Wachstum braucht Wissenschaft: Bildung und Forschung bilden Basis und Motor wirtschaftlicher und sozialer Innovation


Beschluss der Allianz der Wissenschafts­organisationen (Deutsche Forschungsgemeinschaft, Fraunhofer Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, HRK, Leibniz-Gemeinschaft, Wissenschaftsrat), vorgelegt am 12.2.2004


Die wirtschaftliche und soziale Innovationskraft einer Gesellschaft entscheidet im Zeichen des globalen Wettbewerbs über das Maß an Freiheit, Wohlergehen und Wohlstand ihrer Bürger. Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland sind daher wichtige Ziele der Politik. Noch befindet sich Deutschland im internationalen Vergleich in einer respektablen Position. Aber: Es besteht dringender Handlungsbedarf, um mit der von unseren Weltmarktkonkurrenten vorgegebenen Dynamik auf Dauer mithalten zu können. Die in der Allianz vertretenen Wissenschafts­organisationen begrüßen daher nachdrücklich Neuansätze in der staatlichen Innovationspolitik. Sie wollen an den notwendigen Reformen zur Sicherung, zur Effizienzsteigerung und zur Beschleunigung von Innovationsprozessen mitwirken.


Innovationspolitik muss von der Einsicht getragen sein, dass Innovation in einem vernetzten Prozess von Aktivitäten in Bildung, Forschung und Wirtschaft entsteht, der die Ideenbildung, die Erforschung der wissenschaftlichen Grundlagen, die anwendungsorientierte Forschung und die Entwicklung marktfähiger Produkte einschließt. Innovationsförderung darf sich nicht verengen auf kurzfristige Produktentwicklung, sondern muss umfassend Bildung und Forschung als Basis und Motor der Innovation einschließen. Eine qualifizierte Ausbildungsbasis, höchstmögliche Exzellenz in der Forschung, deren Vernetzung mit der Wirtschaft und ein anwendungsoffenes Forschungsklima sind Voraussetzungen für Innovation. Für eine zukunftsorientierte Forschungspolitik zeichnen sich vor diesem Hintergrund die folgenden Handlungsfelder ab:


1. Grundlagen des öffentlich finanzierten Wissenschaftssystems


Das öffentlich finanzierte Wissenschaftssystem ist geprägt- durch eine Vielzahl von Hochschulen und diesen mit unterschiedlichen Aufgaben komplementär verbundenen außeruniversitären Einrichtungen, - durch eine Aufgabenverteilung zwischen Forschungsförderorganisationen und Forschungsorganisationen, die in Eigenverantwortung Ausbildungs- und Forschungsleistungen erbringen, sowie- durch die föderative Staatsstruktur mit einer politisch verantworteten Aufgabenverteilung und Aufgabenverschränkung zwischen dem Bund und den Bundesländern.


In diesem arbeitsteilig organisierten Wissenschaftssystem müssen Reformmaßnahmen primär auf die Optimierung seiner Teilbereiche und auf die Verbesserung des Zusammenwirkens zwischen diesen abzielen. Die Hochschulen bilden Basis und Zentrum von Lehre und Forschung. Sie sind der wichtigste Knotenpunkt im Wissenschaftssystem sowohl in der Forschung als auch in der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Innovationsförderung ist daher nicht ohne eine hohe wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Hochschulen erreichbar. Qualität und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Forschung an Hochschulen bestimmen darüber hinaus die Qualität der akademischen Ausbildung für die Arbeitswelt jenseits der Wissenschaft. Aufgrund ihrer besonderen Stellung und ihrer aktuell und strukturell schwierigen Finanzlage bedürfen die Hochschulen dringend einer besonderen Förderung. Neben der gezielten Stärkung der Hochschulen in Lehre und Forschung sowie der Förderung leistungsstarker außeruniversitärer Forschungseinrichtungen sind Effizienzsteigerungen durch Verbesserungen der folgenden Rahmenbedingungen möglich:

  • Qualitätssteigerung durch Wettbewerb und Kooperation:
    Forschung wird höchsten Qualitätsmaßstäben allein dann genügen, wenn sie sich im nationalen wie internationalen Wettstreit entfaltet und so zur Herausbildung von Maßstäben und Standards führt. Interne und einrichtungsübergreifende Wettbewerbsformen auf allen Ebenen des Förderspektrums sind fortzuentwickeln. Grundlagen- und insbesondere die anwendungsorientierte Forschung sind in Deutschland sowohl in Hochschulen als auch in erheblichem Umfang in außeruniversitären Institutionen konzentriert. Eine noch engere Kooperation zwischen Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen und damit die Verzahnung der spezifischen Stärken der jeweiligen Organisationen sind im Interesse von Kompetenz- und Ressourcenbündelung sinnvoll und notwendig.

  • Autonomie und Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen:
    Anders als die Entwicklung kann Forschung nur dann Ausgangspunkt von Innovation sein, wenn sie frei ist von unmittelbarer staatlicher Einflussnahme auf Konzeption und Durchführung. Tendenzen, die Gewährung von Globalbudgets mit inhaltlichen Zielvorgaben ohne Rücksicht auf die unterschiedlichen Forschungsmissionen der Organisationen zu flankieren, muss Einhalt geboten werden. Wettbewerbsfähige Innovationspolitik bedarf international wettbewerbsfähiger Rahmenbedingungen. Alle Anstrengungen zur Deregulierung mit dem Ziel, den Forschungsorganisationen größere Autonomie und Flexibilität in der Disposition und Bewirtschaftung ihrer Mittel einzuräumen, sind bisher an vielen Stellen unzureichend und von geringer Wirkung geblieben. Die von den Wissenschafts­organisationen im Einzelnen vorgeschlagenen Veränderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen bedürfen einer konsequenteren Umsetzung. Die Frage, ob innovationshemmende Einflüsse von einer Regelung ausgehen, muss auch bei der Beurteilung von Gesetzen und Verordnungen in anderen Bereichen stets mit bedacht werden.

  • Finanzierung:
    Forschung bewegt sich in mehrjährigen Zyklen. Ihre Förderung ist im Hinblick auf die Unabhängigkeit von kurzfristigen Schwankungen der Haushalts- und Interessenlagen in Bund oder Ländern bedarfsgerecht zu verstetigen.

Die Gemeinschaftsfinanzierung von Hochschulbau und Forschungsförderung ermöglicht eine längerfristig strategisch ausgerichtete, sachgerechte und nachhaltige Innovationspolitik. Sie eröffnet den Partnern im föderalen Staat die Chance, in intensiver Kooperation und ausreichendem Wettbewerb die Entwicklung der Forschung zu gestalten.


Das System der Wissenschaftsfinanzierung durch Bund und Länder hat sich als solches bewährt. Es muss jedoch offen sein für Reformen, die sich am Maßstab der Qualitätssteigerung orientieren. So sollten verstärkt Wettbewerbselemente in die Zuordnung der Mittelverteilung integriert und die Abstimmungsprozesse - insbesondere das Einstimmigkeitserfordernis - in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung vereinfacht werden. Das Verfahren des Hochschulbaufördergesetzes sollte in Richtung auf eine stärkere Qualitätsorientierung in Forschung und Lehre hin optimiert und effizienter ausgestaltet werden.


Die Wissenschafts­organisationen mahnen daher an, dass Hochschulbau und Forschungsförderung ihrer Bedeutung angemessen Gegenstand einer zielorientierten Diskussion in der Bundesstaatskommission werden. Sie drängen darauf, dass das Ziel einer solchen Diskussion nicht allein die "Klarheit und Wahrheit" der Zuordnung verfassungsrechtlicher Kompetenzen für Bund und Länder sein darf, sondern wissenschafts- und hochschulpolitische Erfordernisse eines gemeinschaftlichen Engagements von Bund und Ländern dabei maßgeblich berücksichtigt werden. Eine weitere Fragmentierung der politischen Verantwortung würde die Anstrengungen der Hochschulen und Forschungsorganisationen zur stärkeren Koordination und Kooperation konterkarieren.


