„Brechen mit alten Klischees“

Ringvorlesung im Rahmen der Kleine Fächer-Wochen an der Universität Hamburg.
Ringvorlesung im Rahmen der Kleine Fächer-
Wochen an der Universität Hamburg.

Mit einer Ringvorlesung stellen sich die Kleinen Fächer aus den Geisteswissenschaften an der Universität Hamburg vor – und zielen damit gleichermaßen auf Interessenten innerhalb und außerhalb der Hochschule.

Ihre Vorlesung hat sie schon im Kopf, sie wird zu einem weiteren Baustein eines spannenden Projekts an der Universität Hamburg: „Ich werde einen lateinischen Text aus dem späten 17. Jahrhundert vorstellen – einen sehr frühen Text über das Kulturgut Schokolade, das zu der Zeit in Europa in Mode kam“, sagt Claudia Schindler, die den Lehrstuhl für Latinistik innehat. Quasi in jedem Vers, erzählt sie, ließen sich darin Ansprüche auf europäische Superiorität nachweisen – eine inhaltliche Ebene, die viele Zuhörer überraschen dürfte. Solche Überraschungen gehören zum Konzept der Kleine Fächer-Wochen an der Universität Hamburg.

Neben solchen einzelnen Vorträgen gibt es auch eine Ringvorlesung, zu der überwiegend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus anderen Universitäten nach Hamburg eingeladen sind. „Die Vorträge und Präsentationen sollen Einblicke in aktuelle Forschungen gewähren, aber auch zeigen, dass die Fächer gar nicht immer das erforschen, was ihnen klischeehaft zugeschrieben wird“, sagt Claudia Schindler, die eine der Organisatorinnen der Ringvorlesung ist. „Wissenswerte. Kleine Fächer – sichtbar – vernetzt“ sind die Aktivitäten überschrieben, mit denen sich die Kleinen Fächer in Hamburg präsentieren; beteiligt sind zehn Disziplinen der geisteswissenschaftlichen Fakultät. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhoffen sich Wirkungen sowohl nach außen als auch nach innen: Mehr Aufmerksamkeit für ihre Disziplinen außerhalb der Forschungscommunity, das ist das eine Ziel. Das andere Ziel benennt Inke Gunia, Professorin für Lateinamerika-Studien und ebenfalls eine der Organisatorinnen der Ringvorlesung: „Wir wollen uns besser kennenlernen, wollen uns über unsere Arbeitsschwerpunkte austauschen und schauen, welche gemeinsamen Interessen wir haben und welche gemeinsamen Forschungsvorhaben wir entwickeln können. Dabei finden wir es gerade interessant, dass sich in dem Verbund Fächer zusammengefunden haben, die mit einem hochspezialisierten Expertenwissen aufwarten, das zum Teil weltweit einmalig ist – weil es sich eben um kleine Fächer handelt und es nicht viele Personen gibt, die sich mit den Gegenständen auskennen.“

Inke Gunia selbst zeigt in ihrer Vorlesung, wie universitäre Lehre und Forschung mit der praktisch-handwerklichen Arbeit einer Nicht-Regierungs-Organisation im Norden Chiles zusammenwirken kann. „Es geht dabei um die nachhaltige Bewahrung von kulturellem Wissen und materiellen Kulturgütern wie zum Beispiel Kirchen in jahrhundertealten Dorfgemeinschaften“, sagt sie. Auch das ist ein Aspekt, den viele Beobachter nicht in ihrem Fach vermuten würden – und zum Teil auch nicht die Kolleginnen und Kollegen aus anderen Kleinen Fächern. Weil an der Hamburger Universität die verschiedenen Fachbereiche über etliche Standorte verteilt sind, gibt es selbst unter den Geisteswissenschaftlern oft nur wenige Anknüpfungspunkte. „Manche bewegen sich im Gelände und sammeln Daten, so beispielsweise in der Ur- und Frühgeschichte und in der Finnougristik, andere beschäftigen sich mit der Materialität von Kulturgütern wie die Islamwissenschaft. Wieder andere beziehen sich vor allem auf Texte und sind sprach- oder literaturwissenschaftlich ausgerichtet“, fassen Claudia Schindler und Inke Gunia ihre Beobachtungen zusammen. Aber: „Unter ganz allgemeinen Gesichtspunkten sind wir dann doch wieder Geisteswissenschaftler*innen, die Dinge erforschen, die ‚irgendwie mit Menschen zu tun haben’.“

Den „kleinsten gemeinsamen thematischen Nenner“, so sagen sie, machten sie zur Überschrift über die Ringvorlesung: „Materialität, Mobilität, Narrativität und Performativität“ heißt sie. In regelmäßigem Abstand trägt jemand aus einem anderen der beteiligten Kleinen Fächern vor, um einen Einblick in die tägliche Arbeit und die Forschungsgegenstände zu geben. Das Konzept geht auf, wie sich jetzt nach den ersten Veranstaltungen abzeichnet: Unter den Zuhörern sind Studierende und Lehrende aus den beteiligten Kleinen Fächern ebenso wie Interessenten aus der Öffentlichkeit.

Text von Kilian Kirchgeßner.