Antwort der PDS auf die Entschließung


Antwort auf die Entschließung des 185. Plenums vom 6. Juli 1998



Wir teilen die von der HRK getroffenen Feststellungen zu den "besonderen Aufgaben" der Hochschulen und die daraus gezogene Schlußfolgerung, daß eine "Neuordnung der politischen und finanzpolitischen Prioritäten für die junge Generation und die Gestaltung der Zukunft unseres Landes" notwendig ist.


Der Tendenz der 10 Forderungen stimmen wir insoweit zu, wie sie das oben Gesagte untersetzen und konkretisieren. Wir halten die Forderungen jedoch insgesamt und angesichts der intensiven Debatte über eine grundlegende Reform der Hochschulen im Rahmen einer umfassenderen Bildungsreform nicht für weitgehend genug. Das betrifft beispielsweise die Finanzierung der Hochschulen, die weitergehende Gleichstellung von Universitäten und Fachhochschulen, insbesondere ihrer Abschlüsse und eine Reform der Personalstruktur an den Hochschulen.


Wir vermissen Forderungen nach einer verbesserten und effektiveren demokratischen Gestaltung der Entscheidungs- und Leitungsstrukturen und Forderungen wie sie - unserer Ansicht nach zurecht - während der Massenproteste der Studierenden erhoben wurden. Dazu gehören ein Studiengebührenverbot, die Ablehnung eines erweiterten Auswahlrechts der Hochschulen und administrativ festgelegter, sanktionsbewehrter Regelstudienzeiten und die Forderung nach einer inhaltlichen Studienreform unter maßgeblicher Beteiligung der Studierenden. Letzteres auch als Voraussetzung für die Einführung neuer Studienabschlüsse.


Zu den einzelnen Forderungen:


zu 1.
Während wir einer "Priorität für die junge Generation und die Zukunftsgestaltung" als politischer Forderung zustimmen können, trifft das für die Forderung nach "Priorität für Wissenschaft und Forschung in den Haushalten von Bund und Ländern" nicht ohne weiteres zu. So haben für die PDS - wie allgemein bekannt - soziale Fragen und Probleme, insbesondere die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit höchste Priorität. Von einer allgemeinen Prioritäteninflation halten wir wenig, da dabei letztlich alles beim Alten bliebe.


Noch weniger halten wir davon, für etwas Priorität zu fordern, es in der konkreten Ausführung aber dann zu unterlassen. 460 Millionen mehr vom Bund für Wissenschaft und Forschung - wie die HRK es fordert - das ist für uns keine Prioritätensetzung. Die 400 Millionen würden im Übrigen allein für die von der HRK unter Punkt 3 geforderte Erhöhung des Bundesanteils am Hochschulbau auf 2,3 Milliarden DM jährlich (gegenüber 1,8 Mrd. gegenwärtig) aufgezehrt. Angesichts der von uns unterstützten Forderung der SPD nach Verdoppelung der Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung im Zeitraum von fünf Jahren, erscheint die HRK-Forderung eher minimalistisch und auf den von uns unerwünschten Fall des Fortbestehens der jetzigen Koalition gemünzt zu sein.


Auch angesichts der in den vergangenen Jahren im Bund und in Länderhaushalten erfolgten Kürzungen im Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsbereich halten wir die HRK-Forderung für nicht ausreichend.


zu 2.
Wir stimmen der - allerdings sehr allgemein gehaltenen - Forderung nach grundlegender Neuordnung der individuellen Studienförderung zu und teilen auch die Zielstellung: in finanzieller Hinsicht eltern-unabhängig studieren können und nicht auf studienfremde Erwerbstätigkeit angewiesen sein. Wir fragen uns aber, warum damit zugleich eine ganz bestimmte Variante - nämlich Bildungssparen oder Bildungsdarlehen verknüpft wird.


