„Die Nachtaktiven“

Auftritt einer indonesischen Tanzgruppe bei der "Langen Nacht der kleinen Fächer" in Frankfurt
Auftritt einer indonesischen Tanzgruppe bei der
"Langen Nacht der kleinen Fächer" in Frankfurt

An der Goethe-Universität Frankfurt gestalteten die Kleinen Fächer mit vereinten Kräften das Wintersemester besonders aktiv. Für eine Nacht übernahmen sie ganz das Ruder.  Dieser Schwung aus den Kleine Fächer-Wochen soll in den Geisteswissenschaften jetzt sogar verstetigt werden.

Die ersten Schlangen bildeten sich direkt nach der Eröffnung. Früher Abend war es, im alten IG-Farben-Haus mitten in Frankfurt haben sich Forscherinnen und Forscher in verschiedenen Ecken mit jeweils einem kleinen Stand aufgebaut. „Blitzsprachkurs“ hieß das Format, in dem die Besucher zehn Minuten lang Einblicke in die unterschiedlichsten Sprachen bekamen; erst ins Litauische, dann ins Baskische, ins Vietnamesische, ins Udische, ins Acehnesische – rund 20 Sprachen standen an den verschiedenen Ständen zur Auswahl, und die Besucher hielten die Sprachlehrer bis weit in die Nacht auf Trab. Die Sprachkurse, die in mehreren Stationen eine Weltreise im Zeitraffertempo ermöglichten, gehörten zu den Höhepunkten – ebenso wie die zahlreichen Vorträge. Andere Programmpunkte stellten die Vielseitigkeit der Kleinen Fächer unter Beweis; von einer japanischen Lyriklesung über indonesische und georgische Tänze reichte das Spektrum bis zu einer kasachischen Teezeremonie. Die Studierenden verkauften an Essensständen Spezialitäten aus den verschiedenen Regionen der Welt, und vor allem: In der Nacht waren die bedeutenden Sammlungen geöffnet, die in dem IG-Farben-Haus aufbewahrt werden. Durch die Computerspielesammlung führte ein Theater-, Film- und Medienwissenschaftler, durch das Comic-Archiv ein Experte aus der Kinder- und Jugendbuchforschung, durch den Skulpturensaal und die archäologische Sammlung führten Altertumswissenschaftler. Bis 1 Uhr nachts war das IG-Farben-Haus geöffnet, die Mehrzahl der 23 beteiligten Fächer und Schwerpunkte waren aktiv mit den unterschiedlichsten Aktionen vertreten. „Wir waren selbst sehr gespannt, wie gut das Programm besucht wird“, sagt Pia Gerhard, die Koordinatorin der Kleine Fächer-Wochen an der Goethe-Universität in Frankfurt: „Dass mehrere Hundert Gäste gekommen sind, das war ein riesiger Erfolg!“

Die „Lange Nacht der Kleinen Fächer“ war der krönende Abschluss der Aktivitäten, die die Frankfurter über mehrere Monate hinweg veranstaltet hatten. Eine große Podiumsdiskussion zu Beginn des Abends, an der auch die Universitätspräsidentin teilnahm, trug den Titel „Ist das Wissenschaft oder kann das weg?“

Hinter dieser ironisch formulierten Überschrift steckt mehr als bloße Provokation; sie drückt ein neues Selbstbewusstsein der Kleinen Fächer in Frankfurt aus. Koordinatorin Pia Gerhard, die in englischer Sprachwissenschaft promoviert hat, muss schmunzeln: „Ich selbst komme ja auch nicht aus einem Kleinen Fach, aber ich habe da eine Welt kennengelernt, von der ich sehr angetan bin!“ So wie ihr geht es vielen an der Universität: Die Aktivitäten haben eine solche Dynamik angenommen, dass die Beteiligten selbst ausgesprochen begeistert sind – und mit ihnen auch das Universitätspräsidium. Das führt dazu, dass sie künftig weitere Aktivitäten dieser Art planen.

Ohnehin haben die Frankfurter von Anfang an eine feste Struktur für die Kleine Fächer-Wochen geschaffen: Es gibt eine Arbeitsgruppe, an der Vertreter der bislang 23 beteiligten Disziplinen aus den Fachbereichen Sprach- und Kultur­wissenschaften und Neuere Philologien mitwirken. „Wir hatten drei oder vier große Treffen, und neben konkreten organisatorischen Fragen ging es da auch um ein Kennenlernen, denn viele der Teilnehmer kannten sich gar nicht persönlich“, hat Pia Gerhard beobachtet. Hinzu kommen regelmäßige Sitzungen des engsten Koordinatoren-Kreises und vor allem eine stetige Kommunikation im größeren Rahmen per E-Mail. Für viele der beteiligten Fachvertreter sei das mehr als eine rein formale Frage: „Kleine Disziplinen, die nur eine/n Professor*in und eine/n Mitarbeiter*in haben, sind mit dem alltäglichen Programm vollständig ausgelastet. Dass es durch die zentrale Koordinierungsstelle jetzt zusätzliche Kapazitäten gibt, verschafft ihnen mehr Luft für neue Aktivitäten“, sagt Pia Gerhard.

Im kommenden Wintersemester ist ein Antrag in einem internen Förderfond geplant, um die Aktivitäten der Kleinen Fächer fortzusetzen. Denkbar sind dadurch Veranstaltungen für die breite Öffentlichkeit ebenso wie die Konzeption gemeinsamer Forschungsvorhaben, die aus dem engeren Kontakt der unterschiedlichen Disziplinen und dem besseren Wissen über die Fragestellungen der Kollegen resultieren. Und: Die „Lange Nacht der Kleinen Fächer“ soll nach dem über Erwarten großen Erfolg ebenfalls regelmäßig einmal pro Jahr stattfinden – die ersten Ideen für den nächsten Jahrgang haben die Frankfurter schon gesammelt.

Text von Kilian Kirchgeßner.