Professionalisierung als Leitungsaufgabe


Entschließung des 202. Plenums der HRK vom 8.6.2004



Zusammenfassung

Das Hochschulsystem ist durch einen tiefgreifenden Wandel gekennzeichnet. Die Entwicklung der Wissensgesellschaft, die immer schnellere Fortentwicklung der Disziplinen, die zunehmende Dominanz des Wettbewerbs als ordnendes Prinzip und schrumpfende Haushalte bei gleichzeitig durch Gesetz wachsenden Gestaltungsspielräumen erfordern als Antwort die Professionalisierung der Leitung der Expertenorganisation Hochschule. Die Komplexität der hochschulinternen Prozesse und der Steuerungsprozesse zwischen Staat und Hochschule ist mit den herkömmlichen Steuerungsmöglichkeiten nicht zu bewältigen.


Hochschulen müssen sich als Institution in die Lage versetzen, unter den neuen Rahmenbedingungen erfolgreich handeln zu können; das bedeutet heute in erster Linie strategisch zu handeln und eigenverantwortlich zu gestalten. Hierfür müssen die Leitungs-, Willensbildungs- und Entscheidungsstrukturen sowie die Qualifikationen für das Leitungspersonal angepasst werden. Strategisches Handeln bedarf besonderer Kompetenzen und Qualifikationen der Leitungspersonen und kann nur in Strukturen gelingen, die auf strategische Gestaltung statt auf Verwaltung und Vollzug, auf Steuerung und Leitung statt auf Aggregation von Einzelinteressen ausgerichtet sind. Zur Erfüllung dieser Anforderung bedarf es der Professionalisierung der Entscheidungsträger Professionalisierung muss dabei nicht als "Verberuflichung" im engen Sinne verstanden werden.


In erster Linie geht es einerseits um die Ausgestaltung der Leitungsstrukturen und andererseits um die (berufsbegleitende) Qualifizierung des Leitungspersonals. Struktur und Organisation der Hochschulen müssen geeignet sein, die verschiedenen Funktionen der Hochschule zu stärken, das Spannungsverhältnis des Doppelcharakters der Hochschule als Korporation und Institution produktiv aufzulösen und Entscheidungen effizient herbeizuführen und umzusetzen.Für die Organisation effizienter Leitungs- und Entscheidungsprozesse gelten die Prinzipien der Funktionalität und Legitimation. Grundlegende Strukturelemente sind dabei:

  • Trennung und unzweifelhafte Zuordnung von Kompetenzen nach Aufsicht, operative Leitung und Durchführung.
  • Zuordnung von Entscheidungsbefugnissen bei den für die jeweiligen Prozesse ausgewiesenen Experten.
  • Koppelung von Entscheidungsbefugnis und persönlicher Verantwortung.
  • Integration der Hochschulmitglieder in die Entscheidungsprozesse.
  • Doppelte Legitimation der Inhaber von Leitungsfunktionen.

Nach diesen Strukturelementen sind die Leitungsstrukturen von Hochschulen angewandt zu gestalten und die Kompetenzen in klarer Abgrenzung zwischen den Organen zu ordnen:

  • Hochschulleitung als Leitungs- und Entscheidungsgremium der Hochschule.
  • Aufsichtsgremium aus externen Mitgliedern zusammengesetzt.
  • Zentrales Kollegialorgan als beratendes Organ der Hochschulleitung.

Entsprechende Regelungen sind für die Fakultäts- oder Fachbereichebene vorzusehen. Der Doppelcharakter der Hochschule als Betrieb und Korporation verlangt von den Inhabern zentraler Leitungsfunktionen eine nur durch Ausbildung und Erfahrung erlangbare doppelte Qualifikation: sie müssen die Funktionsbedingungen von Wissenschaft aus Erfahrung kennen und zugleich über umfassende Managementkompetenz verfügen.


Professionalisierung als Leitungsaufgabe


1. Einleitung


Hochschulen erzeugen, vermitteln und bewahren Wissen.
Dieser Auftrag hat sich im Prinzip in den über 800 Jahren seit Gründung der ersten Universitäten nicht gewandelt. In der intellektuell befruchtenden Begegnung von Lehrenden und Lernenden, in der Freiheit des wissenschaftlichen Diskurses liegt das Wesen der Hochschule begründet. Die Freiheit zur Gestaltung der Prozesse in den Hochschulen ist daher eine Voraussetzung für die Erfüllung des Auftrags. Typisches Merkmal dieses traditionellen Hochschulsystems ist der Wettbewerb der Forscher um Reputation.In Anlehnung und Fortentwicklung der Humboldtschen Universitätsreformen im frühen 19. Jahrhundert waren organisatorische Regelungen und Leitungsstrukturen der Hochschulen bis Ende der Achtzigerjahre gekennzeichnet vom Dualismus zwischen

  • dem Prinzip der "Wissenschaftsfreiheit", als dessen Konsequenz den Lehrenden und Forschenden die wichtigsten Entscheidungskompetenzen in akademischen Fragen in der Hochschule zustanden und
  • dem Prinzip der staatlichen Bereitstellung und Verwaltung der für Lehre und Forschung erforderlichen Ressourcen.


