ECTS als System zur Anrechung, Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen


Entschließung des 98. Senats vom 10. Februar 2004


1. Die gestiegene Bedeutung von ECTS


Das European Credit Transfer System ECTS wurde 1989 im Rahmen von ERASMUS eingeführt. Es ist das einzige Credit System, das mit Erfolg getestet wurde und in ganz Europa verwendet wird. Ursprünglich wurde es für die Anerkennung und Übertragung von Studienleistungen eingerichtet. Das System erleichterte die Anerkennung von Studienaufenthalten im Ausland und verbesserte damit Qualität und Umfang der Studierendenmobilität in Europa.


Seit einiger Zeit wird es weiterentwickelt zu einem Akkumulierungssystem, das auf institutioneller, regionaler, nationaler und europäischer Ebene realisiert werden soll. Das ECTS stellt eines der zentralen Instrumente zur Erreichung der in der Bologna Erklärung definierten Ziele vom Juni 1999 dar. Außerdem wird ECTS angesichts steigender Zahlen von Teilzeitstudierenden sowie im Kontext des Lebenslangen Lernens immer wichtiger.


2. ECTS, Modularisierung und die neuen Studienstrukturen


Beim Übergang zu einem Akkumulierungssystem gewinnt ECTS eine zusätzliche Bedeutung für die Hochschulen und wird zu einem der wichtigsten Instrumente bei der Gestaltung oder Überarbeitung von Curricula. ECTS kann helfen zu erkennen, ob ein Studiengang in der vorgegebenen Zeit studierbar ist oder ob der vorgesehene Lernstoff pro Semester/Studienjahr zu umfangreich (oder auch zu gering) ist.


ECTS kann prinzipiell in allen Studienprogrammen sinnvoll angewendet werden, entfaltet seine Transparenz-fördernde Wirkung aber am besten bei der gleichzeitigen Modularisierung von Studiengängen. Deshalb haben HRK und KMK auch wiederholt gefordert, die Einführung der neuen Studienstrukturen (Bachelor- und Master-Grade) mit modularen Strukturen und einem Leistungspunktsystem zu verbinden.


3. Arbeitspensum und Credits


ECTS basiert auf der Übereinkunft, dass das Arbeitspensum von Vollzeitstudierenden während eines akademischen Jahres 60 ECTS-Credits ergibt. Das definierte Arbeitspensum liegt in Europa im Durchschnitt bei 1500 Stunden pro Jahr; in Deutschland geht man von 1800 Stunden aus. Das bedeutet, dass ein Credit 25-30 Arbeitsstunden entspricht. Das Arbeitspensum bezieht sich auf die Zeit, die die Lernenden im Durchschnitt benötigen, um die für die jeweilige Veranstaltung oder das Modul genau zu definierenden Lernergebnisse zu erzielen.

  • Für eine realistische Berechnung des Arbeitspensums empfiehlt es sich, anfangs geschätzte Werte zu Grunde zu legen, diese aber in regelmäßigen Abständen unter Einbeziehung der Studierenden (durch Fragebögen, Zeiterfassung in Form von "Lerntagebüchern" u.ä.) empirisch zu überprüfen und ggf. zu korrigieren. Die Beteiligung der Studierenden ist hierbei unverzichtbar.

  • Auch ermöglicht die Zuteilung von Credits eine Quantifizierung der angestrebten Lernergebnisse. Bei diesen Ergebnissen handelt es sich um Kompetenzen, die verdeutlichen, was die Studierenden nach Abschluss eines Lernprozesses wissen, verstehen oder in der Lage sind zu vollbringen. Lernergebnisse sind für jede Lehrveranstaltung bzw. jedes Modul genau zu definieren und im Informationspaket (s.u.) aufzuführen. Die Credits im ECTS erhalten Studierende erst, wenn sie in einer Prüfung nachgewiesen haben, dass sie das angestrebte Lernergebnis erreicht haben.

  • Die Zuteilung der ECTS-Credits basiert auf der offiziellen, gesetzlichen Studiendauer des Abschnitts eines Studiengangs. Das gesamte Arbeitspensum, das absolviert werden muss, um nach offiziell drei oder vier Jahren einen ersten akademischen Grad zu erreichen, ergibt 180 oder 240 Credits. ECTS stellt den selbständigen Studierenden in den Mittelpunkt (lernerorientiertes System). Das Arbeitspensum der Studierenden wird deshalb im Rahmen von ECTS auf der Grundlage der gesamten Zeit berechnet, die für das Studium aufgewendet wird und schließt neben Vorlesungen und Seminaren auch das Selbststudium, die Vorbereitung auf und die Teilnahme an Prüfungen usw. ein. Die Berechnung der Credits pro Lehrveranstaltung darf deshalb nicht auf der Grundlage der Semesterwochenstunden, also der Präsenzzeit der Studierenden in Lehrveranstaltungen, erfolgen.

  • Credits werden allen Bildungskomponenten eines Studiengangs zugeteilt (beispielsweise Module, Kurse, Praktika, Abschlussarbeit usw.) und geben das Arbeitspensum für jede Komponente im Verhältnis zum gesamten Arbeitspensum wieder, das für ein volles akademisches Jahr/Studienjahr im betreffenden Studiengang zu leisten ist.

4. Die Benotung


Die Bewertung der Leistung des/der Studierenden wird auch weiterhin durch eine lokal vergebene Note anhand der deutschen Notenskala von 1 bis 5 dokumentiert. Diese Note wird ergänzt durch eine ECTS-Note. Im Fall des Transfers von Credits ist diese Ergänzung unverzichtbar, sie empfiehlt sich aber auch bei der reinen Akkumulation von Credits, da sie Aufschluss über das relative Abschneiden des/der Studierenden gibt und auch in das Diploma Supplement aufgenommen werden sollte.


