Rechenschaftsbericht 2004/1. Halbjahr 2005


Rechenschaftsbericht 2004/1. Halbjahr 2005


vorgelegt dem 204. HRK-Plenum am 14.6.2005


 


Die Bemühungen der HRK im Berichtszeitraum - Mitte 2004 bis Mitte 2005 - waren darauf gerichtet, die Unterstützung der HRK-Mitgliedshochschulen auch durch von der Geschäftsstelle eingeworbene, drittmittelfinanzierte Projekte zu intensivieren, die Vertretung der Interessen des deutschen Hochschulsystems gegenüber Staat, Öffentlichkeit, Wirtschaft und Gesellschaft zu sichern, die Stellung der Hochschulen im Verbund der Wissenschafts­organisationen zu stärken, das deutsche Hochschulsystem im Verbund der European University Association zu vertreten und seine Interessen bei der Gestaltung des europäischen Hochschul- und Forschungsraums zu unterstützen sowie die Kooperation deutscher Hochschulen mit ihren internationalen Partnern in allen Teilen der Welt zu fördern.


Der hier vorgelegte Bericht umfasst die Vielfalt der inhaltlich an den Beschlüssen und Empfehlungen von Senat und Plenum ausgerichteten Aktivitäten der HRK als Darstellung aus den Referaten der Geschäftsstelle, denen eine allgemeine Bewertung der hochschulpolitischen Entwicklung im Berichtszeitraum vorangestellt ist. Die Aktivitäten der HRK wären ohne die finanzielle Unterstützung nicht möglich gewesen, die von Seiten des Bundes, der Länder, des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft sowie von privaten Stiftungen geleistet wurde; hierfür sei hier ausdrücklich gedankt.



1. Vorbemerkungen


1.1 Neue und alte Ziele


Verfolgt man die Arbeitsberichte der vergangenen Jahre, so ist "deja vu" ein prominenter Eindruck. Denn sie spiegeln auf vielfältige Weise die Variation ähnlicher Themen, die, oft als basso continuo, in der ständigen Diskussion zwischen Hochschulen, Staat und Gesellschaft immer wiederkehren. Dabei gibt es solche, die unverändert - quasi ostinato - auftauchen, und andere, denen Entwicklung und Veränderung anzusehen ist.


Zu den ersteren zählt das ewige Problem der chronischen Unterfinanzierung des Hochschulsystems, jetzt erneut verschärft durch die anhaltende Zunahme der Studierendenzahlen auf über 2 Millionen, die die sog. Akademisierungsquote auf über 35% und das Betreuungsverhältnis auf mehr als 50 Studierende pro Professor erhöht haben - angesichts der anstehenden Verkürzung der Schulzeit scheint dies kein Ende zu nehmen, denn ein neuer Studierendenberg ist in Sicht. Aber auch der baulich-technische Zustand vieler Hochschulgebäude ist, nicht zuletzt infolge der erneuten Kürzung der ohnehin unzureichenden Hochschulbauförderungsmittel, dringend verbesserungsbedürftig - auch der Wissenschaftsrat hat darauf mehrfach hingewiesen.


Die globale Entwicklung der Arbeits- und Bildungsmärkte führt überdies zu erneuten Anforderungen an das Studienangebot der Hochschulen. Dass damit inzwischen die Leistungsgrenzen der Hochschulen erreicht und teilweise überschritten werden, ist - vielleicht noch nicht im ganzen Bundesgebiet, aber doch in einigen Bundesländern - spürbar. Und dass das Hochschulsystem insgesamt wegen der Umsetzung der Bologna-Reform, der Neuregelungen der Hochschulauswahl von Studierenden, der Auseinandersetzung um einen Wissenschaftstarif, der dringlichen Sorge um die Perspektive des wissenschaftlichen Nachwuchses, die anstehenden Reformen des Promotionswesens, des wachsenden Wettbewerbsdrucks zur Sicherung einer hohen Forschungsproduktivität und - nicht zuletzt - der anhaltenden Notwendigkeit wirksamer und möglichst unbürokratischer Qualitätssicherung erheblich belastet ist, kann niemand in Zweifel ziehen.


Insofern sollte - und so hat die HRK öffentlich wiederholt argumentiert - weniger die Kritik an manchen Defiziten als die Anerkennung der Leistungen der Hochschulen unter erschwerten Bedingungen gefördert werden. Insofern wächst aber auch die Zustimmung zu dem "größten Rätsel", das EU-Forschungskommissar Potocnik in seinem neuen Arbeitsbereich vorfand: "Warum dominieren Forschung und Innovation die Reden der Politiker inklusive der Staatschefs, warum heißt es überall, in der Bildung der Jugend und in der Entfaltung des akademischen Nachwuchses liege die Priorität schlechthin, warum herrscht hundert Prozent Übereinstimmung in der Analyse, wenn das Interesse an der eigentlichen Forschungspolitik mager und die Bereitschaft, zugunsten der Wissenschaft anderswo zu sparen, nicht vorhanden sei." (zitiert nach FAZ vom 8.Juni 2005).


1.2 Verhältnis Staat/Hochschule


Continuum der Debatte über das deutsche Hochschulsystem bleibt das Thema Autonomie - und hier ist der Fortschritt eine Schnecke. Immerhin sind einige Teilstrecken zurückgelegt, etwa das Hochschulrecht der Auswahl von Studierenden, die Konstituierung eines zugleich staats- und hochschulfernen Akkreditierungsverfahrens, neue Hochschulgesetze in manchen Bundesländern, in denen z.B. sogar das Berufungsrecht auf die Hochschulen übertragen wurde. Aber selbst mit einem insgesamt so fortschrittlichen Hochschulgesetz wie dem hessischen für die Technische Universität Darmstadt wird nur eine einzelne Hochschule, nicht aber das System insgesamt, in den Zustand versetzt, im zunehmenden Wettbewerb weitgehend frei von staatlicher Reglementierung im Einzelfall nach eigenen strategischen Zielen zu agieren.


Auf der gänzlich anderen Seite der Bilanz stehen beispielsweise die mühseligen und bislang erfolglosen Bemühungen um einen Wissenschaftstarifvertrag, die erheblichen Probleme der Umsetzung der W-Besoldung, die im europäischen Kontext übermässig engen Vorgaben der KMK zur Gestaltung von BA/MA-Studiengängen oder Entwicklungen wie die im Bundesland Berlin, in dem die gesetzliche Wiedereinführung der Viertelparität in Hochschulgremien Gegenstand der hochschulpolitischen Auseinandersetzung ist. So lange Entstaatlichung und entschiedener Bürokratieabbau nicht deutlich mehr Fortschritt macht, wird die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Hochschulsystems insgesamt auf der internationalen, ja selbst nur der europäischen Ebene Gegenstand von Sorge sein.


Die in diesem Zusammenhang umstrittenen Fragen sind und waren übrigens nicht allein Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen Staat und Hochschule, sondern gleichzeitig Grundlage von Dissens zwischen Bund und Ländern. Dies zeigte sich im Berichtszeitraum besonders an den Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, das mehrere Bundesländer gegen Regelungen des Hochschulrahmengesetzes angestrengt hatten. Die Einrichtung der Juniorprofessur, die Vorschrift der Etablierung verfasster Studierendenschaften, das Verbot von Studiengebühren wurden schließlich durch Entscheidung des obersten Gerichts aufgehoben, weil sie durch übermäßig detaillierte Vorgaben des Bundes die Gestaltungsfreiheit der Länder unzulässig einengten. Die aus diesen Vorgängen resultierenden hochschulpolitischen Spannungen zwischen Bund und Ländern bildeten den bestimmenden Hintergrund der Föderalismusdebatte. Die vielfach und auch im Konzert der Wissenschafts­organisationen in der Allianz vorgetragene Position der HRK stärkte auch das öffentliche Bewusstsein dafür, dass Bildung und Wissenschaft als zukunftsbestimmende Gestaltungsbereiche für die Perspektive - die kulturelle ebenso wie die ökonomische - von Gesellschaft und Wirtschaft erheblich sind.


1.3 Exzellenzförderung, Differenzierung und Profilentwicklung im Hochschulsystem


Zu Jahresbeginn 2004 bekundeten Bundeskanzler und Bundesbildungsministerin ihre Entschlossenheit zu verstärkter Förderung von Exzellenz und lösten damit sowie durch die öffentliche Propagierung des Begriffs Elite erhebliche Medienreaktionen, heftige Zustimmung ebenso wie deutliche Kritik, jedenfalls aber großes Erstaunen aus. Im Verlauf des Jahres wurde dann aber erkennbar, dass die mühevollen Anstrengungen, im Konsens zwischen Bund, A- und B-Ländern sowie Wissenschafts­organisationen einen von allen getragenes Konzept zu entwickeln, nicht geradewegs zu einem durchschlagenden Erfolg führen würden. Nicht etwa die entwickelte Konzeption des Exzellenzwettbewerbs - und damit ein wissenschaftspolitischer Dissens - war der Grund für das Scheitern dieser Initiative, sondern erneut die Frage der verfassungsrechtlichen Kompetenzen von Bund und Ländern für den Hochschulbereich.


