„Davon profitiert die ganze Universität“

Michael Bölker - Vizepräsident für Forschung und Internationales an der Philipps-Universität Marburg
Michael Bölker - Vizepräsident für Forschung
und Internationales an der Philipps-Universität
Marburg. © Rolf K. Wegst

Ein Gespräch mit Michael Bölker, dem Vizepräsidenten für Forschung und Internationales der Universität Marburg, über das Potenzial der Kleinen Fächer für die Internationalisierung – und über seine Erkenntnis beim ersten persönlichen Kontakt mit einem Kleinen Fach.

Herr Bölker, Sie sind in Marburg für das Thema Internationales zuständig. Welche Rolle spielen da die Kleinen Fächer?
Wir stellen immer wieder fest, dass unter den Kleinen Fächern jede Menge Perlen sind, was die Internationalität anbetrifft. Viele von ihnen haben allein schon einen thematischen Bezug zum Ausland: Die Indologie zum Beispiel, die Islamwissenschaft, die Altorientalistik und so weiter. Diese Kleinen Fächer sind also natürliche Ansprechpartner, wenn es um internationale Kooperationen geht.

Ziehen Sie daraus tatsächlich einen Nutzen?
Ja, natürlich. Wenn es zum Beispiel um größere Förderformate geht, ist die in den Kleinen Fächern gebündelte Expertise von großem Vorteil. Ich denke da zum Beispiel an die Iranistik, die wir hier in Marburg haben. Trotz aller politischen Weiterungen halten wir es für wichtig, die akademische Zusammenarbeit mit den iranischen Hochschulen weiter zu fördern, und das ist ja auch die Position der HRK. In dem Zusammenhang waren wir dank unserer Iranistik plötzlich deutschlandweit ein wichtiger Ansprechpartner: Wir hatten iranische Universitäts-Präsidenten hier in Marburg zu Gast, und die kamen allein schon deshalb, weil sie hier einen Bezugspunkt haben. Dieses Beispiel der Iranistik zeigt, dass ein einzelnes Fach sehr gut geeignet sein kann, um Kontakte anzuknüpfen, von denen die ganze Universität profitiert.

Nun hat Marburg zwar eine sehr traditionsreiche Universität, ist aber im Ausland weniger bekannt. Wie wirkt sich das auf Ihre Internationalisierungsstrategie aus?
Wir haben bewusst Prioritäten gesetzt mit unseren Regionalschwerpunkten in China und dem Nahen Osten. Dort haben wir strategische Partnerschaften, aber unabhängig davon sind wir für Studierende aus aller Welt attraktiv. In Sachen Internationalisierung sind wir für eine Universität unserer Größe sehr erfolgreich. Was ich aber immer wieder merke, seit ich hier im Präsidium für die Internationalität zuständig bin: Die große Herausforderung ist es nicht, an Studierende zu kommen oder Kooperationsabkommen zu schließen. Die große Herausforderung ist es, den Bereich des wissenschaftlichen Personals zu internationalisieren. Und auch dabei helfen uns interessanterweise die Kleinen Fächer.

Inwiefern?
Wir hatten zum Beispiel im Bereich Nautische Unterwasser-Archäologie einen Gastlehrstuhl vom Deutschen Akademischen Austausch-Dienst bekommen. Da kamen Dozenten aus etlichen Ländern, um hier die Lehrveranstaltungen zu halten. Das war eine große inhaltliche Bereicherung, aber zusätzlich sorgt es auch für internationale Sichtbarkeit. Nun sind viele Kleine Fächer ganz natürlicherweise international besonders eng vernetzt, weil die Wissenschaftler in Deutschland selbst nur wenige andere Kollegen haben.
Allein schon für die Studierenden ist diese selbstverständliche Internationalität ein gewaltiger Vorteil: Sie erwerben im Studium automatisch Kompetenzen für den Umgang mit Kollegen aus anderen Ländern. Das wird ihnen später auf jeden Fall hilfreich sein – ob sie nun eine akademische oder eine andere Laufbahn eingeschlagen. Genau das ist etwas, was wir aus den größeren Fächern uns von den Kleinen Fächern abschauen können.

Sie selbst sind Biochemiker. Erinnern Sie sich an Ihren ersten Kontakt mit den Kleinen Fächern?
Das war lange vor meinem Amt im Präsidium. Ich wurde einmal von den Gräzisten eingeladen, an einer kleinen Tagung über anthropologische Themen teilzunehmen. Es ging, grob gesagt, um die Frage, was den Menschen ausmacht – sind es Gene, ist es die Umwelt? Ich habe da die Sichtweise der Genetik aufgezeigt. Und eins hat mich beeindruckt: die Vielsprachigkeit, die da herrschte. In meinem Fach bin ich es gewohnt, alles auf Englisch zu erledigen – und dort, bei den Gräzisten, wurden Vorträge gehalten auf Deutsch, auf Italienisch, auf Französisch, natürlich auch auf Englisch, und alle konnten sich gut verständigen. Ich fand es beeindruckend, dass es diese gelebte Vielsprachigkeit in einigen der Kleinen Fächer noch gibt.

Das Interview führte Kilian Kirchgeßner.

Zur Person:
Michael Bölker ist Vizepräsident für Forschung und Internationales an der Philipps-Universität Marburg. Der Biochemiker studierte in Berlin und Tübingen. Seit 1997 hat er in Marburg den Lehrstuhl für Genetik inne.