Durch diese Arbeitsteilung zwischen Hochschulen und alimentierendem Staat entwickelte sich mit Beginn der Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts ein angesichts der Rahmenbedingungen und Aufgabenstellung der Hochschulen hochfunktionales korporatives System der Hochschulorganisation und -steuerung.


Dieses System leistete einen erheblichen Beitrag zur "Erfolgsgeschichte" deutscher Hochschulen im 20. Jahrhundert, in denen der wissenschaftliche Erfolg der Professoren nahezu gleichzusetzen war mit dem Erfolg der Hochschulen selbst. Zwar besitzt diese (stark verkürzte) Aufgabenbeschreibung im Prinzip auch heute noch Gültigkeit. Spätestens seit den Achtzigerjahren verändern sich jedoch die Rahmenbedingungen, in denen die Hochschulen agieren und sich entwickeln, tief greifend. Diese Entwicklungen beeinflussen auch Aufgabenstellung und Funktionsweise der Hochschulen.


2. Hochschulen im Wandel: Neue Herausforderungen und veränderte Rahmenbedingungen


2.1 Entwicklung der Wissensgesellschaft


Entstehung und Entwicklung der Wissensgesellschaft werden von den Hochschulen wesentlich vorangetrieben. Gleichzeitig verändern sich die Anforderungen an die Hochschulen und die Aufgaben der Hochschulen: Zur Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses tritt die akademische Ausbildung schnell wachsender Anteile der Alterskohorten für sich zunehmend differenzierende Berufsfelder. Zur langfristigen Grundlagenforschung tritt die kurzfristige Forschung als ökonomischer Impulsgeber. In der sich entwickelnden "Wissensgesellschaft" wandeln sich Aufgabenstellungen und Rahmenbedingungen der Hochschule. Wirtschaft und Politik, die Gesellschaft allgemein, begnügen sich nicht mehr mit der Alimentierung von Forschung und Lehre gemäß einem traditionellen Hochschulverständnis.


Dies resultiert aus veränderten Anforderungen an Lehre, Forschung und Dienstleistung: In der sich entwickelnden Wissensgesellschaft beruhen zum einen die Chancen des Einzelnen zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Teilhabe wesentlich auf Wissen und Bildung. Zum anderen besteht ein enger, sogar ein kausaler Zusammenhang zwischen den Leistungen der Gesellschaft als Ganzer in Bildung und Wissenschaft und ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Hochschulen als die wichtigsten Zentren zur Erzeugung und Vermittlung von Wissen sind die wesentlichen Triebkräfte für die Entstehung und Entwicklung der Wissensgesellschaft. Begleitet und verstärkt wird diese Entwicklung durch eine enorme Expansion und durch die Diversifikation des Hochschulsystems seit den Siebzigerjahren.


In Deutschland stieg der Anteil der Studierenden an einem Geburtsjahrgang von etwa fünf Prozent zu Beginn der Sechzigerjahre auf rund 30 Prozent Ende der Neunzigerjahre und führte somit zu einer Verzehnfachung der Studierendenzahlen. Ein weiteres Ansteigen ist zu erwarten. Wenngleich ein proportionales Wachstum der Stellen im wissenschaftlichen, künstlerischen und Verwaltungsbereich nicht stattfand und daraus vor allem erhebliche Defizite in der Lehre resultieren, entwickeln sich die Hochschulen insgesamt zu diversifizierten Großinstitutionen.


Gleichzeitig und durch das quantitative Wachstum teilweise bedingt verändert sich das Hochschulsystem auch qualitativ, denn je größer der Anteil der Studierenden an einem Geburtsjahrgang ist, umso differenzierter muss das Angebot an Studienmöglichkeiten sein. Hochschulen bilden nicht mehr nur die Führungskräfte für Wirtschaft und Gesellschaft sowie den Forschernachwuchs aus, sondern einen wesentlichen Teil der Berufstätigen. Das heißt, dass neben die Aufgabe der Vermittlung einer möglichst umfassenden akademischen Bildung für Führungskräfte und Forscher die Aufgabe der Ausbildung für hochqualifizierte Berufstätigkeiten in Berufsfeldern getreten ist, die früher keine Hochschulausbildung erforderten oder die es erst seit wenigen Jahren gibt.


In der Forschung werden vom Hochschulsystem zunehmend Ergebnisse erwartet, die zeitnah und unmittelbar als wirtschaftliche Impulsgeber wirken. In der Forschungsförderung drückt sich dies im Übergang zur Programmforschung aus, in der Förderung von Industriekooperationen, in kürzeren und anwendungsorietierten Förderprogrammen.