Die HRK verfolgte - auf der Grundlage mehrerer Empfehlungen und Resolutionen von Senat und Plenum - öffentlich und in vielen Gesprächen eine konsistente Linie: Exzellenzförderung ist nötig nicht zuletzt im Interesse von Profilentwicklung und Differenzierung des Hochschulsystems, die letztlich dem Wettbewerb um Qualität dienen.


Exzellenzförderung mit dem Anspruch auf Nachhaltigkeit ist aber nur durch ein wettbewerbliches Verfahren zu erreichen, in dem nicht allein einzelne Forschungsprojekte, die Bildung von Kooperationsverbünden mit nicht-universitären Forschungseinrichtungen oder die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses unterstützt werden sollten, sondern auch die Fähigkeit der Hochschulen zu einer strategischen Ausrichtung auf Exzellenz: Nur wenn eine Hochschule in der Gestaltung ihres "Binnenklimas" alle internen Entscheidungsvorgänge auf die Förderung von Kreativität und Leistungsbereitschaft orientiert, wird sie über die Finanzierungsdauer einzelner Forschungsprojekte hinaus in der Lage sein, international sichtbare Exzellenz zu sichern.


Die Verknüpfung des von Bund und Ländern gemeinsam zu finanzierenden Exzellenzprogramms mit der künftigen Gestaltung des Föderalismus in Deutschland ist auch derzeit noch die Ursache dafür, dass ein Umsetzungsbeschluß für einen von fast allen Wissenschaftsministern getragenen Gestaltungsvorschlag noch nicht zustande kam - aber letzte Hoffnungen bestehen immer noch. Ein endgültiges Scheitern wäre kein gutes Zeichen für die zielorientierte Entscheidungsfähigkeit der derzeitigen Politik auf dem Feld von Bildung und Wissenschaft, denn das Programm wurde allseits befürwortet, die Hochschulen waren schon - und sind noch - "in den Startlöchern" und ausländische Beobachter hatten sich anerkennend erwartungsvoll zu der Initiative insgesamt geäußert.


1.4 Die deutschen Hochschulen im zusammenwachsenden Europa


Differenzierung durch Profilentwicklung im deutschen Hochschulsystem bildet ein wichtiges Thema auch im Rahmen von Entwicklungen auf der europäischen Ebene, in die das deutsche Hochschulsystem nicht allein durch den Bologna-Prozess zunehmend einbezogen ist. Denn die Gestaltung europäischer Förderprogramme für Forschung und Hochschulbildung liefern - auf dem Hintergrund der Zielvorgaben von Lissabon und Barcelona für das Jahr 2010 - starke Impulse unter dem Motto "more money for not more of the same". Eine erfolgreiche Positionierung der deutschen Hochschulen in diesem Rahmen, in dem es auch um die Teilnahmechancen an europäischen Förderprogrammen gehen wird, setzt eine aus strategischen Schwerpunktentscheidungen der Hochschulen resultierende Differenzierung durch Profilbildung voraus.


Dies dient nicht allein der Erhaltung des breiten Spektrums hoher Qualität in Hochschulausbildung und -forschung, sondern auch der Ermöglichung von Spitzenleistungen in einem Wettbewerb nach wissenschaftsadäquaten Bemessungskriterien. Die Themen der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, der Profilentwicklung sowie einer zu erarbeitenden Hochschultypologie waren daher auch Gegenstände der Diskussion mit den deutschen, oesterreichischen und schweizerischen Rektorenkonferenzen und wurden von dort in den Rahmen der European University Association Diskussionsthema weitergetragen. Dieser gemeinsame Anknüpfungspunkt ergab sich auch aus der zunehmenden Entwicklung von länderübergreifenden Verfahren der Evaluation von Lehr- und Forschungsleistungen - wie etwa derer des CHE, die inzwischen auch Hochschulen in Oesterreich und der Schweiz einschließt - die angemessen, d.h. an dem jeweiligen Profil der Hochschule ausgerichtet sein sollten.


Die zunehmende Bedeutung der EU für die europäischen Bildungs- und Forschungsprogramme auch für die Hochschulen in Deutschland drückte sich im Berichtszeitraum durch zahlreiche EU-Veranstaltungen aus, die der Konsultation über die Gestaltung der künftigen EU-Bildungs- und Forschungspolitik dienten. Diese Entwicklung sollte auch Anlass für ein stärkeres Engagement der deutschen Hochschulen im Rahmen der EUA sein, die sich in den vergangenen Jahren zu einem von der Politik zunehmend wahrgenommenen Partner bei der Gestaltung des Europäischen Hochschul- und Forschungsraums entwickelt hat. Nicht allein im Bologna-Prozess und bei seiner Fortentwicklung durch die Nachfolgekonferenzen der Bildungsminister in Berlin 2003 und in Bergen im Mai 2005, sondern auch bei den Planungen und Entscheidungen der EU über das 7. Rahmenprogramm, den vorbereitenden Überlegungen für einen European Research Council und die Gestaltungsvorschläge für ein European Institute of Technology müssen die europäischen Hochschulen - und daher auch die HRK im Interesse ihrer Mitgliedshochschulen - maßgeblich mitwirken.


Das HRK-Präsidium hat aus diesem Grunde die Linie verfolgt, verschiedene Themenkomplexe, etwa die künftige Gestaltung der Promotion im Rahmen des Bologna-Prozesses, Profilentwicklung oder Hochschulfinanzierung, zunächst auf bi- oder trilateraler Ebene mit einzelnen europäischen Rektorenkonferenzen zu einem formulierten Beschluss zu führen, um dies dann auch in die gesamteuropäische Diskussion im Rahmen der EUA einzubringen. Dieses Verfahren konnte z.B. sicher gestellt werden, dass die zunächst in trilateraler Diskussion in dem DACH-Treffen (Deutschland, Oesterreich, Schweiz) formulierten Vorstellungen zur Promotion weitgehend sowohl in die EUA-Declaration als auch in das Communiqué der Bergen-Konferenz der Bildungsminister Eingang fanden.


Diese Bemühungen führten auch zu dem erfreulichen Ergebnis, dass nach dem von der HRK für ihre Mitgliedshochschulen organisierten "Brüssel-Tag" sowie mehreren Treffen des HRK-Präsidiums mit mehreren anderen Rektorenkonferenzen in Europa auch eine deutlich größere Zahl von deutschen Hochschulen an der EUA-Konferenz in Glasgow im März 2005 beteiligt war. Bei dieser Konferenz war die Teilnahme des EU-Kommissionspräsidenten Barroso sowie der beiden EU-Kommissare für Bildung und Forschung eine gute Gelegenheit auch für die HRK-Mitgliedshochschulen, die wissenschaftspolitische Programmatik der EU-Kommission ebenso wie die Diskussionslage darüber unter den europäischen Hochschulen "aus erster Hand" kennen zu lernen. Es wird im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Hochschulsystems zunehmend wichtig sein, die Entwicklungen in anderen europäischen Ländern unmittelbar zu verfolgen und durch engen Kontakt nicht nur der HRK selbst, sondern auch ihrer einzelnen Mitgliedhochschulen eine aktive Rolle bei der Gestaltung der Bildungs- und Wissenschaftslandschaft in Europa zu spielen.


Dies dürfte umso wichtiger werden, je mehr sich in Deutschland selbst die Diskussion der föderalen Strukturen in eine Richtung bewegt, die durch abnehmende Bundes- und zunehmende Länderkompetenzen im Hochschulbereich gekennzeichnet ist, denn damit steigt der länderübergreifende, auf die strategische Entwicklung ausgerichtete Informations- und Koordinationsbedarf, der eine wesentliche inhaltliche Aufgabe der HRK ist und bleiben muss.


