Organisationsstrukturen an Hochschulen


Beschluss des 666. Präsidiums der HRK vom 21. März 2017 an die 22. Mitgliederversammlung

1.     Vorwort
Die deutschen Hochschulen stehen durch die Erhöhung des Wettbewerbs um die besten Köpfe in der Verantwortung, als eigenverantwortliche Akteure aufzutreten. Die operativen Kernaufgaben der Hochschule in Form von Forschung und Lehre werden primär von den Fachbereichen und Fakultäten wahrgenommen werden, während die strategischen strukturellen, finanziellen und personellen Aufgaben weitgehend in der Verantwortung der Hochschulleitung liegen. Dies erfordert die enge Verzahnung der dezentralen und zentralen Diskussions- und Entscheidungsprozesse. Von Bedeutung sind daher Regeln für die Zusammenarbeit, die eine klare Abgrenzung der Kompetenzen voraussetzen. Dabei haben Organisationsstrukturen dienenden Charakter; im Fokus muss stehen, dass wissenschaftsadäquate und organisationseffiziente Entscheidungen getroffen werden können.

Die Länder haben im Zuge der Föderalismusreform in den Landeshochschulgesetzen unterschiedliche Wege beschritten, dieses interne Kräfteverhältnis auszugestalten, und das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber in seiner Rechtsprechung Grenzen aufgezeigt. Aus dem Grundgesetz und insbesondere aus Art. 5 Abs. 3 GG ergibt sich keine abschließende Form der Hochschulorganisation, die Wahl eines speziellen Strukturmodells[1] obliegt dem Landesgesetzgeber, die Ausgestaltung den Hochschulen. Eine Empfehlung zu diesem Problemkreis muss sich daher auch an die Landesgesetzgeber und die Hochschulen gleichermaßen richten.

Die Anforderungen an die Einrichtung von Hochschulräten hat die Hochschulrektorenkonferenz bereits benannt, so dass die vorliegende Entschließung sich auf das Verhältnis der Hochschulleitungen zu den Kollegialorganen und den einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bezieht. Wie die Gremien im Einzelnen auszugestalten sind, ist nicht Gegenstand dieses Papiers.

Die Differenzierung des Hochschulsystems und der Wettbewerb, in dem die Hochschulen zueinanderstehen, erfordern effektive Leitungsstrukturen. Dadurch treten dezentrale und zentrale Strukturen in ein Spannungsverhältnis mit Konfliktpotential. Übergreifend wirkt die Verwaltung, die dezentral und zentral für die Unterstützungsprozesse unverzichtbar ist.


2. Rolle der dezentralen Einheiten

Die hochschulinternen Strukturen sind geprägt durch Ausgestaltung der Beziehungen aller Hochschulakteure. Als Konsequenz aus der Garantie der Wissenschafts- und Lehrfreiheit sind dezentrale Strukturen von großer Bedeutung.

a.    Fakultätsmodell / Fachbereichsmodell
Qualität in Forschung und Lehre steht und fällt mit den einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern; ihre individuellen Fähigkeiten und ihre Arbeitsfelder bilden die Basis für das Profil, die Qualität und das Renommee einer Hochschule. Deshalb sind „Fach“-Bereiche als dezentrale Zusammenschlüsse für die Selbstorganisation von Forschung und Lehre sehr wichtig. Wegen der hohen Bedeutung der Disziplinen für die Forschung und Lehre müssen sich diese auch in den Organisationsstrukturen wiederfinden. Jede Hochschule ist in mehrere Teilbereiche untergliedert. Die jeweils fachnächste Einheit sollte dabei für die fachlich-inhaltliche Fragestellung zuständig sein und als organisatorische Grundeinheit das Kollektivrecht für ein bestimmtes Fach wahrnehmen.
Je nach Hochschule, Bundesland und Fachtradition werden diese Einheiten unterschiedlich benannt. Jede dieser Einheiten muss transparent in die Planungen der Hochschule eingebunden werden und im Gegenzug auch eigene Verantwortung übernehmen.
Eine effiziente und sachnahe Aufgabenwahrnehmung kann durch entsprechende dezentrale Verwaltungsstrukturen erreicht werden.

b.    Ergänzende Organisationsform der dezentralen Ebene
Zur interdisziplinären Vernetzung sind darüber hinaus andere Einheiten, organisatorische Strukturen und rechtliche Ausgestaltungen von Bedeutung:

- Größere überfachliche Einheiten sind empfehlenswert, weil interdisziplinär arbeitende Forscherinnen und Forscher (Cluster, Graduateschools etc.) sowie interdisziplinär angelegte Studiengänge größere Forschungszusammenhänge benötigen. Diese dienen der Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit der Forschung. In der Summe muss die Binnenstruktur hinreichend ausdifferenziert und professionell organisiert sein.