2.2 Entwicklung der wissenschaftlichen Disziplinen


Im Zuge sich immer schneller verändernder Wissenschaftsdisziplinen werden Forschungsvorhaben zunehmend quer zu den traditionellen Disziplinen durchgeführt. Auch die Lehre orientiert sich immer weniger an traditionellen disziplinären Einheiten und mehr an sich diversifizierenden Berufsfeldern. Diese Entwicklung trifft auf hochschulinterne Organisationsformen, die sich noch weitgehend an den traditionellen wissenschaftlichen Disziplinen orientieren. Hochschulen müssen strukturell in der Lage sein, die Entwicklung der wissenschaftlichen Disziplinen wesentlich mitzubestimmen und in der Lehre nachzuvollziehen.


Traditionelle wissenschaftliche Disziplinen entwickeln und verändern sich mit immer höherer Geschwindigkeit; zum Teil lösen sie sich sogar auf, und neue Disziplinen entstehen. Dieser Prozess wirkt sich auf Forschung und Lehre unterschiedlich aus. In der Forschung führt diese Entwicklung zunehmend zu punktuellen oder längerfristigen interdisziplinären Kooperationen. In der Lehre führt dies zu einer zunehmenden Entkoppelung von Disziplin und akademischer Ausbildung, da sich die Studiengänge weniger an wissenschaftlichen Disziplinen als an bestimmten beabsichtigten Qualifikationsprofilen der Absolventen orientieren.


Während die Lehre in solchen Studiengängen gewissermaßen zu Kooperation in der Lehre zwingt, ist die Kooperation in der Forschung ein zwar förderliches aber nicht zwingendes Mittel zur Schwerpunktsetzung.Dieser dynamische Prozess trifft auf hochschulinterne Organisationsprinzipien, die in erster Linie auf das Funktionieren disziplinärer Einheiten ausgerichtet sind. Disziplinär ausgerichtete Fakultäten mit ihren institutionellen Eigeninteressen behindern oftmals eher die organisatorische Unterstützung von Forschung und Lehre in ihren unterschiedlichen Entwicklungsrichtungen und vor allem über Fachgrenzen hinaus. Für dynamische Veränderungsprozesse müssen daher funktionale Lösungen gefunden werden, die diese Prozesse nicht behindern, sondern hinlänglich flexibel sind, um diese vorantreiben und gestalten zu können.


2.3 Wettbewerb und Profilbildung


Außen- und Binnenverhältnis der Hochschulen werden zunehmend durch Wettbewerb um Ressourcen und Reputation gekennzeichnet. Um im Wettbewerb erfolgreich zu sein, müssen Hochschulen ein spezifisches Profil entwickeln. Hochschulen agieren heute auf einem mehr und mehr wettbewerblich organisierten nationalen und internationalen Bildungsmarkt. Sie konkurrieren um Studierende und Lehrende, um staatliche Finanzierung und Drittmittel, nicht zuletzt um Reputation. Die in der Vergangenheit im deutschen Hochschulsystem kultivierte Fiktion der Existenz vieler, in Niveau und Ausrichtung im Wesentlichen ähnlicher und nur durch die Unterscheidung zweier Hochschularten horizontal differenzierter Hochschulen, ist durch den Wettbewerbsgedanken abgelöst worden.


Heute stellt sich einer Hochschule die Aufgabe, im Wettbewerb, sei es regional, national oder international, eine möglichst gute Position zu erreichen. Das Prinzip der Harmonisierung kann daher nicht mehr handlungsleitend für die Entwicklung der Hochschulen sein. Stattdessen müssen sie ein spezifisches Profil entwickeln. Dieses drückt sich vor allem in den Schwerpunkten in Forschung und Entwicklung aus und wird in der Lehre entsprechend umgesetzt. Innerhalb dieses Profils sind die einzelnen Lehrenden und Forschenden frei im Hinblick auf die inhaltliche Ausfüllung der Denomination ihrer Professur.


2.4 Schrumpfende Haushalte und wachsende Gestaltungsspielräume


Durch Anwendung des "Neuen Steuerungsmodells" auf die Hochschulen erhalten die Hochschulen zunehmend eigenständige Kompetenzen bis hin zu Teilautonomie. Daher sind Gestaltung und Steuerung, nicht Verwaltungsvollzug Kernaufgaben der Hochschulleitung. Spätestens seit Ende der Neunzigerjahre wandelt sich die Aufgabenstellung der Hochschule als Institution grundlegend. Grund ist die zunehmende Verlagerung von Steuerungskompetenzen von der Ministerialbürokratie auf die Hochschulen in Verbindung mit der Pflicht zu umfassender Rechenschaftslegung. Die Institution Hochschule als eigenständiger Akteur gewinnt erheblich an Bedeutung, neben den oder statt der bisherigen Akteure in den Kernprozessen Lehre und Forschung, der Wissenschaftler.