2. Hochschulrecht


2.1 Föderalismusreform


Dass die heftige Diskussion über die Neuordnung der Gesetzeskompetenzen zwischen Bund und Ländern sich letztendlich an der Bildungspolitik entzündete und ergebnislos abgebrochen wurde, war nicht von vorne herein absehbar, hat aber weit reichende Konsequenzen für Hochschulen und Wissenschaft. Sah es zunächst so aus, als stünden vornehmlich die Gemeinschaftsaufgaben Hochschulbau, Forschungsförderung und Bildungsplanung auf dem Prüfstand, rückte mehr und mehr die Rahmenkompetenz für den Hochschulbereich in den Blickpunkt. Während dem Bund an der Verteidigung bestimmter Kernkompetenzen gelegen war, z.B. im Bereich Hochschulzulassung, Abschlüsse und Qualitätssicherung, forderten die Länder eine klare Entmischung der Kompetenzen und die Möglichkeit, eine eigene Hochschulpolitik ohne Rahmenvorgaben des Bundes machen zu können. Sie sahen die Hochschulpolitik als ihre ureigene Aufgabe an. Den in den vergangenen Jahrzehnten gemachten Schritt zu einem kooperativen Föderalismus auf diesem Gebiet wollten sie weitgehend rückgängig machen, weil sie auf anderen Politikfeldern Kompetenzen an den Bund abtreten sollten.

Die Aufgabe der gemeinsamen Verantwortung für den Hochschulbau war bald Konsens zwischen Bund und Ländern. Dagegen sollte die Gemeinschaftsaufgabe Forschungsförderung aufrecht erhalten werden. Die HRK setzte sich nachdrücklich für eine Beibehaltung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau ein, zum einen natürlich aus finanziellen Überlegungen: Es ist mehr als fraglich, dass alle Länder - selbst wenn die bisherigen Bundesmittel an die Länder weitergeleitet werden - diese in voller Höhe für den Hochschulbau einsetzen. Zum anderen aber auch aus übergeordneten Argumenten. Der Wissenschaftsrat hat durch die Begutachtung der Baumaßnahmen nicht nur eine starke Qualitätskontrolle ausgeübt, er hat auch die überregionale Entwicklung im Blick gehabt. Er hat verhindert, dass bestimmte Schwerpunkte an allzu vielen Standorten angesiedelt wurden und für eine Konzentration der Kräfte gesorgt. Gleichzeitig hat er zu verhindern gewusst, dass bestimmte Disziplinen an mehreren Standorten gleichzeitig geschlossen wurden. Die Kompetenz des Wissenschaftsrates wird bei einer Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe fehlen und es müssen trotz aller Länderkompetenz neue Abstimmungselemente geschaffen werden.


Die HRK hat sich auch für die Beibehaltung von Bundeskompetenzen ausgesprochen: im Zulassungsbereich, bei den Abschlüssen, beim Dienstrecht und bei der Qualitätsentwicklung. Mit ihrer Position zugunsten des Bundesstandpunktes ist sie mitunter auf heftigen Widerstand der Länder gestoßen. Davon zeugen Diskussionen mit verschiedenen Ministern und Ministerpräsidenten anlässlich von HRK-Veranstaltungen. Hintergrund des Engagements war aber nicht der Wunsch, dass alles beim Alten bleibe, sondern die Sorge, dass der Widerspruch zwischen der Globalisierung und Europäisierung der Wissenschafts- und Hochschulpolitik und dem Rückzug in eine überwiegend regional bestimmte Landespolitik wächst. Die Hochschulen fürchten, dass Deutschland sich in Richtung eines neuen Provinzialismus bewegt statt seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Die HRK hat ihre Argumente Seite an Seite mit den anderen in der Allianz zusammengeschlossenen Wissenschafts­organisationen vorgetragen. Diverse gemeinsame Stellungnahmen und ein Gespräch der Präsidenten der in der Allianz zusammen geschlossenen Organisationen mit den beiden Vorsitzenden der Bundesstaatskommission, Stoiber und Müntefering, das übrigens im Rahmen der sog. "Föderalismuskommission" keinem anderen Verband oder Gruppe von Verbänden gewährt wurde, zeugt von der Sorge der Wissenschaft um die künftige Entwicklung in der Hochschul- und Wissenschaftspolitik und vom großen Engagement auf diesem Gebiet.

Obwohl durch die ergebnislose Beendigung der Arbeiten der Bundesstaatskommission zunächst einmal alles beim Alten blieb, hatte diese schwerwiegende Nachteile für Hochschulen und Forschung. Da die Umsetzung des Programms für Forschung und Innovation und das so genannte Exzellenzförderprogramm an den Erfolg der Föderalismusreform gekoppelt wurden, wurde diese bislang auf Eis gelegt. Damit steht nicht nur der so genannte Drei-Prozent-Beschluss für die außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen in Frage, sondern auch das 1,9 Milliarden-Programm, das den Hochsch- wieder zu mehr internationalem Standing verhelfen sollte. Dabei waren zwei Säulen dieses Programms, nämlich die Einrichtung von Graduiertenschulen und die Bildung von Exzellenzclustern völlig unumstritten.


Die Auseinandersetzung entzündete sich an den so genannten Spitzenuniversitäten, die der Bund ins Gespräch gebracht hatte. Vor dem Hintergrund der verschärften Auseinandersetzung um die Bund-Länder-Kompetenzen war der Gedanke, dass Landesuniversitäten zum Teil mit Bundesmitteln finanziert würden,und eine Einrichtung wie der Wissenschaftsrat hierbei eine zentrale Rolle spielen würde, einigen Ländern unerträglich. Bis heute ist dieser Konflikt nicht gelöst. Zahlreiche Vorstöße, gemeinsame Stellungnahmen der Allianz, eine gemeinsame Pressekonferenz, Gespräche mit Ministerpräsidenten, mit dem Vorsitzenden der MPK blieben ergebnislos. Zwar sagte der Bayerische Ministerpräsident auf der HRK-Jahresversammlung baldige Einigung zu, doch ist diese vor dem Hintergrund der neuen politischen Situation mit Neuwahlen im Herbst, erneut in Frage gestellt.

Die Frage der künftigen Kompetenzverteilung ist nach wie vor ungeklärt, sie wird es voraussichtlich auch noch über längere Zeit bleiben. Es ist jedoch klar, es wird zu einer deutlichen Kompetenzverlagerung zugunsten der Länder kommen, alles andere erscheint nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts realitätsfern. Hochschulen und Wissenschaft, auch die HRK selbst, werden sich auf diese neue Ausgangssituation einzustellen haben. Dabei werden drei Gesichtspunkte in den künftigen Diskussionen um die Ausgestaltung zentral sein:

  1. Übernehmen die Länder neben der Kompetenz auch die volle Verantwortung für die angemessene Finanzierung der Hochschulen? Kommen sie hier zu einer gemeinsamen Strategie?
  2. Wie geht es weiter mit der Entwicklung der Hochschulautonomie? Geben die Länder die Freiheit, die aus der Abschaffung der Rahmenkompetenz des Bundes erwächst, an die Hochschulen weiter oder schaffen sie neue Detailregelungen, die landesweit gelten?
  3. Bleibt die Mobilität im Hochschulbereich erhalten? Werden die Länder in der Lage sein, ihre Politiken zum Wohle des Gesamtsystems ausreichend zu koordinieren?

2.2 Dienstrecht


2.2.1 Juniorprofessur


Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 wurde die 5. HRG-Novelle und damit die Einführung der Juniorprofessur für nichtig erklärt. Eines der wenigen Vorhaben im Hochschulbereich, die im Berichtszeitraum von Bund und Ländern gemeinsam realisiert wurden, war die "Reparatur-Novelle zum HRG" mit der Folge, dass seit dem 31. Dezember 2004 die Juniorprofessur nunmehr als Qualifizierungsweg neben der Habilitation verankert und die erforderliche Rechtssicherheit für schon berufene Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren wieder hergestellt ist. Nun sind die Länder gefordert, die Juniorprofessur - insbesondere wenn man hervorragende Nachwuchswissenschaftler und Nachwuchswissenschaftlerinnen gewinnen will - attraktiv zu gestalten, indem auch die Kalkulierbarkeit von Karrieren im Wissenschaftssystem erhöht wird. Es muss möglich sein, dass bei entsprechender Exzellenz und Bewährung des Stelleninhabers - festgestellt durch externe und transparente Evaluierung - die Berufung eines Juniorprofessors auf eine Professur an derselben Hochschule erfolgen kann. Ohne einen solchen Weg ist die internationale Attraktivität der Juniorprofessur ernsthaft gefährdet und wird die Chance längerfristiger Profilierung von Universitäten, Fakultäten und Fachbereichen über fachbezogene Personalplanung unzureichend genutzt.


2.2.2 Befristungsrecht


Mit seinem Urteil vom 27. Juli 2004 hatte das Bundesverfassungsgericht auch das neu geregelte Befristungsrecht für Arbeitsverhältnisse mit wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (die so genannte 12-Jahres-Regelung als unterstellte Qualifizierungsphase) für nichtig erklärt. Glücklicherweise ist diese Regelung ebenfalls mit der "HRG-Reparatur-Novelle" wieder eingeführt worden, und zwar rückwirkend zum Februar 2002, so dass auch hier die von der HRK geforderte Rechtssicherheit für die nach diesem Zeitpunkt abgeschlossenen befristeten Arbeitsverhältnisse wieder hergestellt wurde.

