Forderungen der deutschen Hochschulen an den neuen Bundestag und die künftige Bundesregierung


Entschließung des 185. Plenums vom 6. Juli 1998



Alle politischen Parteien in Deutschland haben in ihren Wahlprogrammen die Bedeutung von Qualifikation, Wissenschaft und Forschung für die Sicherung der Zukunft unseres Landes betont: Als hochindustrialisiertes, rohstoffarmes Land befindet sich Deutschland auf dem Weg von der Produktionsgesellschaft zur Wissensgesellschaft. Wissenschaft wird zum zentralen Produktionsfaktor.

Die Globalisierung von Wissen und von Informations- und Wissensübermittlung wird Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland nachhaltig verändern. Es kommt darauf an, die Veränderungen als Herausforderungen zu begreifen und selbst zu gestalten.


Dabei erfüllen die Hochschulen besondere Aufgaben:

  • Mehr als ein Drittel eines Altersjahrgangs sucht und erhält in den Hochschulen qualifizierte Bildung und Ausbildung.

  • Die Hochschulen repräsentieren das gesamte Spektrum der Wissenschaften und verfügen in der Forschung über ein umfassendes Problemlösungspotential.

  • Die Hochschulen bilden - teilweise in Zusammenarbeit mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen - den wissenschaftlichen Nachwuchs für alle Wissenschaftsbereiche, die Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung aus.

  • Die Hochschulen stellen das größte Potential für die wissenschaftliche Weiterbildung dar.

  • Hochschulen erbringen Dienstleistungen für die Gesellschaft, von der Krankenversorgung über Wissens- und Technologietransfer bis hin zur Beratung.

  • Die Hochschulen sind in diesem Sinne Zukunftswerkstätten nicht nur der Wissenschaft, sondern der ganzen Gesellschaft.

Die in der Hochschulrektorenkonferenz zusammengeschlossenen Hochschulen fordern die politischen Parteien auf, nach der Wahl zum Deutschen Bundestag am 27. September 1998 im Bundestag und in der Bundesregierung den politischen Bekenntnissen zur Bedeutung von Qualifikation und Forschung Taten folgen zu lassen. Notwendig ist die Neuordnung der politischen und finanzpolitischen Prioritäten für die junge Generation und die Gestaltung der Zukunft unseres Landes.


Die Hochschulen haben längst Maßnahmen zur Strukturreform und Steigerung der Effizienz des Einsatzes der vorhandenen Mittel ergriffen. Mehr Wettbewerb zwischen und in den Hochschulen setzt ein größeres Maß an Autonomie der Hochschulen voraus. Dazu gehört vor allem mehr Flexibilität im Organisations-, Personal- und Haushaltsbereich. Diese läßt sich nicht allein mit der Umsetzung der HRG-Novelle in den Ländern erreichen.


Deshalb fordert die HRK:


1. Priorität für Wissenschaft und Forschung in den Haushalten von Bund und Ländern


Die HRK fordert den Bund auf, auf der Basis des Haushalts 1998 für einen Zeitraum von fünf Jahren durch interne Umschichtung den Anteil des BMBF am Gesamthaushalt des Bundes pro Jahr um 0,1 Prozent zu verstärken, um der Priorität für Wissenschaft und Forschung gerecht zu werden. Auch die Länder werden aufgefordert, ausgehend vom Etat des Jahres 1998 die laufenden Ausgaben für Wissenschaft und Forschung in einem Zeitraum von fünf Jahren durch interne Umschichtung pro Jahr um 0,1 Prozent des Landeshaushalts zu erhöhen.Zusammen würden beide Schritte gegenwärtig rund 1 Mrd. DM ausmachen.


2. Grundlegende Neuordnung der individuellen Studienfinanzierung


Vertretbare Studienzeiten bei Vollzeitstudierenden sind nur möglich, wenn Studierende sich ohne ausgedehnte studienfremde Berufstätigkeit ihrem Studium widmen können. Deshalb ist zur Sicherung des Hochschulzugangs ohne Rücksicht auf Herkommen und Einkommen der Eltern eine angemessene Studienfinanzierung durch grundlegende Neuordnungder individuellen Studienförderung sowie durch öffentliche Förderung oder steuerliche Begünstigung von Bildungssparen und Bildungsdarlehen erforderlich. Für Teilzeitstudierende sind gesonderte Regelungen zu entwickeln.


3. Angemessene Finanzierung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau


Die Hochschulen erwarten, daß der Bund im Rahmen seiner bundesstaatlichen Gesamtverantwortung den wesentlich von ihm zu vertretenden Finanzierungsstau im Hochschulbau beendet und für 1999 2,0 Mrd. DM, für die Jahre ab 2000 für ca. sechs Jahre mindestens 2,3 Mrd. DM für den Hochschulbau bereitstellt. Nachhaltiger Ausbau der Fachhochschulen und Grundsanierung der Hochschulen allen Bundesländern einschließlich Großgerätebeschaffung zur Erneuerung der Laborausstattung sind nur mit diesen, auch vom Wissenschaftsrat bezifferten Investitionen zu leisten.