Eine stärkere Wettbewerbsorientierung zwischen den verschiedenen Einrichtungen der Forschung muss auch die Einrichtungen der Ressortforschung des Bundes und der Länder einbeziehen. Diese stellen ein erhebliches Potential für das Wissenschaftssystem dar. Allein der Bund wendet rund 1,2 Milliarden Euro für seine 50 Einrichtungen auf. Dieses Potential muss aktiviert, an den Qualitätsstandards der einschlägigen scientific communities orientiert und besser mit anderen Forschungseinrichtungen vernetzt werden.


2. Wettbewerbsorientierte Schwerpunkt- und Profilbildung


Die in der Allianz vertretenen Wissenschafts­organisationen bekennen sich zum Wettbewerb in der Wissenschafts- und Hochschulpolitik. Das deutsche Hochschulsystem weist eine im internationalen Vergleich insgesamt erhebliche Leistungsbreite auf. Um insbesondere auch in der Forschung wettbewerbsfähige Spitzenleistungen zu erbringen, bedarf es jedoch einer stärkeren thematischen und infrastrukturellen Schwerpunkt- und Profilbildung. Förderung in der Breite und gezielte Förderung von Spitzenleistungen schließen einander nicht aus. Im wissenschaftsgeleiteten Wettbewerb um zusätzlich gegebene und gezielt eingesetzte Fördermittel liegt der Schlüssel zur notwendigen Effizienz- und Leistungssteigerung in der Wissenschafts- und Hochschulpolitik der Zukunft.


Deutschland wird nicht umhin kommen, insbesondere seine Hochschullandschaft breit zu fördern und seine Leistungsspitzen zu erhöhen. Ein wichtiges Gestaltungsziel der Politik muss darin bestehen, hierfür die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.


Dies kann vor allem durch zwei Instrumente geschehen: Einerseits mit materiellen Förderanreizen durch zusätzliche Forschungsmittel, die keinesfalls durch eine weitere Schlechterstellung der vorhandenen Einrichtungen gewonnen und nur nach strenger wissenschaftlicher Begutachtung vergeben werden dürfen, andererseits durch die Herstellung erheblich größerer Entscheidungs- und Handlungsspielräume für die Einrichtungen.


Vorgeschlagen wird die Etablierung eines sowohl die bestehende Strukturierungskompetenz der Länder als auch die bundesseitige Mitwirkung in Hochschulbau und Projektförderung ergänzendes neues Instrumentariums im Sinne einer Prämierung exzellenter Forschung. Zusätzliche Zuweisungen könnten etwa auf der Grundlage von Drittmitteleinwerbungen (DFG, EU-Mittel, Wirtschaft) an die jeweiligen Empfängerhochschulen vorgenommen werden. Auf diese Weise können auch aufstrebende Universitäten durch Schwerpunktbildung auf bestimmten Forschungsfeldern in die Spitze vorstoßen und dem wissenschaftsgeleiteten Wettbewerb zum Durchbruch verhelfen.


Dieser Wettbewerb um Ausbildung wissenschaftlicher Exzellenz kann nur in konkreten Arbeitszusammenhängen der Wissenschaftsbereiche stattfinden und muss über die Universitäten bzw. deren Fakultäten hinaus alle Forschungsorganisationen einschließen. Die Entwicklung der Regionen als Einheit der Schwerpunktbildung durch die Etablierung thematisch begründeter Wissenschaftscluster ist dabei Weg und Ziel zugleich. Als Leitvision für eine strukturelle Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems schlagen die Wissenschafts­organisationen Bund, Ländern und der Wirtschaft deshalb den Aufbau von Wissenschafts- und Innovationsclustern als Exzellenzzentren mit internationaler Ausstrahlung vor.


Die zusätzlich von Bund, Ländern und der Wirtschaft bereitgestellten Mittel könnten unmittelbar und gezielt eingesetzt werden für folgendes Förderspektrum:

  • Förderung kompetitiver Forschungsprojekte:
    Die Grundlagenforschung mit Drittmitteln etwa der DFG sollte durch eine deutliche Aufstockung des DFG-Etats erheblich gesteigert werden. In diesem Rahmen würden vor allem die Haushaltsanteile von SFBs, Forschergruppen und Forschungszentren gesteigert werden können, um die intensivere Verbundforschung innerhalb der Hochschulen und zwischen diesen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu fördern.