Das Problem der zeitlich adäquaten Beschäftigung von Drittmittelbeschäftigten ist jedoch nach wie vor ungelöst. Hier muss bis spätestens Februar 2008 eine Lösung gefunden werden. Dabei sind nach Auffassung der HRK grundsätzlich zwei Lösungswege denkbar: entweder die drittmittelfinanzierten Stellen von der Anwendung der jeweils einschlägigen Höchstbefristungsdauer auszunehmen oder das Kündigungsrecht für unbefristete Arbeitsverhältnisse zu modifizieren. Es wird darauf hingewiesen, dass eine Ausweitung des Befristungsrechts im Sinne des ersten Lösungsvorschlages sowohl europarechtlichen Vorgaben wie dem deutschen Gesetzesgrundsatz zuwider laufe, nachdem unbefristete Beschäftigungsverhältnisse die Regel und die Befristung die Ausnahme sei. Wenn diese Rechtssituation nicht veränderbar ist, muss ein "wissenschaftsspezifisches Kündigungsrecht" eingeführt werden, nach dem der dauerhafte Wegfall von Drittmitteln als spezifischer Kündigungsgrund für wissenschaftliche Mitarbeiter anerkannt wird.


2.2.3 Wissenschaftstarifvertrag


Die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes hatten in einer Prozessvereinbarung zum Tarifabschluss von Januar 2003 die Modernisierung des öffentlichen Tarifrechts und damit die Ablösung des bisherigen Bundesangestelltentarifvertrags (BAT) durch einen modernisierten Tarifvertrag Öffentlicher Dienst (TÖD) vereinbart und dabei an Sonderregelungen für Flughäfen, Sparkassen und Entsorgungsunternehmen gedacht. Der gesamte Bereich der Wissenschaft sollte weiterhin den Regeln für die allgemeine Verwaltung unterworfen sein.

Die Aktivitäten der HRK hatten zwei Schwerpunkte: Zum einen wurde erreicht, dass die HRK als Vereinigung der Hochschulen von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) wahrgenommen und in einzelnen Gesprächen angehört wurde. Dies war ein sehr schwieriger Prozess, da die Tarifexperten mit den Besonderheiten des Wissenschaftsbetriebs nicht vertraut sind und eine tarifrechtliche Gleichsetzung mit dem Bereich der allgemeinen Verwaltung als grundsätzlich unproblematisch ansahen. Nach der Kündigung der arbeitszeittarifvertraglichen Regelungen durch die TdL im April 2004 waren die Länder an den Reformverhandlungen, die bis Januar 2005 beendet werden sollten, nicht mehr beteiligt. Bund und Gewerkschaften verhandelten weiter und erzielten Anfang Februar 2005 eine Tarifeinigung. Die darauf folgende Verhandlungsrunde zwischen Gewerkschaften und Ländern scheiterte Ende April 2005.
Zum anderen bekräftigte die HRK die bestehende Beschlusslage durch den Beschluss des HRK-Senats "Für einen Wissenschaftstarifvertrag" im Februar 2004 und beauftragte eine Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung eines Wissenschaftstarifvertrags-Entwurfs. Die Vorschläge eines Manteltarifvertrags und eines Entgelttarifvertrags liegen den Finanz- und den Wissenschaftsministern seit April 2005 in Form von Diskussionspapieren vor. Die HRK hofft, dass nach dem Scheitern der Verhandlungen nun möglichst viele Länder die Chance nutzen, durch Abschluss eines Wissenschaftstarifvertrags den Besonderheiten des Wissenschaftsbetriebs Rechnung zu tragen. In diesem Zusammenhang wird es von Nutzen sein, auch die Arbeitgebereigenschaft auf die Hochschulen zu übertragen.


2.3 Urheberrecht


Zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft beabsichtigt der Bundesgesetzgeber, das deutsche Urheberrecht in mehreren Schritten an die Erfordernisse der Informationsgesellschaft anzupassen. Am 27. September 2004 wurde der Referentenentwurf für das "Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vorgelegt. Beim Übergang vom Druckzeitalter zum digitalen Informationszeitalter besteht die Gefahr, dass die bisher im Urheberrecht für gedruckte Medien (Bücher und Zeitschriften) bestehenden Zugangsprivilegien insbesondere von Bildung und Wissenschaft entsprechend den Interessen großer Wissenschaftsverlage bei digitalen Publikationen nicht beibehalten werden. Schon im ersten Gesetzgebungsverfahren hatte das Plädoyer der HRK zur Erhaltung des § 52 a Urheberrechtsgesetz (UrhG) trotz des mit großem Aufwand geführten Widerstands der Verlage zum Erfolg geführt. Damals ist jedoch eine Befristung der Norm bis zum 31. Dezember 2006 vorgesehen worden. Auch der jetzt vorliegende Gesetzentwurf bedarf erheblicher Verbesserungen, z.B. für die Ermöglichung des Kopienversands mit pauschaler Vergütung durch Bibliotheken. Darüber hinaus muss jedoch auch die Befristung des oben genannten § 52 a UrhG aufgehoben werden.

Die Relevanz des Urheberrechts für die Zukunft des Bildungs- und Wissenschaftsstandorts Deutschland ist zwar von Seiten der Wissenschaft erkannt, aber bis vor einiger Zeit zu wenig vernehmbar vorgetragen worden. Deshalb haben die Spitzenvertreter von Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft, Leibniz-Gemeinschaft, Wissenschaftsrat und Hochschulrektorenkonferenz die "Göttinger Erklärung zum Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" am 7. Juli 2004 unterzeichnet. Unterzeichner sind weiterhin mehr als 200 Fachgesellschaften und Wissenschaftseinrichtungen sowie mehr als 3000 persönliche Unterzeichner, zu einem großen Teil Wissenschaftler. Die von der HRK mit getragene fundierte Stellungnahme des Aktionsbündnisses "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" folgte am 26. November 2004.

Um die Anforderungen von Bildung und Wissenschaft im parlamentarischen Raum zu platzieren, hat die HRK am 30. November.2004 eine Informationsrunde für Parlamentarier in Berlin veranstaltet und eine Buchpublikation zum Thema veröffentlicht. Auf HRK-Initiative hatte sich die gesamte Allianz der Wissenschafts­organisationen zwischenzeitlich auf eine gemeinsame Linie geeinigt und veröffentlichte am 28. April 2005 eine gemeinsame Stellungnahme.

Die beabsichtigte Vorverlegung der Wahlen hat die Verabschiedung der Urheberrechtsnovelle in dieser Legislaturperiode in Frage gestellt. Die HRK wird die Zeit nutzen, um allen politischen Parteien deutlich zu machen, dass es bei der wissenschaftsfreundlichen Ausgestaltung des Urheberrechts nicht nur um den Wissenschafts-, sondern auch um den Wirtschaftsstandorts Deutschland geht.


2.4 Zulassung zum Studium


Nach der seit langem von der HRK vertretenen Auffassung sollen Durchführung und inhaltliche Ausgestaltung der Zulassungsverfahren zum Studium weitgehend den Hochschulen übertragen werden. Dies ist um so notwendiger, je stärker Profilbildung und Exzellenzförderung von den Hochschulen gefordert, der Wettbewerb unter den Hochschulen erhöht und die fachspezifische Studieneignung - neben der allgemeinen Studierfähigkeit - überprüft werden sollen.

Mit der Umstellung des ZVS-Zulassungsverfahrens auf der Grundlage der 7. HRG-Novelle vom Juli 2004 und den Modifizierungen der landesrechtlichen Vorschriften für örtliche Numerus clausus-Verfahren kommen Bund und Länder mehr und mehr dieser Forderung der Hochschulrektorenkonferenz nach. Das neue Verfahren - das so genannte 20:20:60-Modell (20 Prozent Abiturbestenquote, 20 Prozent  Wartezeitquote und 60 Prozent  Hochschulauswahlverfahrensqoute) - findet zum kommenden Wintersemester erstmals Anwendung. Die HRK hat sich in mehreren Veranstaltungen frühzeitig und intensiv um Hilfestellungen für die Hochschulen bei den Vorbereitungen bemüht. Es wurde deutlich, dass die mit dem neuen Zulassungsverfahren eröffneten Optionen für Hochschulen und Studienbewerber im geltenden Zeitplan der ZVS nicht im gewünschten Maße wahrgenommen werden können. Weitere Änderungen des Verfahrensablaufs sind deshalb erforderlich. Die Gespräche hierüber mit der ZVS haben begonnen.


