier ist dies über die Rückzahlungsbedingungen zu gewährleisten.Die Rückzahlung sollte etwa zwei Jahre nach Studienabschluss beginnen und in Abhängigkeit vom Einkommen der Darlehensempfänger (Variation von Rückzahlungsraten und Zeitdauer) erfolgen. Wird eine bestimmte Einkommensgrenze nicht erreicht, sollte keine Rückzahlung erfolgen müssen. Der Rückzahlungszeitraum sollte sich über einen längeren Zeitraum erstrecken können. Dies bedeutet, dass auch für diese Darlehen eine Mischung aus staatlicher Ausfallgarantie und Ausfall-versicherung vorgesehen werden muss (s.o). Außerdem muss gewährleistet werden, dass eine bestimmte Zinshöhe nicht überschritten wird. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Zinsbelastung in Hochzinsphasen abschreckend wirkt und die Studierneigung vom Kapitalmarkt beeinflusst würde. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass gerade einkommensschwächere Hochschulabsolventen/-innen, die die Rückzahlung über einen längeren Zeitraum strecken müssen, bei hohen Zinsen besonders betroffen wären und damit die Sozialverträglichkeit in Frage gestellt wäre. Dies bedeutet also, dass das Angebot der Finanzierungsinstitute, Studienkredite zur Verfügung zu stellen, staatlich subventioniert werden muss.

  3. Da davon auszugehen ist, dass Studierende aus einkommensstärkeren Schichten nach wie vor finanzielle Zuwendungen ihrer Eltern erhalten, um das Studium zu finanzieren und nur auf einen Teil des maximal bereit stehenden Darlehens zurückgreifen werden, sollten Studierende aus den unteren Einkommensschichten, die in besonderem Maße für ein Studium gewonnen werden sollen, einen staatlichen Zuschuss erhalten (bis zu 250 Euro pro Monat), damit die maximale Darlehensinanspruchnahme begrenzt bleibt und das Verschuldungs-argument nicht der Studienentscheidung entgegen steht.

  4. Das Bildungssparen sollte entsprechend dem Bausparmodell staatlich gefördert werden. Eltern oder andere Verwandte sollten die Möglichkeit haben, über einen längeren Zeitraum (z.B. 15 Jahre) auf die Hochschulausbildung eines Kindes anzusparen (bis 120 Euro monatlich). Diese könnten dann während des Studiums einen ausreichenden Betrag zur Finanzierung (bis zu 700 Euro monatlich) in Anspruch nehmen. Das zusätzlich benötigte Darlehen könnte ebenfalls über 15 Jahre mit festgeschriebener niedriger Verzinsung in kleinen Raten zurückgezahlt werden. Auch kleinere Bildungssparverträge, die nur einen Teil des finanziellen Aufwandes abdecken, würden die Finanzierung der Ausbildung insgesamt erleichtern, da der Umfang der Verschuldung überschaubar bleibt und der Zins, anders als bei einem Darlehen, geringeren Schwankungen unterworfen ist.

  5. Die Wirtschaft, die ihrerseits daran interessiert ist, dass mehr junge Menschen als bisher ein Studium aufnehmen, sollte mit finanziellen Anreizen helfen. Sie sollte Stipendien ausloben, die die Kosten des Studiums abdecken und eine Kreditaufnahme überflüssig machen.

  6. Die Hochschulen sollten aus den Einnahmen von Studienbeiträgen, die zur Verbesserung der Lehre eingesetzt werden, zusätzliche studentische Beschäftigung finanzieren, um einer größeren Anzahl von Studierenden als bisher eine hochschulnahe Erwerbstätigkeit zur Finanzierung ihres Studiums zu erlauben.

Die Möglichkeit, auf vergünstigte Darlehen zur (vorübergehenden Voll-) Finanzierung zurückgreifen zu können, sollte sich positiv auf die Studierneigung der Hochschulzugangsberechtigten auswirken, zumal durch die Vielzahl der Finanzierungsmöglichkeiten eine Überschuldung verhindert wird. Allerdings erfordert die Subventionierung von Darlehen ebenso wie die Förderung eines Bildungssparens zusätzliches finanzielles Engagement des Staates. Entscheidend ist ja in diesem Zusammenhang, dass sich der Staat nicht im Gegenzug aus der Finanzierung der Hochschulen zurückziehen darf. Auch wenn auf Studierende als selbstständig und wirtschaftlich handelnde Erwachsene gesetzt und an ihre Eigenverantwortlichkeit für die Finanzierung ihres Studiums appelliert wird, bedarf es erheblicher finanzieller Anstrengungen seitens des Staates nicht nur bei der institutionellen sondern auch bei der individuellen Finanzierung des Studiums, um eine nachhaltig hohe Studierneigung zu etablieren. Dies zeigt auch das Förderverhalten in anderen Staaten.

Bei der Neustrukturierung des gesamten Studienfinanzierungskomplexes ist stets zu würdigen, dass es sich um Aufwendungen handelt, die den Charakter von Investitionen in die Zukunft der Volkswirtschaft haben und sich somit längerfristig rentieren, sowohl individuell als auch für die Volkswirtschaft.