Die auf die einzelnen wissenschaftlichen Substrukturen der Hochschulen ausgerichtete staatliche Detailsteuerung weicht einer Globalsteuerung, die sich auf die Hochschule als Institution richtet, während die Detailsteuerung nun innerhalb der Hochschulen und von diesen eigenständig geleistet werden muss.In der deutschen Hochschulpolitik werden damit grundlegende Reformen in der öffentlichen Verwaltung nachvollzogen, die in vielen anderen europäischen und westlichen Industriegesellschaften bereits seit Ende der Siebzigerjahre mit den Konzepten des "Public Management" oder "New Public Management" durchgesetzt wurden. Diese Entwicklung verläuft vor dem Hintergrund der dramatischen Unterfinanzierung des deutschen Hochschulsystems seit den Achtzigerjahren. Außerdem führt die Finanzkrise des modernen Vorsorgestaates zu heftiger Konkurrenz um die knappen Steuermittel. Genau wie die Ausgaben in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung unterliegen auch die Ausgaben für Bildung und Wissenschaft einer verstärkten Kosten-Nutzen-Kontrolle.


Im Binnenverhältnis der Hochschulen resultiert aus dieser Entwicklung eine Neujustierung der Rollen von Wissenschaftlern und Hochschulen als Institution. Der Wettbewerb der einzelnen Wissenschaftler um Reputation und um vorteilhafte Bedingungen zur individuellen wissenschaftlichen Selbstverwirklichung wird um einen institutionellen Wettbewerb ergänzt, der eine strategisch handelnde Hochschulleitung erfordert. Denn die Hochschulen müssen zunehmend die Erfolgsbedingungen der Arbeit ihrer Mitglieder selbst gewährleisten, indem sie

  • ihre Ressourcen effizient einsetzen
  • ihre Attraktivität für leistungsfähige Studierende, Wissenschaftler und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter steigern
  • ihre Position auf den Bildungsmärkten zu verbessern suchen
  • ihre Einkommensquellen zu diversifizieren versuchen
  • ihre interne Flexibilität erhöhen
  • Leistung und Innovation fördern und Nichtleistung oder Desinteresse gegenüber den Zielen der Institution bestrafen.

Diese Entwicklung verschafft den Hochschulen erheblich erweiterte Handlungs- und Gestaltungsspielräume und verlangt von ihnen eine zusätzliche und grundsätzlich neue Kompetenz: das strategische Handeln nach außen und innen. Die institutionelle Handlungsfähigkeit der Expertenorganisation Hochschule steht dabei in einem immanenten Spannungsverhältnis zur Autonomie der Wissenschaftler, deren individuelle Interessen nicht ohne weiteres mit den institutionellen Interessen der Hochschulen zusammenfallen.


2.5 Fazit: Beharren oder Fortentwicklung


Die überkommene Struktur der Hochschulen ist unter diesen veränderten und sich weiter verändernden Rahmenbedingungen nicht mehr funktional. In der Auseinandersetzung mit diesen Veränderungen haben die Hochschulen grundsätzlich zwei Reaktionsmöglichkeiten:

  • Verteidigung und Beibehaltung des traditionellen Systems der Hochschulsteuerung und -verwaltung
  • Stärkung der institutionellen Handlungsfähigkeit durch Weiterentwicklung des Verhältnisses zwischen Institution und Korporation.

Die Hochschulrektorenkonferenz plädiert dafür, diese Herausforderung anzunehmen und das neue System der Hochschulsteuerung und -leitung mitzugestalten. Mit der vorliegenden Entschließung konkretisiert sie die Empfehlung des 183. Plenums vom 10. November 1997 und entwickelt sie weiter. Dabei sind folgende Prinzipien grundlegend:

  • Gestaltendes Prinzip in der Hochschulsteuerung ist der Wettbewerb.
  • Die Steuerung der Hochschulen und des Hochschulsystems erfolgt nach Leistungskriterien, d. h. die in der Wissenschaft erbrachten Leistungen sind maßgeblich für den Ressourceneinsatz, Schwerpunktbildungen und andere Entscheidungen. Die setzt eine Definition der Leistungsparameter voraus. Hochschulen sind als Konsequenz wachsender Autonomie in umfassendem Maße gegenüber der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtig.

3. Professionalisierung der Expertenorganisation


Hochschule als Antwort auf den Wandel


Veränderte Aufgabenstellungen und Rahmenbedingungen, veränderte Gestaltungsspielräume erfordern professionelle Leitung. Aus dem sich diversifizierenden Aufgabenspektrum der Hochschule resultiert zunächst die Forderung an den Staat, den Hochschulen die rechtlichen Rahmenbedingen dafür zu schaffen, dass sie den an sie gerichteten Anforderungen gerecht werden können. An die Hochschulen richtet sich die Forderung, sich als Institution in die Lage zu versetzen, unter den neuen Rahmenbedingungen erfolgreich handeln zu können.


Dies führt zur Forderung nach Anpassung der Leitungs-, Willensbildungs- und Entscheidungsstrukturen sowie der Qualifikationen für das Leitungspersonal. Die Komplexität, die sich aus einem ausdifferenzierten Hochschulsystem mit einer großen Vielfalt von Studienangeboten und Forschungsaktivitäten, einem ebenfalls ausdifferenzierten weiteren Dienstleistungsangebot sowie einer ebenfalls äußerst differenzierten Nachfrage ergibt, ist mit den herkömmlichen Steuerungsmöglichkeiten nicht zu bewältigen. Leitungsstrukturen sowie Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse müssen die Handlungsfähigkeit der Hochschule als Gesamtorganisation gewährleisten. Strategisches Handeln bedarf anderer Kompetenzen und Qualifikationen der Leitungspersonen und kann nur in Strukturen gelingen, die auf strategische Gestaltung statt auf Verwaltung und Vollzug, auf Steuerung und Leitung statt auf Aggregation von Einzelinteressen und deren Repräsentation nach außen ausgerichtet sind.