  • Förderung von "Wissenschafts- und Innovationsclustern / Exzellenzzentren":
    Zusätzliche Mittel könnten im Rahmen eines neuen Programms für die Bildung von regionalen Exzellenzzentren zwischen Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Einrichtungen der Wirtschaft im Wettbewerb ausgeschrieben werden. Das Programm unterstützt das Ziel der angestrebten Stärkung der Hochschulen durch Vernetzung ebenso wie es einen Beitrag leistet zur Intensivierung der Kooperation zwischen der öffentlich geförderten Forschung und der Wirtschaft. Federführungen in der Konzeption und Durchführung ergeben sich daher aus den jeweiligen Sachzusammenhängen.

  • Als "Innovationsallianzen" sollen diese Zentren finanziell und infrastrukturell in die Lage versetzt werden, eine von ihren Trägern erarbeitete Forschungsmission umzusetzen, indem sie sachgerecht die besten Forscherpersönlichkeiten und den besten Forschernachwuchs aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammenführen. Die mit der Vernetzung und Kooperation verbundenen Transaktionskosten sind heute größtenteils Bestandteil der Förderung einzelner (Verbund)Projekte auf nationaler oder europäischer Ebene. Die Entscheidung liegt in den Händen von Ministerien und Behörden. Die Implementierung und das Management dieses neuen Programms sollten dagegen umfassend wissenschaftsgeleitet und, je stärker sich die Aufgabenstellungen der angewandten Forschung und Entwicklung annähern, auch wirtschaftsgeleitet sein.

  • Es wird darüber hinaus zu prüfen sein, ob zur Etablierung solcher "Wissenschafts- und Innovationscluster/Exzellenzzentren" die heutigen institutionell rechtlichen Rahmenbedingungen ausreichend sind oder die Gründung neuer rechtlich abgegrenzter Einheiten Vorteile verspricht. Dies würde jedoch eine grundlegende Anpassung der zuwendungsrechtlichen Regeln voraussetzen.

  • Darüber hinaus bedarf es nicht zuletzt angesichts der bevorstehenden Pensionierungswelle einer verbesserten finanziellen Unterstützung der Rekrutierungsfähigkeit insbesondere von Hochschulen. Sie müssen in den Stand versetzt werden, bei Berufungen mit jenen Wissenschaftseinrichtungen des In- und Auslandes mitzuhalten, welche erheblich besser ausgestattet sind, über ein stärker eigenverantwortliches Management verfügen und im Ausland teilweise auch erheblich bessere Verdienstmöglichkeiten bieten. Entsprechendes gilt für die Konkurrenzfähigkeit bei der Berufung von Leistungsträgern aus der Wirtschaft.

  • Ferner müssen Maßnahmen der Verbesserung der institutionellen Infrastruktur dienen. Die durch verschiedene Fördermechanismen den Hochschulen und Forschungseinrichtungen zugewiesenen Mittel für Forschungsprojekte sollten - ebenso wie EU-Mittel - durch eine Zusatzfinanzierung von mindestens 25% zu Gunsten der institutionellen Grundausstattung und Infrastruktur ergänzt werden.

3. Nachwuchs gewinnen und fördern


Eine hohe Qualität in der beruflichen und akademischen Ausbildung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit eines Innovationssystems. Bei der Ausbildung von Wissenschaftlern und Ingenieuren auf Spitzenniveau auf der einen und bei der Weiterbildung von Führungskräften in Spitzentechnologien und Management-Skills auf der anderen Seite kooperieren Universitäten und außeruniversitäre Einrichtungen heute bereits erfolgreich. Große Potenziale könnten jedoch noch besser in der Graduiertenausbildung und in der gezielten Weiterbildung von Führungskräften und potentiellen Unternehmern genutzt werden.