- Dezentral ausdifferenzierte Studien-, Prüfungs-, Promotionsordnungen etc. lassen sich in Abstimmung mit den jeweiligen Grundeinheiten mit der Folge effizienterer Verfahrens- und Verwaltungsvereinfachungen harmonisieren. Dabei ist zum Beispiel an hochschulweite Rahmensatzungen zu denken.

- Für eine perspektivisch verlässliche Arbeit innerhalb der Hochschule ist eine Amtszeit der Fakultätsleitungen von mindestens zwei Jahren empfehlenswert. Die Arbeit der Dekanate sollte professionell werden; dies kann z.B. durch Professionalisierung der Fakultäts-/Fachbereichsverwaltung als institutionellem Gedächtnis und durch Aus- und Weiterbildung von verstetigten Wissenschaftsmanagerinnen und -managern erfolgen. Hauptamtliche Dekaninnen oder Dekane können eine Option sein, eine stärkere Professionalisierung der Binnenstruktur zu erreichen. Besonders bei einer geringeren Anzahl von großen fachlichen Einheiten sind durch die größere Komplexität hauptamtliche Dekaninnen oder Dekanen empfehlenswert. Eine kleinere Gruppe von (hauptamtlichen) Dekaninnen und Dekanen als Gesprächspartner der Hochschulleitung reduziert den internen Verwaltungs- und Kommunikationsaufwand (Budgetgespräche, Strukturgespräche, ggf. gemeinsame Konferenzen) und gestaltet ihn dadurch effektiver.


3. Rolle der Verwaltung
Aufgabe der Verwaltung ist es, optimale Bedingungen für das Lehren, das Lernen und das Forschen an der Hochschule zu schaffen. Dabei hat sie für Rechtskonformität zu sorgen.
Gute Hochschulstrukturen erfordern eine gemeinsame Kultur von Wissenschaft und Verwaltung. Dabei kommt der Hochschulleitung die Aufgabe des Zusammenführens und Vermittelns zwischen den Bereichen zu. Verwaltung sollte sich dabei an den Prozessabläufen der Wissenschaft orientieren und sowohl kleinere als auch übergreifende Strukturen ermöglichen, um ihrer Dienstleistungsfunktion gegenüber der Wissenschaft nachzukommen.
Die Verwaltung arbeitet partnerschaftlich mit allen Hochschulebenen an der Erreichung der Hochschulziele. Durch ihre Kompetenz trägt sie zu einer erfolgreichen Hochschulentwicklung bei. Sie bündelt für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen bereichsübergreifend die vorhandenen Kompetenzen. Sie informiert und kommuniziert umfassend und macht Entscheidungen transparent. Sie nutzt die Potenziale der Partizipation.

In einer erfolgreichen Hochschule muss sich die Verwaltung entsprechend den wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anforderungen individuell weiterentwickeln.

Tätigkeiten im Bereich Wissenschaftsmanagement kommt dabei eine wachsende Bedeutung zu[2]. Diese fungieren als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Verwaltung und verlangen Kompetenzen in traditionell administrativen Bereichen, in der Strategie- und Organisationsentwicklung und in der Wissenschaft.


4. Rolle der zentralen Hochschulorgane
a) Hochschulleitungen
Hochschulleitungen tragen die institutionalisierte Verantwortung und sind persönlich rechenschaftspflichtig. Sie haben die Interessen der Hochschule als ganzer nach innen wie nach außen wahrzunehmen, Impulse für die strategische Ausrichtung zu geben und für eine ordnungsgemäße Umsetzung von Management- und Verwaltungsaufgaben zu sorgen. In Forschung und Lehre ist es erforderlich, bestimmte Aufgaben für alle dezentralen Einheiten wahrzunehmen. Dabei sind dabei unterschiedliche Aufgabenfelder zu sehen:

- Originäre Aufgaben der Hochschulleitung wie Festlegung der Geschäftsbereiche für Verwaltung und Hochschulleitung und Richtlinienkompetenz, gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Hochschule einschließlich der Außenkommunikation und Vertretung der Hochschule als Ganzes gegenüber Wirtschaft, Politik, Medien etc. national wie international,

- Organisation und Koordination notwendiger Unterstützungsprozesse wie Finanzverwaltung und -management, Personalverwaltung, Bau- und Raumverwaltung und sonstige Serviceleistungen,

- Binnenkommunikation und Ressourcenverteilung (im internen Ausstattungsvergleich sachgerechte personelle und finanzielle Ausstattung der Fachbereiche und ihrer Mitglieder, Sicherstellung von Qualitätsstandards in Forschung und Lehre, Initiierung, Umsetzung und Aufrechterhaltung von Strategiebildungsprozessen),

- Wahrnehmung von Querschnittsaufgaben „der“ Hochschule wie Internationalisierung, Gleichstellung, Wissenstransfer, Stimulierung von Ausgründungen, Verantwortung für die Region sowie Sponsoring/Fundraising und Alumniarbeit, für die es geeignete Strukturen zu implementieren gilt.