Zur Erfüllung dieser Anforderung bedarf es der Professionalisierung der EntscheidungsträgerProfessionalisierung muss dabei nicht als "Verberuflichung" im engen Sinne verstanden werden. In erster Linie geht es einerseits um die Ausgestaltung der Leitungsstrukturen, die "professionelle" Leitungstätigkeit ermöglichen müssen, und andererseits um die (berufsbegleitende) Qualifizierung des Leitungspersonals für diese Tätigkeiten. Bei der Reform von Leitungsstruktur und Qualifizierung ist die Eigenart der Hochschulen als Expertenorganisationen zu berücksichtigen. Hochschulen führen eine Vielzahl von gleichrangigen, aber auf unterschiedlichen Gebieten ausgewiesene Experten unter einem Dach zusammen.


Diese Eigenart verbietet die Übernahme von Leitungsmodellen aus der Wirtschaft. Hochschulen sind vergleichsweise lose gekoppelte Organisationen. Auch die Prinzipien des New Public Management sind daher auf Hochschulen nur eingeschränkt anwendbar. Denn Stab-Linien-Organisationen, wie sie für Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungseinrichtungen typisch sind, eignen sich allenfalls für die zentralen Hochschulverwaltungen. Die zentralen, identitätsbestimmenden Prozesse an Hochschulen, Lehre und Forschung, sind in solche Organisationsformen in der Regel nicht integriert. Die Organisation der Hochschulen muß die zentrale Bedeutung der Wissenschaftler für die erfolgreiche Gestaltung der zentralen Prozesse Lehre und Forschung, die ohne weitgehende Freiheit in der Tätigkeit nicht denkbar ist, berücksichtigen. Aus diesen Grundüberlegungen folgt die Forderung nach unterschiedlicher Professionalisierung der Entscheidungsträger auf den verschiedenen Funktionsebenen.


Der eingangs dargestellte Dualismus zwischen dem Prinzip der Freiheit der Wissenschaft und der staatlichen Verwaltung stellt sich angesichts der veränderten Rahmenbedingungen heute anders dar. Dem Prinzip der 1. Individuellen Autonomie, mithin der "Wissenschaftsfreiheit", als deren Konsequenz den Lehrenden und Forschenden die wichtigsten Entscheidungskompetenzen innerhalb der Hochschule zustehen, steht das Prinzip der 2. institutionellen Autonomie mit einer funktionalen Trennung von Kompetenzen in Forschung und Lehre einerseits, Management andererseits, gegenüber.


4. Professionalisierung konkret: Prozesse - Strukturen - Qualifikationen


4.1 Prozesse


Kernprozesse und Unterstützungsprozesse sind gleichermaßen bedeutend. Die Tätigkeiten in einer Hochschule lassen sich im Wesentlichen in zwei Bereiche teilen, die Kernprozesse und die so genannten Unterstützungsprozesse. Kernprozesse sind nach dieser Unterscheidung in erster Linie Forschung bzw. Entwicklung und Lehre. Beide dienen der Erzeugung von Wissen und dem Transfer des Wissens in die Gesellschaft. Die Kernprozesse können nur erfolgreich gestaltet werden, wenn eine Reihe unterschiedlicher Unterstützungsprozesse funktionieren.


Hierzu gehören insbesondere Budgetierung, Personalverwaltung und -entwicklung, Facility-Management, interne (und externe) Kommunikationsprozesse, Studierendenverwaltung, Studienberatung etc. Ausführende in beiden Prozessen sind, abgesehen von Überschneidungsbereichen vor allem in der Studienberatung, weitgehend unterschiedliche Personengruppen, die Forscher und Hochschullehrer einerseits, Verwaltungspersonal andererseits. Gemeinhin werden Unterstützungsprozesse als den Kernprozessen nachrangig betrachtet. Durch die erweiterten Gestaltungsspielräume der Hochschulen verändern sich jedoch zum einen der Charakter der Unterstützungsprozesse und das Verhältnis der beiden Prozessarten zueinander, zum anderen treten eine Reihe weiterer Prozesse hinzu.


Da es in den Unterstützungsprozessen nicht mehr nur um den Vollzug externer Vorgaben geht, sondern beispielsweise im Rahmen der Profilbildung durch Schwerpunktsetzung in Forschung und Lehre um die eigenständige - interne - Schaffung der notwendigen personellen und sächlichen Voraussetzungen, sind beide Prozessarten heute weniger voneinander zu trennen als früher.