Es müssen verstärkte Anstrengungen unternommen werden, um junge Menschen aus dem In- und Ausland für ein Studium in Deutschland speziell in den Natur- und Ingenieur­wissenschaften zu gewinnen. Es gilt, die Ausbildung von Studenten und Doktoranden in einem stärker differenzierten System auszubauen. Die zu fordernde Schwerpunkt- und Profilbildung findet ihre Entsprechung auch im Bereich der Nachwuchsförderung und unterstützt diese. Die Wissenschafts­organisationen sehen es als ihre Verpflichtung an, eine frühere wissenschaftliche Selbständigkeit, hierarchiefreie Arbeitsatmosphären und Perspektiven einer längerfristigen Beschäftigung für exzellente junge Wissenschaftler/innen anzubieten. Sie sprechen sich für konzentrierte Anstrengungen entlang folgender Schwerpunkte aus:

  • Sie werden ihre Angebote für Schüler in ihren Einrichtungen ausbauen und so die Faszination von Wissenschaft und Technik vermitteln, z. B. durch Schülerlabore oder spezielle Vorlesungsreihen.

  • Sie werden das Einstein-Jahr über ihre gemeinsame Initiative "Wissenschaft im Dialog" und zahlreiche weitere Aktivitäten mitgestalten.

  • Sie werden ihre Ausbildungsleistungen stärker anhand internationaler Standards ausrichten und transparenter machen. Der Übergang von der Schule zur Hochschule weist in Deutschland erhebliche Defizite auf (Informationsdefizite bei Studienwahl, Hochschulwahl nach sachfernen Kriterien, Vergleichbarkeit des Leistungsniveaus etc.). Das gegenwärtige System der Hochschulzulassung gewährleistet nicht in allen Fällen, dass die Eignungsprofile von Studienbewerbern optimal mit den Anforderungen der Studiengänge abgeglichen werden. Es erlaubt den Hochschulen zudem nur sehr eingeschränkt, den Hochschulzugang zur Profilbildung zu nutzen. Empfehlungen zur Verbesserung haben der Wissenschaftsrat und die HRK erarbeitet. Sie müssen konsequent umgesetzt werden.

  • Die Wissenschafts­organisationen werden bei Erhalt zusätzlicher Mittel diese verstärkt für die Förderung einer strukturierten Graduierten- und Doktorandenausbildung einsetzen. Dabei kommt dem Ausbau von Graduiertenkollegs zu Graduiertenschulen (DFG, Länder, Stiftungen), die Graduierte - ausgewählt nach Qualitätsgesichtspunkten und angemessen ausgestattet - in thematischen Einheiten vereinen, ebenso große Bedeutung zu wie ähnliche Ansätze in den außeruniversitären Einrichtungen, etwa den gemeinsam mit Universitäten betriebenen International Max Planck Research Schools.

  • Um den seit Jahren bestehenden "brain drain" umzukehren, müssen ferner attraktivere Beschäftigungsperspektiven für jüngere Wissenschaftler hergestellt werden. Die Wissenschafts­organisationen werden dazu im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Zahl ihrer selbständigen Nachwuchsgruppen weiter erhöhen und dabei auch Optionen auf langfristige Beschäftigung im Sinne einer verbindlichen Karriereperspektive anbieten.

  • Förderinstrumente im Nachwuchsbereich sollten stärker der Unterstützung von Mobilität dienen. Die Eingliederung speziell der Juniorprofessoren ließe sich etwa durch eine Förderung mit 20.000 Euro jährlich, die nach freier Wahl für die Forschung eingesetzt werden dürfen, erleichtern.

  • Weiter regen die Wissenschafts­organisationen an, eine Initiative "Nachwuchs für Schlüsseltechnologien" aufzulegen. Dabei geht es um die zeitlich eingegrenzte Möglichkeit, in Fächern mit Nachwuchsmangel (z. B. in der Informatik, der Medizin etc.) Nachwuchsgruppen für einen befristeten Zeitraum aufzubauen. In einem engen Dialog zwischen Wirtschaft und Universität muss erreicht werden, dass die inhaltlichen Qualifikationsprofile auch dem Bedarf der Wirtschaft entsprechen.