Die ECTS-Bewertungsskala gliedert die Studierenden nach statistischen Gesichtspunkten. Daher sind statistische Daten über die Leistung der Studierenden Voraussetzung für die Anwendung des ECTS-Bewertungssystems. Die erfolgreichen Studierenden erhalten folgende Noten:


A die besten 10 %


B die nächsten 25 %


C die nächsten 30 %


D die nächsten 25 %


E die nächsten 10 %


Unterschieden wird auch zwischen den Noten FX und F, die an die erfolglosen Studierenden vergeben werden. FX bedeutet: "Nicht bestanden - es sind Verbesserungen erforderlich, bevor die Leistungen anerkannt werden können", und F bedeutet: "Nicht bestanden - es sind erhebliche Verbesserungen erforderlich". Die Angabe der Misserfolgsquoten in der Datenabschrift ist nicht obligatorisch.


Die HRK korrigiert daher, in Übereinstimmung mit den europäischen Partnerorganisationen, ihre eigene Empfehlung vom Juli 2000, in der sie eine feste Umrechnungstabelle für ECTS- und deutsche Noten vorschlug. Der Grund dafür ist, dass die Benotungskulturen in den einzelnen Fachgebieten und nationalen Hochschulsystemen so unterschiedlich sind, dass zusätzlich zur nationalen absoluten Bewertung der Studienleistung eine relative europäische, eben die ECTS-Note, gegeben werden sollte, die es erlaubt, die individuelle Leistung eines Studierenden in Bezug auf die anderen Studierenden richtig einzuordnen.


Damit tragfähige Aussagen über die prozentuale Verteilung möglich sind, sollte die Bezugsgruppe eine Mindestgröße umfassen, die sinnvoller Weise auf der Ebene der Fakultät oder des Fachbereichs definiert wird. Aus dem selben Grund sollten möglichst nicht nur der jeweilige Jahrgang, sondern auch vorhergehende Jahrgänge erfasst werden, so dass sich eine "wandernde Kohorte" der letzten drei bis fünf Jahrgänge ergibt.


Für deutsche Hochschulen ergeben sich bei diesem Verfahren häufig zwei Probleme: Die nötigen Daten wurden nicht erfasst oder stehen nicht zur Verfügung, oder die Bezugsgruppen sind zu klein.Im ersten Fall ist der Hochschule zu empfehlen, dem Vorbild anderer europäischer Hochschulen zu folgen und mit dem Aufbau eines entsprechenden Datenbestandes zu beginnen.Im Fall zu kleiner Bezugsgruppen empfehlen sich pragmatische Lösungen eingedenk des Grundsatzes, dass ECTS die Regelung von Anerkennungsproblemen erleichtern und nicht erschweren soll.


5. Die wichtigsten ECTS-Unterlagen

  • Das reguläre Informationspaket (Information Package/Course Catalogue) der Hochschule, zu veröffentlichen in zwei Sprachen (oder nur in Englisch bei Studiengängen, die in Englisch angeboten werden) im Internet und/oder auf Papier. Dieses Dokument sollte die wesentlichen Punkte enthalten, die dem Dokument "ECTS Kernpunkte" der EUA (siehe hier) als Checkliste beigefügt sind, einschließlich der Informationen für ausländische Gaststudierende.

  • Der Studienvertrag (Learning Agreement) enthält die Aufstellung der zu absolvierenden Kurse, die zwischen dem/der Studierenden und dem zuständigen akademischen Gremium der betreffenden Einrichtung vereinbart werden. Beim Transfer von Credits muss der Studienvertrag zwischen den Studierenden und den beiden betreffenden Einrichtungen vor Abreise der Studierenden geschlossen und bei eventuellen Änderungen sofort aktualisiert werden.

  • Die Datenabschrift (Transcript of Records) dokumentiert die Leistung der Studierenden durch die Aufstellung der absolvierten Kurse, die erworbenen Credits sowie die erzielten Noten und möglicherweise ECTS-Noten. Beim Credittransfer ist die Datenabschrift von der Heimathochschule der entsandten Studierenden vor deren Abreise und von der Gasthochschule der aufgenommenen Studierenden am Ende ihres Studienaufenthalts auszustellen.

6. ECTS und Akkreditierung


Die Strukturvorgaben der KMK für die Einführung von Bachelor- und Mastergraden legen fest, dass für die Akkreditierung eines entsprechenden Studiengangs ein modularisierter Aufbau sowie die Anwendung eines Leistungspunktesystems und die Erstellung des Diploma Supplement nachgewiesen werden muss.


Auch aus diesem Grund empfiehlt die HRK den Hochschulen die rasche und umfassende Einführung von ECTS unter Berücksichtigung der Prinzipien, die im Dokument "ECTS-Kernpunkte" dargelegt sind. Die HRK wird sich in enger Zusammenarbeit mit dem Akkreditierungsrat, den Akkreditierungsagenturen und der von der EU-Kommission eingesetzten Gruppe der deutschen ECTS-Berater darum bemühen, einheitliche und leicht überprüfbare Kriterien für die korrekte Anwendung von ECTS und Modularisierung in zu akkreditierenden Studiengängen zu erstellen.


7. Wo sind weitere Informationen über ECTS zu finden?


Weitere Informationen über ECTS und das Diploma Supplement einschließlich einer Liste der ECTS/DS-Beraterinnen und -Berater sind hier zu finden. Auf der Website der Europäischen Kommission wird demnächst die aktualisierte Fassung des Benutzerhandbuchs (ECTS Users Guide) zu finden sein: europa.eu.int