Begonnen haben auch Gespräche mit der KMK über ein Konzept, wie die ZVS von einer staatlichen Behörde in eine Hochschulservicestelle umgewandelt bzw. von einer solchen abgelöst werden kann. Je höher der Anteil der Studienplätze ist, die in Hochschulauswahlverfahren vergeben werden, desto mehr sollte das Gesamtverfahren in der Verantwortung der Hochschulen liegen.

Andererseits muss eine solche Studienplatzvergabe funktionieren und den administrativen Aufwand sowohl für Hochschulen als auch für Bewerberinnen und Bewerber klein halten. Deshalb sollten die Hochschulen ihre Verfahren in eigener Verantwortung über eine gemeinsame Servicestelle koordinieren. Die Entwicklung geeigneter Strukturen und Verfahren für die eigenverantwortliche Gestaltung von Zulassungsverfahren ist für die Zukunftsperspektiven unabhängiger Hochschulen jedenfalls von entscheidender Bedeutung.


2.5 Ausbildungskapazität


Schon im Rechenschaftsbericht für das Jahr 2003 wurde darauf hingewiesen, dass das geltende Kapazitätsrecht den Anforderungen einer wettbewerbsorientierten Hochschule nicht mehr gerecht wird. Unterschiedliche Aufgabenstellungen und -schwerpunkte in der Lehre erfordern flexible Berechnungsmethoden. Die Liberalisierung der Kapazitätsermittlung ist insbesondere wegen der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge dringend erforderlich. Es ist deshalb zu begrüßen, dass die Kultusministerkonferenz vor wenigen Wochen endlich Einvernehmen darüber erzielt hat, den Ländern außerhalb des zentralen Vergabeverfahrens die Kapazitätsberechnung zu überlassen. Diese Freigabe ermöglicht den Ländern die Einführung von Bandbreiten für Curricularnormwerte und die - von der HRK schon mehrfach geforderte - Festsetzung der Ausbildungskapazitäten über Zielvereinbarungen mit den Hochschulen. Gleichwohl bleibt zu befürchten, dass Länder auch bei Anwendung der neuen Optionen von den geltenden Curricularnormwerten, die zu einem großen Teil älter als 30 Jahre sind, ausgehen werden. Um der Gefahr der Zementierung eines wissenschaftsinadäquaten Zustandes zu begegnen, plant das Präsidium der HRK noch im Jahre 2005 eine Veranstaltung unter Beteiligung von Verwaltungs- und Verfassungsrichtern, in der Möglichkeiten ausgelotet werden sollen, ob und wie die Festsetzung von Ausbildungskapazitäten ohne Rückgriff auf Curricularnormwerte erfolgen kann.


2.6 Studienbeiträge


Mehr als ein Jahrzehnt hat die Frage des Für und Wider von Studienbeiträgen die Gremien der HRK beschäftigt. Am Ende eines sehr intensiven Diskussionsprozesses hatte sich das Plenum im Juli 1996 gegen die Forderung nach Studienbeiträgen ausgesprochen, da es zwar gute finanz- und verteilungspolitische Argumente dafür sah, das Risiko einer Vereinahmung der Einnahmen durch die staatliche Seite und eine abschreckende Wirkung auf die Studienberechtigten aus sozial schwächeren Schichten aber höher einschätzte. Die sich gleichzeitig im Hochschulbereich vollziehenden Entwicklungen, der Paradigmenwechsel von der durch staatliche Detailvorgaben gesteuerten zu einer stärker eigenverantwortlich handelnden Hochschule, die an ihren Ergebnissen gemessen wird, und die sich immer stärker manifestierende Unterfinanzierung der Hochschulen bei gleichzeitig steigendem Akademikerbedarf belebten die Diskussion jedoch immer wieder aufs Neue.


Wie sollen Expansion und notwendige Qualitätsentwicklung im Hochschulbereich angesichts der chronischen Knappheit der öffentlichen Haushalte simultan finanziert werden, wenn nicht dem Beispiel anderer Länder gefolgt und eine Beteiligung der Studierenden an den Kosten des Studiums erfolgt? Wie lässt sich mehr Finanzautonomie für die Hochschulen verwirklichen, wenn sie keinerlei Einfluss auf die Gestaltung der Einnahmen haben? Wie können mehr Leistung steigernde Markt- und Wettbewerbselemente im Hochschulbereich verankert werden, wenn das zentrale Instrument des Preises in Form von Studienbeiträgen nicht zum Tragen kommen kann?

Die Hochschulrektorenkonferenz hatte sich deshalb trotz des Plenarbeschlusses von 1996 sehr kritisch mit der Zementierung des Studiengebührenverbots durch die 6. HRG-Novelle auseinandergesetzt, weil es nach ihrer Auffassung eine notwendigerweise eintretende Entwicklung aufhalten sollte und in Widerspruch zum erklärten Ziel vermehrter Hochschulautonomie stand. In den Gremien der HRK setzte sich mehr und mehr die Auffassung durch, dass die finanz-, steuerungs- und verteilungspolitischen Argumente für Studienbeiträge die Risiken überwiegen. Die sozialverträgliche Ausgestaltung von Studienbeiträgen wurde als zentrale, aber lösbare Herausforderung angesehen. So korrigierte das 202. Plenum der HRK in seiner Sitzung vom 8. Juli 2004 den Plenarbeschluss von 1996 und forderte die Einführung von Studienbeiträgen, die zwar während des Studiums zu entrichten seien, aber vorfinanziert und im Anschluss an das Studium über einen längeren Zeitraum zurückbezahlt werden könnten. Diesen Studienbeiträgen solle der Charakter von "Drittmitteln" für die Lehre zukommen. Sie sollten ausschließlich dazu dienen, Maßnahmen zur Steigerung der Qualität der Lehre zu finanzieren. Die HRK forderte, die entsprechenden Einnahmen in das Körperschaftsvermögen der Hochschulen einfließen zu lassen und die Verausgabung der Mittel in das volle Ermessen der Hochschulen zu stellen.

Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die 6. HRG-Novelle, mit der das Studiengebührenverbot aufgehoben wurde, konkretisierte die HRK ihre Vorstellung weiter. Sie hat wesentliche Eckpunkte für die Einführung von Studienbeiträgen formuliert: Die politische Verantwortung für deren Einführung liegt bei den Ländern. Die Ausgestaltung der Beiträge soll innerhalb bundeseinheitlicher Obergrenzen und Korridoren aber Angelegenheit der Hochschulen sein. Nur dann können Studienbeiträge ein sinnvolles Instrument in der Profilbildung und im Wettbewerb darstellen. Es muss den Hochschulen überlassen bleiben zu entscheiden, in welcher Höhe innerhalb des vorgegebenen Spielraums und für welche Studiengänge sie Beiträge einführen.

Die allseits bekräftigte Überzeugung, dass die Studienbeiträge allein der Verbesserung der Lehre an den Hochschulen zugute kommen sollten, muss in die Gesetzgebung eingehen. Daher soll nach Überzeugung der HRK die Verpflichtung des Staates, Einnahmen aus Studienbeiträgen nicht auf das Hochschulbudget anzurechnen, im Gesetz verankert werden. Im Gesetz zu verankern ist auch die zweckgebundene Verwendung der Mittel für die Verbesserung der Ausstattung für die Lehre. Sie müssen den Charakter von Drittmitteln für die Lehre haben. Aus ihnen finanzierte Stellen und Personen dürfen nicht auf die Kapazität der Hochschule angerechnet werden.

Die Einführung von Studienbeiträgen, das hat die HRK immer wieder betont, für den Staat mit dem Auftrag verbunden, die Sozialverträglichkeit sicherzustellen. Kein Land soll Studienbeiträge einführen, bevor es nicht ein Konzept zur Sozialverträglichkeit entwickelt habe. Niemand darf aus finanziellen Gründen am Studium gehindert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verantwortung hierzu den Ländern zugewiesen.


Ein weiterer Eckpunkt ist für die HRK, dass es durch die Einführung von Studienbeiträgen in den Ländern nicht zu einer Mobilitätsbehinderung für die Studierenden kommen darf. Auch das Kreditsystem muss so aufgebaut werden, dass Darlehen bundeseinheitlich bzw. bundesweit transferierbar sind. Gegenwärtig verfolgt die HRK die Entwicklungen in den verschiedenen Ländern mit großer Aufmerksamkeit. Sie ist mit Ländern, Banken und Wirtschaft über eine sozial verträgliche Lösung im Gespräch. Im Rahmen einer weiteren Projektarbeitsgruppe "Hochschulfinanzierung" arbeitet sie an einer weiteren Konkretisierung ihrer Vorstellungen. Sie ist sich darüber im Klaren, dass über die Erarbeitung eines sozial verträglichen Kreditmodells für die Finanzierung von Studienbeiträgen die umfassende Reform der Studienfinanzierung insgesamt geboten ist.


Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass nicht Studienbeiträge einer angemessenen Beteiligung der verschiedenen sozialen Gruppen am Hochschulstudium im Wege stehen, sondern die Gesamtkosten des nach wie vor langen Studiums so hoch sind, dass Studienberechtigte aus sozial schwächeren Schichten sich immer noch häufig gegen ein Studium entscheiden und das Begabtenpotential nicht annähernd ausgeschöpft wird. Die PG Hochschulfinanzierung wird hierzu ebenfalls erste Vorstellungen entwickeln.


3. Finanzierung der Hochschulen - Jahresversammlung 2005


"Finanzierung der Hochschulen - Finanzierung der Zukunft" hieß das Thema der Jahresversammlung 2005, die auf Einladung der Technischen Universität München in München stattfand. Im Mittelpunkt dieser Veranstaltung stand die Frage, vor welchen Aufgaben die Hochschulen in den kommenden Jahren stehen werden und wie ausreichende Mittel zur Bewältigung der Aufgaben zur Verfügung gestellt werden können.

Die Jahresversammlung, die durch einen Festvortrag des bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber eröffnet wurde, bestätigte die Auffassung, dass die Anforderungen an die Hochschulen in den kommenden Jahren enorm wachsen werden. Die Studierquote, also der Anteil der Studierenden an der gleichaltrigen Bevölkerung, vor allem aber auch die Absolventenquote, liegt in Deutschland deutlich unter dem internationalen Durchschnitt. Gepaart mit der demografischen Entwicklung ist heute bereits absehbar, dass das deutsche Ausbildungssystem nicht genügend hoch qualifizierte Arbeitskräfte für die Wissensgesellschaft der Zukunft zur Verfügung stellen wird. Wertvolles Begabungspotential wird derzeit nicht genutzt. Um die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu sichern, werden in den kommenden Jahren erheblich mehr junge Leute an den Hochschulen ausgebildet werden müssen. Außerdem wird von den Hochschulen erwartet, dass sie in der Grundlagenforschung international führend sind und schnell verwertbare Forschungsergebnisse liefern.

Es steht außer Zweifel, dass in einem vorwiegend staatlich organisierten und finanzierten Hochschulsystem dieser zusätzliche Finanzbedarf in erster Linie durch eine Steigerung der öffentlichen Aufwendungen gedeckt werden muss. Daneben bedarf es aber, dies zeigten die Diskussionen auf der zweitägigen Veranstaltung, eines größeren Engagements der Wirtschaft sowie des Einzelnen. Studienbeiträge werden unausweichlich sein und auch die Bedeutung einer finanziellen Unterstützung der Hochschulen durch die Absolventen wird wachsen. Dazu bedarf es jedoch auch entsprechender Veränderungen von gesetzlichen Rahmenbedingungen, z.B. im Stiftungs- und Steuerrecht.

Gleichzeitig müssen die Hochschulen in die Lage versetzt werden, mit ihren Mitteln ökonomisch zu wirtschaften. Sie sollten in der Lage sein, gezielt Leistungsanreize durch den Einsatz dieser Gelder zu setzen, und in Berufungsverhandlungen eigene Akzente zu setzen.

Es herrschte Einigkeit darüber, dass die Hochschulen ohne eine Liberalisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht zukunftsfähig sind. Ihre Selbststeuerungsinstrumente müssen durch eine Reihe von Maßnahmen gestärkt werden, z.B. durch die flächendeckende Einführung von Globalhaushalten, die Ermächtigung zur Einführung von Studienbeiträgen, ein individuell gestaltetes Zulassungsverfahren und die Übertragung der Dienstherreneigenschaft.


4. Forschung, Technologietransfer und wissenschaftlicher Nachwuchs


4.1 Forschung und Technologietransfer


In der wissensbasierten Gesellschaft ist Forschung ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor geworden. In der forschungspolitischen Diskussion ist der Begriff "Clusterbildung" weit oben auf die Prioritätenskala gerückt. Thematische oder regionale Cluster sollen sowohl die Forschung und die Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses als auch den Wirtschaftsstandort voranbringen. Die Themen "Forschung", "Nachwuchsförderung" und "Technologietransfer" sind daher noch enger zusammengewachsen.


Exemplarisch hierfür steht die vom Bundeskanzler angestoßene Initiative "Partner für Innovation", deren Arbeitskreise jeweils von führenden Wissenschaftlern oder Unternehmern betreut werden. Die HRK beteiligt sich mit den anderen großen Wissenschafts­organisationen intensiv im Arbeitskreis "Potentialausschöpfung im Forschungssystem", um den Auftrag der Hochschulen gegenüber Politik und Wirtschaft sichtbar zu machen, an zentraler Stelle des Gemeinwesens wie des Wissenschaftssystems in koordinierter Weise die Forschung, die Nachwuchsförderung und den Technologietransfer voranzutreiben.

Eine gute Basis hierfür liefern zum einen die grundsätzlich angelegte Stellungnahme der Allianz-Organisationen "Wachstum braucht Wissenschaft" vom Februar 2004, zum anderen auch das "Positionspapier der Universitätskanzler für das Zusammenwirken mit Unternehmen im Forschungsbereich nach der Novellierung des Arbeitnehmererfindungsgesetzes" vom Oktober 2004, demzufolge die Hochschulen ihre institutionellen Rechte an Diensterfindungen bei der Gestaltung von Industrieverträgen angemessen wahrnehmen und konstruktiv bei der Zusammenarbeit mit der Industrie einsetzen wollen.

Mit der Helmholtz-Gemeinschaft hat die HRK im Juli 2004 ein Eckpunktepapier verabschiedet, das die Zusammenarbeit zwischen Helmholtz-Instituten und Hochschulen mit Blick auf Clusterbildung und Exzellenzförderung thematisiert. Beide Organisationen regen an, dass sich ihre Mitglieder mit regionaler Fokussierung regelmäßig und partnerschaftlich über ihre strategische Planung austauschen und in Feldern übereinstimmenden wissenschaftlichen Interesses die gemeinsame Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses intensivieren sollen. Besonders hervorgehoben werden Nachwuchsgruppen und Doktorandenkollegs, bei deren Ausgestaltung die Hochschulen durch geeignete Kooperationsvereinbarungen institutionell beteiligt sind. Wie im Falle der Industrieverträge wird es auch bei solchen oder analogen Kooperationsvereinbarungen wesentlich auf den Willen der autonomen Hochschulen ankommen, zur Ausbildung ihres Profils und zur Wahrung ihrer Interessen die geeigneten vertraglichen Grundlagen zu legen, die für eine zukunftsfähige Clusterbildung unabdingbar sein werden.

Der Aufbau spezifischer Kompetenzzentren bezieht sich auf alle Hochschularten, nicht zuletzt auch auf die Fachhochschulen, deren Potential in der BMBF-Studie "Forschungslandkarte Fachhochschulen" festgehalten ist. Auf dieser Basis unterstützt die HRK das Anliegen der Fachhochschulen, zukünftig verstärkt an den Förderprogrammen des BMBF zu partizipieren. Die Politik des BMBF, das erfolgreiche und von der HRK aktiv mitgetragene Programm "Anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung an Fachhochschulen" als modifiziertes Programm unter dem Titel "FH³" fortzuführen, hat nicht die uneingeschränkte Zustimmung der Mitgliedergruppe Fachhochschulen gefunden. Daher unterstützt die HRK einen neuen Arbeitskreis der Mitgliedergruppe bei der Beratung des BMBF zur Förderung der Forschung in Fachhochschulen.


4.2 Wissenschaftlicher Nachwuchs


Dem wissenschaftlichen Nachwuchs hat die HRK ihre Jahresversammlung 2004 in Berlin gewidmet. Bundeskanzler Schröder hat bei diesem Anlass nicht nur ausdrücklich die Bedeutung der Geisteswissenschaften herausgestellt, sondern auch und vor allem den im März 2004 zwischen Bund und Ländern konzipierten "Wettbewerb zur Exzellenzförderung" vorgestellt. In Exzellenzzentren und Graduiertenschulen sollen im Sinne von Clusterbildung Synergieeffekte erzielt werden; und wörtlich sagte der Bundeskanzler: "Was bei uns aber doch fehlt, sind Spitzenuniversitäten, Fakultäten, die weltweit ausstrahlen, um auf diese Weise die klügsten und besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland zu uns zu holen." Die Besten gehen dahin, wo sie die besten Chancen erhalten, und sie bleiben, wo sie am besten behandelt werden.