4. Notwendigkeit weiterer Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, insb. im Dienst- und Tarifrecht


Wesentliche Verbesserungen versprechen sich die Wissenschafts­organisationen speziell in der Nachwuchsförderung aber auch darüber hinaus durch Änderungen dienst- und tarifrechtlicher Regelungen. Sie fordern den Gesetzgeber über die bereits erreichten Verbesserungen durch die Dienstrechtsreform hinaus zu weiteren Reformen auf:

  • Die Wissenschafts­organisationen sprechen sich für einen Wissenschaftstarifvertrag aus, der die Möglichkeiten der leistungsabhängigen Bezahlung über den Kreis der leitenden Wissenschaftler hinaus ausdehnen soll.

  • Sie sprechen sich für weitere Flexibilitäten insbesondere im Drittmittelbereich aus. Die Möglichkeit sollte eröffnet werden, Verträge bei Wegfall von Drittmittelförderungen zu beenden. Dies würde - bei fortgesetzter Drittmittelfinanzierung - die Chancen für eine dauerhafte Beschäftigung hochqualifizierter Wissenschaftler/innen deutlich verbessern.

  • Sie fordern eine deutliche Vereinfachung des Tarifrechts, das zunehmend unüberschaubar geworden ist.- Sie sprechen sich für die Schaffung tariflicher Regelungen insbesondere bei der Eingruppierung aus, die den forschungsspezifischen Gegebenheiten entsprechen, stärker tätigkeitsbezogen sind und beispielsweise weniger auf nationale Berufsbilder und -abschlüsse abstellen.

  • Sie sprechen sich dafür aus, die Genehmigungsverfahren für ausländische Wissenschaftler, gemeinsam mit ihren Familien zu einem Gastaufenthalt nach Deutschland zu kommen, weiter zu vereinfachen. Ein forschungsfreundliches Zuwanderungsgesetz ist dringend notwendig.

5. Konsequente Internationalisierung


Nur mit verstärkten Internationalisierungsanstrengungen läßt sich das Innovationspotenzial Deutschlands ausbauen. Internationale Graduiertenkollegs der DFG und die gemeinsam mit den Universitäten betriebenen International Max Planck Research Schools sind wegweisende Ansätze auf diesem Feld. Konsequenter Ausbau europäischer Nachwuchsgruppen, Ermutigung grenzüberschreitender Kooperation und die Unterstützung der Aktivitäten deutscher Forscher/innen und ihrer Förderorganisationen im Ausland sind Tätigkeitsfelder, die besondere Unterstützung verdienen.


Konkret wäre die Bildung gemeinsamer Fakultäten zwischen Universitäten verschiedener europäischer Länder zu nennen, die mit finanziellen Anreizen im Wettbewerb zu fördern wäre. Auch die Bildung eines European Research Councils, der dem Gedanken eines qualitätsbasierten wissenschaftsgetriebenen Wettbewerbs in der Grundlagenforschung verpflichtet ist, ohne juste retour auskommt und über eigene Mittel in signifikanter Höhe verfügt, sollte nachhaltig unterstützt werden. Initiativen außeruniversitärer Einrichtungen zur Entfaltung eigener institutioneller Forschungsaktivitäten im Ausland (z.B. die Gründung von Instituten im Ausland mit bilateraler Finanzierung) sollten im begrenzten Maße probeweise gefördert werden, versprechen diese Initiativen doch erheblich positive Rückwirkungen auch auf den nationalen Standort.


6. Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft


Die intensive Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist für den Innovationsprozess von großer Bedeutung. Wissenschaft und Wirtschaft müssen deshalb mit dem Ziel effektiverer Wertschöpfung besser vernetzt werden. Anzustrebende Forschungspartnerschaften sollten von dem gemeinsamen Verständnis getragen sein, dass einerseits die Wirtschaft in steigendem Maße auf die intensive Zusammenarbeit mit der nichtgewerblichen Forschung angewiesen ist und das Zusammenspiel von Grundlagen- und angewandter Forschung für die Entwicklung neuer Produkte unentbehrlich ist.