Diese Aufgabenfelder bedingen unterschiedliche Führungsstile und -strukturen: Einerseits stark und geschlossen nach außen, zum anderen kommunikativ und kooperativ nach innen, kreativ und partizipativ bei Querschnittsaufgaben, wirtschaftlich und partiell hierarchisch in der Organisation von Verwaltungsstrukturen, dienstleistungsorientiert in den Unterstützungsprozessen.

Notwendig ist daher die Stärkung und Professionalisierung der Hochschulleitungen durch die Ausstattung mit auf die institutionelle Verantwortung ausgerichteten Richtlinien- und Entscheidungskompetenzen. Dies muss flankiert werden durch eine systematische Strategieentwicklung für die spezifische Hochschule. Einführung von übergreifenden Strukturen in Form der Trennung zwischen der disziplinarischen Leitungsfunktion und der fachlichen Weisungsbefugnis können diesen Prozess unterstützen.

b) Senat / Kollegialorgan
Der Senat (stellvertretend für alle Formen der Kollegialorgane) als Vertretungsorgan der Mitgliedergruppen der Hochschule stellt das zentrale Gremium dar, in dem auch über Fachinteressen hinaus der Meinungsbildungsprozess in hochschulübergreifender Sicht abgebildet werden sollte. In diesem Organ sollte idealerweise aus der dort vertretenen Personal- und Fachkompetenz heraus die Zentralperspektive maßgebliches Entscheidungskriterium sein. Dabei sind stets die vom Bundesverfassungsgericht postulierten besonderen Rechte der Gruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer in diesem Selbstverwaltungsgremium zu beachten. Die Wissenschaft selbst muss in Abstufungen Entscheidungsbefugnisse, Mitwirkungsrechte, Einflussnahmerechte, Informationsrechte und Kontrollrechte haben, bei der Gestaltung der strategischen Aufgaben die Belange der Wissenschaft im Vordergrund stehen.


5. Zusammenwirken von dezentralen Einheiten und zentralen Hochschulorganen zum Wohl der Hochschule
Ein Ausbalancieren zentraler und dezentraler Entscheidungsprozesse muss das Ziel guter Hochschulsteuerung sein, damit erreicht wird, dass auch unbequeme Entscheidungen zum Wohl der Hochschule getroffen werden können. Dabei ist darauf zu achten, dass die Entwicklung der „Organisation“ Hochschule mit ihren kollektiven Interessen in einem ausgewogenen Verhältnis zu den berechtigten Individualinteressen der akademischen Profession steht.

Dies kann erreicht werden, wenn
-    die Kollegialorgane an Entscheidungen beteiligt werden.
-    Mitwirkungsrechte nicht zu einem Verharren im Status-quo führen.
-    Organisationsbereiche im administrativen Hochschulmanagement, die Wissenschaft und Hochschulleitung unterstützen (z.B. interne Akkreditierungsabteilung, Lehr- und Forschungsbeirat).

Instrumente einer effizienten und ausgewogenen Vernetzung der zentralen und dezentralen Ebenen können beispielsweise sein:

- Einsetzung von mit der Hochschulleitung vernetzten aufgabenbezogenen Sachkommissionen und dauerhafte Fachbeiräte neben den klassischen Organen der akademischen Selbstverwaltung.

- Organisation und Moderation eines möglichst reibungslosen Kommunikationsprozesses zwischen den Akteursebenen inklusive der Akteure mit Querschnittsaufgaben.

- Leistungsorientierte Mittelallokation für Fachbereiche und zentrale Einrichtungen, damit Hochschulleitungen vermehrt in die Lage versetzt werden, Ziele zu definieren und deren Erreichung in der Mittelvergabe abzubilden. Diese monetären Steuerungsmechanismen sollen die Kernaufgaben der Hochschule adäquat fördern.

- Entwicklungsvereinbarungen zwischen Hochschulleitungen und Fachbereichen/Fakultäten oder/und einzelnen Professorinnen und Professoren zur besseren Einbindung in die Hochschule als auch in die Selbstverwaltung.

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[1] Der Großteil der in staatlichen Hochschulen in Deutschland sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, doch ist es möglich, durch den Landesgesetzgeber andere Rechtsformen (z.B. Stiftung des öffentlichen Rechts) zu wählen. Die Wahl der Rechtsform wirkt sich auch auf die internen Hochschulstrukturen aus.
[2] Wissenschaftsrat: Empfehlungen zu Karrierezielen und ‑wegen an Universitäten. Drs. 4009-14. Dresden 2014. S. 53