4. Privates Kapital für die Hochschulen


Um ein Investitionsprogramm für die Hochschulen zur Grundsanierung in Ost und West rasch zu finanzieren, wird vorgeschlagen, privates Kapital für öffentliche Aufgaben zu mobilisieren. Für einen Zeitraum von fünf Jahren sollten Anleihen der Länder (und des Bundes) aufgelegt werden, die nach dem Vorbild der früheren Berlin-Darlehen einmalige Absetzungen bei der Steuerschuld und eine kapitalmarktfähige Verzinsung ermöglichen. Die dazu erforderlichen Änderungen des Einkommenssteuergesetzes sollten unter Streichung bisheriger Abschreibungsmöglichkeiten im Bereich der Subventionen vorgenommen werden. Ferner ist die bereits mehrfach angekündigte Reform des Stiftungsrechts in der kommenden Legislaturperiode vorzunehmen.


5. Hochschulsonderprogramm für Strukturverbesserungen und Innovation


Im Hinblick auf die internationale Dimension der Hochschulen sind neben rechtlichen Änderungen strukturelle Veränderungen in deen Hochschulen erforderlich. Die Frauenförderung, die Internationalisierung der Studiengänge, die Bildung von "centers of excellnce" im Zuge des Generationswechsels bei den Professoren in den Hochschulen aller Bundesländer ermöglichen Innovation, erfordern aber ebenso wie die Sicherung der Leistungsfähigkeit der Bibliotheken und die Ausrüstung der Hochschulen mit Multimedia zusätzliche Mittel. Diese sollten in einem neuen, auf Strukturverbesserungen und Innovation angelegten Hochschulsonderprogramm der Länder und des Bundes bereitgestellt werden.


6. Änderung und Fortentwicklung des öffentlichen Dienst-, Besoldungs- und Tarifrechts für die Hochschulen in Richtung auf eine stärkere Orientierung an Leistungen, Belastungen und besonderen Aufgaben


In der kommenden Legislaturperiode sind Änderungen des öffentlichen Dienst-, Besoldungs- und Tarifrechts für das wissenschaftliche, technische und administrative Personal hin zu mehr Leistungsorientierung und Eigenverantwortlichkeit der Hochschulen unerläßlich. Die Hochschulen müssen flexibel auf Änderungen in der Wissenschaft und auf den Arbeitsmärkten reagieren können.


7. An der Gleichwertigkeit der Hochschulen orientierte Änderungen des öffentlichen Dienst- und Tarifrechts für Hochschulabsolventinnen und -absolventen


Absolventinnen und Absolventen der Fachhochschulen mit hervorragenden Leistungen sollte endlich im öffentlichen Dienst der Zugang zum Vorbereitungsdienst des höheren Dienstes eröffnet werden.


8. Mittelfristig verläßliche Weiterentwicklung der gemeinsamen Forschungsförderung


Die gemeinsame Forschungsförderung von Bund und Ländern ist für die institutionelle und die projektbezogene Förderung den wachssenden Bedürfnissen der Forschung im internationalen Wettbewerb unter Berücksichtigung der Wissenschaftförderung in den führende Industriestaaten anzupassen. Dabei sollte die staatliche Forschungsförderung insgesamt, insbesondere aber die Ressortforschung auf ihre Leistungsfähigkeit überprüft werden..


9. Rücknahme der Regelungsdichte forschungsbeeinträchtigender Gesetze und Vorschriften auf das zum Schutz von Menschen und Umwelt notwendige Maß


Forschung in Deutschland ist vielfach durch forschungsfremde Gesetze und Verordnungen behindert, die die Selbstkontrolle der Foorschung außer acht lassen und die Folgen von Forschung falsch einschätzen. Entsprechend den in den letzten beiden Legislaturperoden begonnenen Bemühungen sollten die die Forschung beeinflussenden Bestimmungen auf ihre Notwendigkeit überprüft und ggf. beseitigt oder geändert werden.


10. Wissenschaftsfreundliche Ausgestaltung und angemessene finanzielle Dotierung der europäischen Forschungs- und Mobilitätsprogramme


Angesichts der Notwendigkeit der europäischen Vernetzung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist die Förderung von Forsschung und Mobilität auf europäischer Ebene entsprechend dem Grundsatz der Subsidiarität neu zu ordnen. Dies sollte unter maßgebichem Einfluß der Wissenschaft bei Rückführung des administrativen Aufwands geschehen. Die Programme sind wegen ihrer großen Bedeutung für die Entwicklung und Erweiterung der EU durch Umschichtung im Haushalt der EU finanziell entsprechend auszustatten.


________________________________


Folgende Stellungnahmen der Parteien zu den "Forderungen der deutschen Hochschulen an den neuen Bundestag und die künftige Bundesregierung" liegen derzeit vor:


CDU


PDS


SPD