Andererseits aber muss sich die öffentliche Wissenschaft stärker vergegenwärtigen, dass sie in ihren Erkenntnisprozessen von den Fragestellungen der Wirtschaft profitieren, sie ihr Forschungsportfolio durch Drittmitteleinwerbung aus der Industrie steigern und sie ihre Chancen in der wechselseitigen Mobilität zwischen den Sektoren besser wahren kann. Letztlich muss die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft dem gemeinsamen Ziel der Beschleunigung von wirtschaftlichen und sozialen Innovationsprozessen dienen. Die Wissenschafts­organisationen werden daher verstärkt auf die Wirtschaft zugehen, um

  • durch gemeinsame Planungsprozesse, problemorientierten Technologietransfer und gemeinsame Forschungsanstrengungen die Innovationsbilanz zu verbessern,

  • eine sachgerechte Mitwirkung der Wirtschaft in den angestrebten regionalen Wissenschafts- und Innovationsclustern/Exzellenzzentren zu erreichen,

  • spezielle Innovationspartnerschaften zu bilden, die über die traditionellen Kooperationsmuster wie Lizenznahmen und Auftragsforschung hinausgehen und in denen sich die Partner auf längerfristige gemeinsame Innovationsziele verpflichten, ihre jeweiligen Beiträge in enger Wechselwirkung zu erbringen und zugleich ihre Identität zu wahren.

Die Wissenschafts­organisationen werden ferner- ihre Mitarbeiter/innen verstärkt in Bezug auf die Ausgründung von Unternehmen schulen und unterstützen sowie- das Leistungsspektrum ihrer Technologietransfereinrichtungen fortentwickeln.


In der Förderung der Wechselwirkung von Wissenschaft und Wirtschaft fällt dem Staat eine wichtige Rolle zu. Sein Handeln sollte von dem Bewusstsein getragen sein, dass er weder die Marktkompetenz der Wirtschaft noch die Forschungskompetenz der Wissenschaft sinnvoll ersetzen kann. Vielmehr sollte die Öffentliche Hand die Rolle des fördernden Moderators übernehmen, der über Anreizsysteme die Bildung von Innovationspartnerschaften initiiert, bestehenden Ansätzen Unterstützung bietet und insgesamt auf eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen hinwirkt.


Die Wissenschafts­organisationen erwarten daher von Bund und Ländern, dass sie

  • die erfolgreichen Modelle der Vergangenheit ( z. B. Bioregio-Wettbewerb des BMBF) fortentwickeln und ihren Sparkurs in der Projektförderung revidieren,

  • die Industrie politisch und durch speziell F&E begünstigende Steuertarife ermutigen, mehr für die Forschung aufzuwenden und in Deutschland gemachte Erfindungen tatsächlich in Deutschland umzusetzen,- das besonders in Ostdeutschland wirtschaftlich fruchtbare Programm zur Förderung von Ausgründungen (EEF) aus den Wissenschaftseinrichtungen fortführen und den Einrichtungen erleichtern, durch Beteiligungen zur Ausgründung von Unternehmen beizutragen und die Beteiligung für angemessene Zeit zu halten sowie- die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Wechsel von Personal aus der Wissenschaft in die Industrie und umgekehrt verbessern.

7. Mut zum Handeln - Mut zur finanziellen Priorität für Bildung und Forschung


Die Wissenschafts­organisationen wollen die beschriebenen Herausforderungen annehmen und die unterbreiteten Vorschläge konsequent umsetzen. Sie haben den Mut zum Handeln und werden mit ihren Maßnahmen eine Effizienzsteigerung in der Wissenschaft erreichen und ihren Beitrag zur Beschleunigung des Innovationsprozesses leisten. Ein Durchbruch im Sinne der Innovationsoffensive wird jedoch nur durch eine klare Prioritätensetzung der Politik zugunsten von Bildung und Forschung und durch eine substantielle Erhöhung der Mittel möglich sein.


Das von der Bundesregierung im europäischen Verbund formulierte und erneut bekräftigte Ziel, den Anteil der F&E-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt von jetzt 2,5% auf mindestens 3% im Jahre 2010 zu erhöhen, wird daher von den Wissenschafts­organisationen nachdrücklich begrüßt. Rechnerisch ergibt dies jährliche Steigerungsraten von 8-10% ab dem Jahr 2005. Nur mit einer finanziellen Priorisierung von Bildung und Forschung in den Staatsausgaben werden letztlich die Herausforderungen gemeistert und wird die Innovationsoffensive zum Erfolg geführt werden können.