Noch mehr als früher werden Unterstützungsprozesse zu notwendigen Bedingungen für die Realisierung der Kernprozesse. Hochschulen gestalten Forschung und Lehre nur dann erfolgreich, wenn die beiden Prozessarten als im Kern miteinander verbunden angesehen werden und die in ihnen handelnden Akteure miteinander kooperieren.


Dasselbe gilt für die neu hinzutretenden Prozesse. Strategische Planung, Evaluation als Mittel der Qualitätsentwicklung, Personalentwicklung etc. sind Prozesse, die nicht in erster Linie von den Wissenschaftlern gesteuert werden, obwohl sie notwendige Voraussetzungen für den Erfolg ihrer Tätigkeit sind.In der wirksamen engen Verzahnung von Kern- und Unterstützungsprozessen liegt eine wichtige Vorbedingung erfolgreicher Hochschulsteuerung.


4.2 Strukturen


Struktur und Organisation der Hochschulen müssen geeignet sein, die verschiedenen Funktionen der Hochschule zu stärken, das Spannungsverhältnis des Doppelcharakters der Hochschule als Korporation und Institution produktiv aufzulösen und Entscheidungen effizient herbeizuführen und umzusetzen.Für die Organisation effizienter Leitungs- und Entscheidungsprozesse sind die Prinzipien Funktionalität und Legitimation grundlegend.

  • Funktionalität: Hochschulen mit wachsender institutioneller Autonomie müssen über Strukturen verfügen, die eine effektive Erledigung der Aufgaben unter den Bedingungen der erweiterten Gestaltungsspielräume der Institution Hochschule ermöglichen. Das bedeutet vor allem, sie müssen funktional mit Blick auf die unterschiedlichen Ziele - und daraus abgeleitet die unterschiedlichen organisatorischen Notwendigkeiten - in Forschung und Lehre sein. Grundsätzlich gilt: Die Strukturen müssen die institutionelle Handlungsfähigkeit der Hochschule stärken.
  • Legitimation: Entscheidungsrechte müssen unter den spezifischen Bedingungen der Expertenorganisation Hochschule durch Wahl- bzw. Ernennungsverfahren legitimiert sein; sie müssen zu individueller Verantwortung für die einzelne Entscheidung führen. Die Legitimation von Entscheidungshandeln leitet sich vom Legitimationsstrang Parlament, Ministerium und /oder Aufsichtsorgan, Kollegialorgan - je nach Ebene des Entscheidungshandelns.

Aus beiden Prinzipien resultiert als Anforderung an die Strukturen der Hochschulen: Eine moderne Hochschule muss durch Strukturen gekennzeichnet sein, die sie selbst in die Lage versetzen, Entscheidungen effizient herbeizuführen und umzusetzen. Im Sinne der erforderlichen Handlungsfähigkeit der Institution Hochschule gilt es dabei, das Spannungsverhältnis zwischen der erforderlichen Handlungsfähigkeit der Hochschulen und der individuellen Autonomie der Lehrenden und Forschenden produktiv zu lösen und somit Entscheidungen über den kleinsten gemeinsamen Nenner hinaus zu ermöglichen. Grundlegende Strukturelemente sind:

  • Trennung und unzweifelhafte Zuordnung von Kompetenzen nach Aufsicht, operative Leitung und Durchführung. Entscheidend für das effiziente Zusammenwirken aller Verantwortlichen für den Lehr- und Studienprozess ist die enge Koppelung von Entscheidungsbefugnis und persönlicher Verantwortung auf der jeweiligen Zuständigkeitsebene.

  • Zuordnung von Entscheidungsbefugnissen bei den für die jeweiligen Prozesse ausgewiesenen Experten. Funktionalität erlangt die Expertenorganisation Hochschule, wenn Entscheidungen von Experten gefällt werden. Lehrende und Forscher entscheiden über Leistungen in Forschung und Lehre. Die Entscheidungskompetenz für Supportprozesse wie Zuweisung von Ressourcen, Tätigkeiten der Bauverwaltung etc. ist hiervon funktional zu trennen, wenngleich die hierfür zuständigen Manager ebenfalls Lehrende und Forscher sind oder sein können.

  • Koppelung von Entscheidungsbefugnis und persönlicher Verantwortung. Die Übernahme persönlicher Verantwortung impliziert, dass sich Erfolg und Misserfolg nicht nur im Erhalt oder Verlust von Entscheidungsbefugnis und Prestige, sondern auch finanziell auswirken sollten. Nur so gelingt die notwendige Koppelung von institutionellem und individuellem Erfolg.