Die Jahresversammlung hat gezeigt, dass die "gefühlten" Probleme, vor denen sich der wissenschaftliche Nachwuchs in Deutschland individuell oft sieht, gravierender sind als zuvor bekannt war. Absolventen deutscher Hochschulen haben zwar gute Chancen im Wettbewerb um Lehr- und Forschungsstellen in den besten Hochschulen der Welt, und es gibt in jeder Hochschule überzeugende Maßnahmen zur Karriereförderung. Die Jahresversammlung hat uns indes belehrt, dass sich die deutschen Hochschulen - speziell die Universitäten, da sie ja auch den Lehrkörper der Fachhochschulen qualifizieren - vor allem mental erneuern müssen; sie müssen einen neuen Geist des aktiven Zugehens auf und des Werbens um die besten jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln. Mit der Auswahl und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses schärfen die Hochschulen ihr institutionelles Profil.


Die Qualifikation des Nachwuchses ist das zentrale Anliegen der Hochschulen, wirkt sich auf die Qualität der Forschung aus, garantiert einen Wissenstransfer über Köpfe, und prägt das Ansehen der Hochschule in der Öffentlichkeit. Im Zentrum der Nachwuchsausbildung steht die Doktorandenausbildung, die zum einen die dritte Qualifikationsstufe im Studienprozess darstellt, zum anderen aber auch und vor allem die erste Stufe der Forschungsausbildung. Um die Qualität der Promotion im zusammenwachsenden Europa zu sichern, haben sich die Rektorenkonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz im Papier "Zur Zukunft des Doktorats in Europa" auf hohe Standards geeinigt, welche die europäische Diskussion bereits positiv geprägt haben.

Auf die Forschungsförderung der Europäischen Kommission hat die HRK, meist im Verbund mit den nationalen Wissenschafts­organisationen oder über die Europäische Rektorenkonferenz, sehr frühzeitig und mit beachtlichem Erfolg Einfluss genommen. Das Siebente Forschungsrahmenprogramm, zu dessen Ausgestaltung sich die HRK in ihren "Sechs Thesen" vom November 2004 geäußert hat, wird insbesondere einen ausschließlich Exzellenzkriterien verpflichteten Europäischen Forschungsrat beinhalten, d.h. ein DFG-analoges Förderverfahren zur Förderung von Grundlagenforschung und Nachwuchsforschern. Die HRK hat sich dafür eingesetzt, auch wegen der gestiegenen Anzahl an EU-Mitgliedsstaaten, eine Kontinuität der Rahmenprogramme sicher zu stellen und administrative Vereinfachungen für den Hochschulsektor einzuführen.


5. Neue Medien,  E-Learning und E-Science


Für den Bereich des E-Learning gilt nach wie vor die Feststellung, dass sich multimediales Lehren und Lernen trotz beeindruckender Einzelergebnisse und eines erheblichen Mitteleinsatzes nur mancherorts etabliert hat. Die Gründe hierfür sind vielschichtig: Zum einen sind zum Teil die Möglichkeiten von E-Learning insbesondere hinsichtlich der vollständigen Substitution klassischer Präsenzlehre überschätzt worden, zum anderen hat sich gezeigt, dass angesichts des hohen Ressourceneinsatzes, der für E-Learning erforderlich ist, geeignete Strategien für verstärkte Kooperation, nachhaltige Strukturen und Geschäftsmodelle entwickelt werden müssen.

Auf der Grundlage dieser Erkenntnis hat die HRK ihre Aktivitäten neu ausgerichtet. Vorrangiges Ziel ist es, an den Hochschulen die jeweiligen IT-Landschaften so zu restrukturieren, dass Ressourcen gebündelt, Redundanzen abgebaut und besonders für E-Learning übergreifende Plattformen geschaffen werden. In diesem Sinn begrüßt die HRK auch, das sowohl fächer- als auch hochschulübergreifende E-Learning-Projekte fördert. Bedauerlicherweise ist der Förderumfang dieses Programms gegenüber seinen Vorgängern deutlich verringert worden. Die HRK hat und wird neue Projekte innerhalb und außerhalb von Förderprogrammen aufmerksam beobachten und, wo es möglich ist, konstruktiv begleiten.

Der Themenbereich "E-Science" ist durch diverse Programme und Aktivitäten geprägt: Im Rahmen der "E-Science-Initiative" stellt das BMBF in den nächsten fünf Jahren erhebliche Mittel über differenzierte Förderprogramme zur Verfügung. Das Programm "E-Science und Grid-Middleware zur Unterstützung wissenschaftlichen Arbeitens" hat die Verbesserung der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit durch die gemeinschaftliche Nutzung verteilter Ressourcen zum Ziel. Während dieses Programm sich in erster Linie an Disziplinen wendet, die vor allem aufgrund ihrer Rechenbedarfe, ihrer starken Digitalisierung und ihrer internationalen Verflechtung Pioniere für E-Science darstellen, erscheint insbesondere das Projekt zur horizontalen Integration der Grid-Middleware von weitreichender hochschulpolitischer Bedeutung.

Ebenfalls im Rahmen der "E-Science-Initiative" fördert das BMBF mit dem Programm "E-Science und vernetztes Wissensmanagement" die wissenschaftliche Kommunikation und die geordnete Strukturierung des vorhandenen Wissens. Ziel ist dabei, Prototypen für einheitliche Strukturen für ein Wissensmanagement von der Recherche bis zur Publikation zu entwickeln. Die HRK erachtet diese Entwicklungsarbeiten als richtungweisend für die künftige Hochschullandschaft. Entsprechend hat die HRK auch die für diesen Bereich wichtige Rahmenbedingung des "Open Access" allein und in Zusammenarbeit mit der Allianz der Wissenschafts­organisationen nachdrücklich unterstützt. Zu verweisen ist hierbei auf die "HRK-Empfehlung zur Neuausrichtung des Informations- und Publikationssystems", die "Berliner Erklärung der Wissenschafts­organisationen" und vielfältige Aktivitäten zur Neuregelung des Urheberrechts, die mit "Open Access" in engem Zusammenhang stehen.

Die HRK misst den Entwicklungen im Bereich "E-Science" große Bedeutung bei und widmet sich intensiv der Begleitung der laufenden Projekte. Parallel hierzu beschäftigt sich die entsprechend der geschilderten neuen Schwerpunktsetzung neu ausgerichtete "Kommission für Neue Medien und Wissenstransfer" zurzeit intensiv mit Strategien zur Entwicklung restrukturierter Informations- und Kommunikationslandschaften in den Hochschulen.


6. Studienreform


6.1 Bologna-Prozess


Im Berichtszeitraum bestimmte der Bologna-Prozess die Reformbemühungen der deutschen Hochschulen im Bereich der Lehre. Durch die Bildungsministerkonferenz in Berlin im September 2003, auf der konkrete Ziele für die folgenden zwei Jahre festgelegt wurden, hat der Prozess auch in Deutschland an Dynamik und Verbindlichkeit gewonnen. Dabei haben sich die beteiligten Staaten drei Prioritäten gesetzt - die Einführung des gestuften Studiensystem, die Anerkennung von Studienleistungen und -abschlüssen und die Qualitätssicherung - und diese drei Prioritäten mit einem Stocktaking-Prozess begleitet. In allen Fachdisziplinen und an allen Hochschulen wurde eine intensive inhaltliche Diskussion angestoßen. Der Bericht "Trends IV" der Europäischen Universitätsvereinigung (EUA), der in diesem Jahre auf der Basis von Interviews mit Hochschulvertretern der Bologna-Unterzeichnerstaaten verfasst wurde, macht deutlich, dass die Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses ein integraler Bestandteil der strategischen Entwicklung der Hochschulen geworden ist. Dies zeigt sich auch in der Diskussion an den deutschen Hochschulen. Dabei ist es der HRK ein besonderes Anliegen, dass sich diese Diskussion nicht in strukturellen und technischen Fragen erschöpft, sondern dass die Chance genutzt wird, eine inhaltliche Reform zu erreichen, in der Studienkonzeptionen kritisch überdacht und gegebenenfalls überarbeitet werden, in der das Konzept der zwei Studienzyklen, die voneinander unabhängig zu eigenständigen Qualifikationen führen, sowie eine stärkere Orientierung am Outcome verfolgt werden.

Damit stehen die Hochschulen jedoch vor einem umfassenden Prozess, der Kapazitäten bindet, Fragen aufwirft und eine hochschulweite Koordinierung erfordert, um eine Neustrukturierung des Studienangebots und eine damit verbundene Qualitätsverbesserung der Lehre erfolgreich zu verwirklichen. Die HRK hat daher im Berichtszeitraum ihre Bologna-Aktivitäten ausgeweitet und den Prozess an den Hochschulen durch das Angebot verschiedener Beratungs- und Informationsdienstleistungen unterstützt. Hierzu wurde im Juli 2004 mit Unterstützung des BMBF die HRK Service-Stelle Bologna ins Leben gerufen. Im Herbst 2004 konnte dieser Bereich mit dem Aufbau des Kompetenzzentrums Bologna ausgeweitet werden.


