Damit der Sport nicht zum Hindernisparcous wird

Podiumsdiskussion mit Lena Sieberg, Julia Monro, Lisa Oude Lansink, Ceren Akyüz und Thomas Abel
Podiumsdiskussion mit Lena Sieberg, Julia Monro, Lisa Oude
Lansink, Lilith Raza, Ceren Akyüz und Thomas Abel
Bild: Deutsche Sporthochschule Köln

Die Diversität spielt an der Deutschen Sporthochschule Köln allein schon wegen der hohen Praxisanteile eine besondere Rolle. Im direkten Austausch sollen jetzt noch bessere Bedingungen geschaffen werden.

Die kritische Nachfrage kam direkt bei Lena Sieberg an, es war kurz nach der Summer School zum Thema Diversität. „Wir hatten für diese Aktion eine bestehende Toilette als All Gender ausgewiesen“, erinnert sich die Referentin für Diversität von der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS). „Und nach der Veranstaltung kamen einige Frauen und fragten, warum wir denn ausgerechnet die Damentoilette dafür genommen hätten und nicht die Herrentoilette.“ Geduldig erklärte Sieberg, dass es wegen der Pissoirs schwierig geworden wäre und die Einzelkabinen einfach besser geeignet seien. Nach dem Gespräch waren die anfangs skeptischen Frauen verständnisvoll. „Für mich ist das eine zentrale Erfahrung“, sagt Sieberg: „Es fehlt oft einfach an Information und direkter Begegnung.“

Genau das sind zentrale Elemente im Projekt, das die DSHS im Rahmen der HRK-Initiative „Vielfalt an deutschen Hochschulen“ plant: Das Thema Diversität soll erfahrbar gemacht werden. Bei einer Panel-Diskussion während der Summer School saßen deshalb auf einem Panel Sportler:innen, die jeweils unterschiedliche Diversitätsdimensionen repräsentieren: eine Transperson, eine queere Person und ein Studierender mit Migrationshintergrund zum Beispiel waren dabei. Der Hintergedanke der Veranstalter:innen: Wenn Menschen aus ihrem Leben erzählen, von ihren Diskriminierungserfahrungen, aber auch von ihren Wünschen und Bedürfnissen – dann wird das Thema der Vielfalt auf einmal viel greifbarer und die abstrakten Begriffe bekommen buchstäblich ein Gesicht.

Die DSHS gehört mit ihren knapp 6.000 Studierenden und 26 Studiengängen zu den größten sportwissenschaftlichen Universitäten weltweit. Beim Thema Diversität ist sie in einigen Fällen mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, die mit den vermittelten Inhalten zusammenhängen. Vor allem damit, dass die Sportpraxis eine gewichtige Rolle spielt. „In Lehramtsstudiengängen zum Beispiel macht die Praxis ungefähr 50 Prozent aus“, berichtet Lena Sieberg. Und: Für die Studieninteressierten gibt es eine Eignungsfeststellung, einen Sporttest. „Wir haben fest definierte Mindestanforderungen für Frauen und Männer“, sagt Sieberg – „aber für eine Person, die sich keinem dieser beiden Geschlechter zugehörig fühlt, haben wir bislang noch keine messbaren Kriterien.“ Ähnlich ist es mit Bewerber:innen, die eine körperliche Einschränkung haben. Bei ihnen wird es bislang so gelöst, dass sie individuell betreut werden und Richtwerte aus den Paralympics und generell dem Behindertensport als Orientierungsgröße herangezogen werden.

Eine solche individuelle Betreuung soll auch bei nicht-binären Personen genutzt werden. Allerdings ist das bislang nur eine theoretische Maßgabe: Bisher gab es zwar Informationsgespräche, aber noch keine konkrete Bewerbung aus diesem Personenkreis. „Genau das wirft aber viele Fragen auf. Ziehen die Betroffenen von vornherein ein Sportstudium nicht in Betracht? Sind sie vielleicht schon beim Schulsport durch ein Raster gerutscht und haben darüber die Freude am Sport verloren?“, fragt Lena Sieberg. An dieser Stelle will die DSHS jetzt ansetzen – auch über die Multiplikatorwirkung, die sie bei den künftigen Sportlehrkräften entfalten kann. „Sie sollen in ihre Praxis mitnehmen, dass es zentral ist, die Freude am Sport zu pflegen.“

Auch die soziale Herkunft ist eine Kategorie, für die bei der Sporthochschule spezielle Prämissen gelten. Wer etwa keinen Zugang zu Sportstätten und -ausrüstung hat, um sich auf die Eignungsprüfung vorzubereiten, ist gegenüber anderen Studieninteressierten im Nachteil.

Das Projekt „Vielfalt an deutschen Hochschulen“ will die DSHS dazu nutzen, ein Diversitätskonzept zu erarbeiten, das auf die Veranstaltungen und Diskussionen aufbaut und für die speziellen Bedingungen an der Hochschule maßgeschneidert ist. In den Prozess sind über Fachtagungen auch Einrichtungen wie der Stadtsportbund Köln und der Behindertensportverband eingebunden. Inzwischen entstehen an der DSHS auch die ersten Abschlussarbeiten, die sich mit dem Thema Vielfalt im Sport beschäftigen.

Text von Kilian Kirchgeßner