  • Integration der Hochschulmitglieder in die Entscheidungsprozesse. Der Charakter der Hochschule als Expertenorganisation verlangt nach hinlänglichen Partizipationsmöglichkeiten für die Hochschulmitglieder. Dies ist zu allererst eine kommunikative Herausforderung. Denn auch wenn Entscheidungsbefugnisse den jeweiligen Experten zugewiesen werden, durchdringt Leitungshandeln alle Ebenen und Prozesse der Hochschule. Daher müssen Strukturen und Prozesse etabliert werden, welche die Berücksichtigung der unterschiedlichen Kompetenzen ermöglichen. Die Hochschulleitung benötigt institutionell vorgesehene und abgesicherte Beratung, um durch die Integration des Expertenwissens aus der Hochschule ihre Entscheidungskompetenzen sachgerecht nutzen zu können. Von herausragender Bedeutung hierfür ist die Entwicklung einer Kommunikationskultur, die gewährleistet, dass die in der Hochschule vorhandene Kompetenz zur Entscheidungsvorbereitung maximal genutzt und die Entscheidungsgründe transparent gemacht werden. Die von Repräsentanten der verschiedenen Funktionsgruppen der Hochschulmitglieder besetzten Gremien sind wichtige Plattformen für diese Kommunikation.

  • Doppelte Legitimation der Inhaber von Leitungsfunktionen. Um dem Doppelcharakter der Hochschule in ihrer unternehmerischen Funktion auf der einen und ihrem korporativen Rollenverständnis auf der anderen Seite Rechnung zu tragen, bedürfen die Entscheidungsträger der doppelten Legitimation: sie werden von den Betroffenen ihrer Entscheidungen (direkt oder indirekt) gewählt und von den jeweiligen Aufsichts- oder übergeordneten Instanzen (Hochschulleitung, Hochschulrat und/oder Ministerium) bestätigt. Für die grundlegenden organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen gilt dies mit der Einschränkung, dass sie nach Beratung mit den Vertretungsgremien durch die Hochschulleitung erlassen und von der (den) Aufsichtsinstanz(en) bestätigt werden müssen. Die Gestaltung der Strukturen in Anlehnung an diese Kernelemente kann variieren. Sie soll es auch, um den jeweiligen Besonderheiten einer Hochschule Rechnung tragen zu können. Prinzipiell hat die Verwirklichung dieser "Spielregeln" Vorrang gegenüber der Etablierung einer uniformen Hochschulorganisation.

Von zentraler Bedeutung für die Ausgestaltung der hochschulinternen Strukturen und Kompetenzen ist das landesgesetzlich geregelte Verhältnis zwischen Staat und Hochschule, vor allem die Ausgestaltung der Aufsichtsfunktion. Hier bietet die aktuelle Gesetzeslage in den Ländern eine Spannweite von "traditioneller" unmittelbarer Fach- und Rechtsaufsicht durch das Ministerium über die Wahrnehmung der staatlichen Aufsicht über Hochschulräte, an dessen Zusammensetzung die Ministerien in unterschiedlicher Intensität beteiligt sind, bis hin zur Wahrung der Aufsicht mittels Zielvereinbarungen.


Hiervon hängt insbesondere die Stellung der inzwischen in den meisten Ländern etablierten Hochschulräte ab. Zum Teil haben die Hochschulräte die Funktion von hochschulexternen Aufsichtsgremien, die dann zumindest teilweise vom Ministerium beschickt werden, zum Teil sind sie eher hochschulinterne Beratungs- oder Steuerungsgremien. Allerdings ist eine Vermischung von Aufsichts- und operativer Steuerungsfunktion dysfunktional und sollte daher vermieden werden.


Auf die Leitungsstrukturen von Hochschulen angewandt bedeutet dies:


Hochschulleitung


Die Hochschulleitung ist das Leitungs- und Entscheidungsgremium der Hochschule. An der Wahl der Hochschulleitung sind der Hochschulrat und das zentrale Kollegialorgan beteiligt. Die Hochschulleitung wird durch das zentrale Kollegialorgan beraten.


Aufsichtsgremium


Das zentrale Aufsichtsgremium beaufsichtigt die Hochschulleitung und wirkt an deren Wahl mit. Es setzt sich aus externen Mitgliedern zusammen, an deren Bestellung der Staat und die Hochschule beteiligt sind.


Zentrales Kollegialorgan


Das zentrale Kollegialorgan berät die Hochschulleitung und ist an ihrer Wahl beteiligt. Es entscheidet über alle akademischen Angelegenheiten und Berufungslisten.


Fakultäts- oder Fachbereichsleitung


Die Gliederung der Hochschule in Fakultäten, Fachbereiche, Departments, Institute etc. ist Angelegenheit der Hochschule. Für die strukturelle Ausgestaltung und Eingliederung in die Gesamtstruktur gelten dieselben Prinzipien wie für die Hochschule. An der Wahl der Fakultäts- oder Fachbereichsleitung sind das Kollegialorgan der Fakultät bzw. des Fachbereichs und die Hochschulleitung beteiligt. Sie ist das zentrale Entscheidungsorgan der Fakultät bzw. des Fachbereichs und wird vom Kollegialorgan beraten, das darüber hinaus über alle akademischen Angelegenheiten entscheidet. Die Hochschulleitung fungiert als Aufsichtsgremium.


4.3 Qualifikationen


Leitungspersonen an Hochschulen müssen ein breites Qualifikationsprofil vorweisen: Sie müssen führen und unternehmerisch handeln, verhandeln und entscheiden, koordinieren und integrieren, Ressourcen zuteilen und Krisen managen können.