6.2 Aktivitäten der HRK im Rahmen des Bologna-Prozesses


6.2.1 HRK-Service-Stelle Bologna


Die Service-Stelle Bologna hat am 1. Juli 2004 ihre Arbeit bei der HRK aufgenommen. Sie bietet den Hochschulen und den Fachdisziplinen erstmals eine bundesweite Anlaufstelle für alle Fragen zur weiteren Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses in Deutschland. Die vorhandenen Reformbestrebungen der deutschen Hochschulen sollen dadurch unterstützt werden, dass die Elemente des Bologna-Prozesses wie die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen, ECTS, Diploma Supplement und Modularisierung möglichst koordiniert in  den deutschen Hochschulen umgesetzt werden und der Prozess durch einen intensiven Erfahrungsaustausch effektiv gestaltet wird.

Eine wesentliche Dienstleistung der Service-Stelle ist die Beratung. Es wurde inzwischen eine Vielzahl von Beratungen zum Bologna-Prozess im Allgemeinen sowie zu den einzelnen Reformelementen und fachspezifischen Fragestellungen durchgeführt. An einzelnen Hochschulen, für Arbeitgeber, -verbände und Personalabteilungen führender deutscher Unternehmen fanden Beratungen insbesondere zu den neuen Studiengängen und -abschlüssen statt. Für Studierende, Studieninteressierte und Studienberater in Arbeitsagenturen und an den Hochschulen hat die Service-Stelle bei Veranstaltungen zur Studienwahl die neuen Studiengänge und die Veränderungen zum bisherigen System vorgestellt.

Eine weitere zentrale Aufgabe sind Informationsangebote. Neben der noch im Aufbau befindlichen Internetseite der Service-Stelle (www.hrk-bologna.de) ist vor allem der "Bologna-Reader", eine umfassende Sammlung von Referenztexten und Arbeitshilfen zur Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses, von dem bereits mehr als 13.000 Exemplare von Hochschulleitungen, Studiendekane, Fächervertreter, Studienberatungen, allgemeinen Studierendenausschüssen, akademischen Auslandsämter sowie von Einzelpersonen angefordert wurden. Ein zweiter Teil des Bologna-Readers mit aktualisierten Referenztexten wird derzeit vorbereitet, ebenso wie eine umfangreiche Publikation zur Einführung des Diploma Supplements.

Zur Intensivierung der Reformbestrebungen, zur Unterstützung der praktischen Umsetzung der Reformelemente in den Hochschulen und zur Förderung der fachspezifischen Diskussionen hat die Service-Stelle Bologna seit ihrem Bestehen eine Vielzahl an eigenen fachübergreifenden und fachspezifischen Veranstaltungen durchgeführt. Sie hat ein Netzwerk von Bologna-Koordinatoren der deutschen Hochschulen aufgebaut, um den Informationsfluss zwischen HRK und den Hochschulen sowie unter den Hochschulen zu optimieren. Das Netzwerk bietet den Koordinatoren die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen und "best-practice" Modelle vorzustellen und kennen zu lernen.


6.2.2 Kompetenzzentrum Bologna


Die HRK erweiterte ihre Aktivitäten zur Unterstützung der Hochschulen bei der Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses durch die Planung und den Aufbau eines Kompetenzzentrums Bologna, das mit einer Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Umfang von 4,4 Mio. Euro ermöglicht wurde.

Dies wurde zum Objekt der Auseinandersetzung im Rahmen der Streitigkeiten um die Kompetenzverteilung von Bund und Ländern im Hochschulbereich. Der hessische Ministerpräsident versuchte im Februar 2005 vor dem Bundesverfassungsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung die finanzielle Unterstützung des BMBF für das HRK-Förderprogramm im Rahmen des Kompetenzzentrums Bologna zu verhindern. Ein Erfolg hätte den bundesweiten Reformprozess, den auch das Land Hessen an sich voll mit trägt, unnötig behindert. Der Bund-Länder-Föderalismuskonflikt wurde und wird hier an einer völlig falschen Stelle ausgetragen. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht am 12. April 2005 den Antrag des Landes Hessen einstimmig zurückgewiesen und damit den Weg freigemacht, dass die HRK mit voller Energie die Arbeit voran treiben kann. Es bleibt zu hoffen, dass auch im Hauptsacheverfahren der Antrag der Länder Hessen und Bayern keinen Erfolg hat. Die HRK vertritt mit Nachdruck ihre Überzeugung, dass es sich bei dem Programm nicht um eine Exekutivmaßnahme des Bundes oder um ein Projekt der Länder handelt, sondern um eine Selbsthilfemaßnahme der Mitgliedshochschulen der HRK, für die finanzielle Mittel - auch vom BMBF - eingeworben werden konnten, ohne die Gestaltungsräume der Länder in unzulässiger Weise zu tangieren.

Das Kompetenzzentrum ist drei Aktionslinien tätig:

Ausgewählte Hochschulen werden bei einer möglichst umfassenden Umsetzung der Bologna-Reformen durch die Entsendung eines HRK Bologna-Beraters wirkungsvoll zu unterstützen. Die Bologna-Berater haben die Aufgabe, den Reformprozess innerhalb der Hochschule organisatorisch und koordinierend zu begleiten und die Fachbereiche inhaltlich zu beraten und zu unterstützen. Dabei obliegt dem Berater in der Hochschule vor allem die Verzahnung und Koordination der Einzelaktivitäten, die Rückbindung an nationale und internationale Erfahrungen sowie die Evaluation des Prozesses. Die Berater werden von der HRK in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum und der Service-Stelle Bologna geschult und für zwei Jahre den ausgewählten Hochschulen zur Beratung vor Ort zur Verfügung gestellt. 127 Hochschulen reagierten auf die Ausschreibung der HRK, die im Oktober 2004 veröffentlicht wurde. Eine international besetzte Gutachtergruppe wählte 20 Hochschulen aus, die durch die Entsendung eines Beraters unterstützt werden sowie vier weitere, die durch Sachmittel gefördert werden. Die Bologna-Berater nahmen in der Zeit vom 1. April bis zum 1. Juni 2005 ihre Arbeit an den jeweiligen Hochschulen.


Die zweite Aktionslinie sind Vernetzungsaktivitäten, Evaluation und Auswertung des Prozesses sowie Strategieentwicklung. Die Vernetzung der Reformvorhaben hat das Ziel, zu Benchmarks für die Durchführung zu kommen und best-practice-Modelle vorstellen zu können. Das Projekt unterliegt einer begleitenden Evaluation der prozessualen und institutionellen Implementierung des Bologna-Prozesses an den deutschen Hochschulen. Durch diese Begleitung können Erfolge und Schwierigkeiten der Studienreform benannt, an einer zentralen Stelle zusammengeführt und auch mit Blick auf die internationalen Entwicklungen ausgewertet werden. Auf der Basis dieser Evaluationsergebnisse möchte die HRK eine klare strategische Positionierung der Hochschulen im weiteren Prozess erreichen. Darüber hinaus sollen die Hochschulen durch die Erarbeitung einer gemeinsamen Strategie in die Lage versetzt werden, die Weiterentwicklung des Europäischen Wissenschaftsraums aktiv mitzugestalten.


Zum dritten soll das Projekt das Beratungsangebot intensivieren und ausweiten und die Arbeit der Service-Stelle Bologna bei der HRK ergänzen. Die dort bereits aufgebaute Informationsinfrastruktur bildet für die weiteren Aktivitäten eine notwendige Grundlage. Das Angebot einer zentralen Informationsstelle wird sehr positiv aufgenommen. Die Publikation des Bologna-Readers wie auch das Angebot der Einzelberatung und der Vermittlung von Referenten für Veranstaltungen sind auf große Nachfrage gestoßen. Das Kompetenzzentrum Bologna unterstützt bei diesen Aktivitäten die Service-Stelle Bologna.


6.3. Wissenschaftliche Weiterbildung


Die Bedeutung der wissenschaftlichen Weiterbildung an deutschen Hochschulen ist nach wie vor unbefriedigend gering. Dies liegt vor allem in den ungünstigen Rahmenbedingungen, deren Ursachen größtenteils auf Bestimmungen von vielen Landeshochschulgesetzen zurückzuführen sind. Diese Ursachen hat die HRK in ihren gemeinsamen Empfehlungen mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) aus dem Jahr 2003 benannt. Sie betreffen vor allem das öffentliche Dienst-, Besoldungs- und Haushaltsrecht, den Mangel an monetären Anreizen für Hochschulen, die schlechte Einbindung von Weiterbildungsleistungen der Dozenten in das Angebot der eigenen Hochschulen, das Fehlen kundenorie