Konkretes Leitungshandeln muss die besonderen Bedingungen der Expertenorganisation Hochschule berücksichtigen. Hochschulinterne Veränderungsprozesse bis hin zum Wandel der akademischen Kultur sind nicht zuletzt kommunikative Herausforderungen. Deshalb kommt den handelnden Akteuren im Management der Hochschulen große Verantwortung zu, wenn es um die Verwirklichung der leitenden Prinzipien des neu gestalteten Rahmens geht.


Die Hochschulen brauchen ein Management, das effizient handelt und dabei das möglicherweise bestehende Spannungsverhältnis zwischen den jahrhundertealten akademischen Werten und Traditionen auf der einen Seite und dem Streben nach effizienten Lösungen auf der anderen Seite angemessen berücksichtigt. Es wäre für Hochschulen in hohem Maße dysfunktional und ineffizient, wenn das in individueller Freiheit und Verantwortung betriebene unabhängige Forschen und Lehren in einen Gegensatz zu institutioneller Autonomie geriete. Eine professionelle Hochschulleitung ist durch umfangreiche Entscheidungsbefugnisse und -notwendigkeiten gekennzeichnet.


Diese Kompetenzen sind mit einem hohen Maß an persönlicher Rechenschaftspflicht gekoppelt. Aus dieser Kombination resultiert ein erhebliches Maß an Führungsverantwortung.Die Entscheidungen betreffen sämtliche Aspekte der hochschulinternen Prozesse und umfassen daher auch Entscheidungen mit weitreichenden persönlichen und institutionellen Konsequenzen für Hochschulmitglieder und Hochschuleinrichtungen.


Sie reichen von strategischen Planungen im wissenschaftlichen (Profil bildenden) und wirtschaftlichen (Ressourcen zuweisenden) Bereich bis zur Umsetzung dieser Planungen in Form von Studienreformen und Einrichtung von Forschungsschwerpunkten, Mittelzuweisungen und Personalbewirtschaftung, und sie umfassen selbstverständlich auch das Konfliktmanagement. Im Außenverhältnis umfassen die Tätigkeiten die Vertretung der Hochschulinteressen gegenüber Regierung, Parlament und Öffentlichkeit, die Positionierung der Hochschule gegenüber Kooperationspartnern und Förderern.


Die Besonderheit der Hochschule als Expertenorganisation bringt es dabei mit sich, dass der Integration des für eine Frage jeweils vorhandenen Expertenwissens eine zentrale Bedeutung zukommt. In der Partizipation der Hochschulmitglieder an der Formulierung der Ziele der Hochschulentwicklung und an der Umsetzung der daraus abgeleiteten Strategien und Pläne liegt eine zentrale Grundbedingung für die erfolgreiche Ausübung von Leitungsfunktionen in Hochschulen. Ein wesentliches Element professioneller Hochschulleitung ist daher die Kommunikation mit den Hochschulmitgliedern.


Integration und Kommunikation konterkarieren dabei nicht die klare Kompetenzzuweisung innerhalb der Hochschulstrukturen; vielmehr sind sie konstitutives Element für das Management der Expertenorganisation Hochschule.Der Doppelcharakter der Hochschule als Betrieb und Korporation verlangt von den Inhabern zentraler Leitungsfunktionen eine nur durch Ausbildung und Erfahrung erlangbare doppelte Qualifikation: sie müssen die Funktionsbedingungen von Wissenschaft aus Erfahrung kennen und zugleich über umfassende Managementkompetenz verfügen.


Je näher die Leitungsaufgabe an den Kernprozessen, der Lehre und der Forschung, liegen, umso mehr kommt es auf spezifische Erfahrungen in diesen Bereichen an und umso weniger Bedeutung haben darüber hinausgehende Managementkompetenzen. Vor allem aber gilt für die organisatorischen Substrukturen des Wissenschaftsbereichs der Hochschulen, dass dem hohen Maß an Eigenverantwortung der einzelnen Hochschullehrer eine eher funktionale Arbeitsteilung entspricht, im Gegensatz zur hierarchischen Kompetenzverteilung zwischen Hochschulleitung und den Leitern oder Mitgliedern der Organisationseinheiten.


Da Karrieremuster im Hochschulmanagement noch nicht entwickelt sind und die Hochschulen qualifizierte Personen mit "Branchenkenntnissen" kaum anziehen, liegt zunächst in der hochschulinternen Personalentwicklung die Möglichkeit zur Qualifizierung wissenschaftlichen Personals für die Übernahme von Leitungsfunktionen. Dies wird aber nicht genügen. Unumgänglich sind Anreizsysteme, die eine Tätigkeit als Hochschulleiter attraktiv machen. Hierzu gehört vor allem die Etablierung von attraktiven Karrierewegen. Wenn realistischerweise nach mehrjähriger Tätigkeit als Hochschulleiter eine Rückkehr in die Forschung mit erheblichen Problemen verbunden ist, muss die Tätigkeit eines Rektors oder Präsidenten mit erheblich höherem Prestige verbunden und auch finanziell attraktiv ausgestaltet sein.