Wir zumindest halten von dieser Verknüpfung nichts. Wir treten für eine volle Ausschöpfung der staatlichen Möglichkeiten der Studienfinanzierung ein. Erst wenn das geschehen ist, sollte über ergänzende Möglichkeiten nachdenken, die den Prämissen der Elternunabhängigkeit und der Vermeidung studienfremder Nebenjobs treu bleiben.


zu 3.
Wir unterstützen die Forderung der HRK nach angemessener Finanzierung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau. Die konkreten Forderungen, den Bundesanteil im Jahre 2000 auf 2,0 Mrd. DM und danach auf 273 Mrd. zu erhöhen, halten wir jedoch für die unterste Grenze dessen, was man als angemessen bezeichnen könnte. Die PDS hat sich in ihren diesbezüglichen Forderungen immer an den Finanzierungsempfehlungen des Wissenschaftsrates orientiert.


Der Wissenschaftsrat hat bereits für 1998 einen wissenschaftlich und wissenschaftspolitisch begründeten Finanzbedarf für die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau von 5,3 Mrd. DM, d.h. einen Bundesanteil von 2,65 Mrd. DM und die Notwendigkeit der Verstetigung dieses Ansatzes in den Folgejahren festgestellt. Eine für den Zeitraum bis 2004 zwischen Bund und Ländern ausgehandelte, um insgesamt 2,8 Mrd. DM reduzierte Variante bezeichnet der Wissenschaftsrat ausdrücklich als Notmaßnahme. Auch diese Notmaßnahme würde einen Bundesanteil von mindestens 2,4 Mrd. DM jährlich verlangen.


zu 4.
Die PDS wendet sich nicht prinzipiell und nicht unter allen Umständen gegen die Beteiligung von privatem Kapital bei der Schaffung der materiellen Voraussetzungen für die Lösung der eingangs beschriebenen Hochschulaufgaben. Aber auch hier hat für uns die staatliche Pflichterfüllung und die Ausschöpfung der staatlichen Möglichkeiten Vorrang vor der Beteiligung privaten Kapitals. Bei der Beteiligung privaten Kapitals machen wir auch einen Unterschied bei den verschiedenen Aufgaben der Hochschule. So halten wir eine solche Beteiligung bei Dienstleistungsaufgaben, in der Weiterbildung und in bestimmten Bereichen der angewandten Forschung für möglich.


In der Lehre, Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und der Grundlagenforschung lehnen wir private Finanzierung weitgehend ab. Wichtig ist für uns bei den Diskussionen um Beteiligung privaten Kapitals, daß der Charakter der Hochschulen als staatliche Einrichtungen und die Unabhängigkeit von Lehre und Forschung strikt gewahrt bleiben und für alle Aufgabenbereiche eine angemessene staatliche Grundversorgung gesichert ist. Über alles andere muß sicher im konkreten Fall Verständigung erzielt werden.


Zu dem konkreten Vorschlag der HRK, Bundes- und Landesanleihen für Zwecke eines Hochschul-lnvestitionsprogramms aufzulegen und sie steuerlich zu begünstigen, wäre u.E. im Zusammenhang mit der Realisierung der vorhergehenden drei Forderungen zu diskutieren. Eine Reform des Stiftungsrechts zugunsten der Kultur- und Wissenschaftsförderung unterstützen wir.


zu 5.
Es ist etwas schwierig, einzusehen, worin der wesentliche Fortschritt eines "neuen, auf Strukturverbesserungen und Innovation angelegten Hochschulsonderprogrammes des Bundes und der Länder" gegenüber dem bis Ende 2000 laufenden Hochschulsonderprogramm des Bundes und der Länder bestehen soll, zumal dieses per definitivem ebenfalls auf "Veränderung der Strukturen" und "Förderung von Innovationen" gerichtet ist. Fordert die HRK eine Ersetzung des laufenden Programms durch ein verbessertes und ggf. erweitertes oder ist die Rede von einem Nachfolgeprogramm?


Gehören beispielsweise Frauenförderung als ständige Aufgabe und bessere Bibliotheks- und Multimediaausstattung unbedingt ins gleiche Programm? In welchem Verhältnis, gerade auch in Bezug auf Ausstattungsfragen und die Förderung von "centers of excellence", soll sich ein Hochschulsonderprogramm zum dem vorher geforderten Investitionsprogramm befinden?


Für fragwürdig halten wir auch die ausdrückliche Bindung der Innovationsmöglichkeiten des Generationswechsels bei den Professoren an "centers of excellence".


zu 6.
Wie andere Parteien auch treten wir für eine grundlegende Reform der Personalstrukur an Hochschulen ein. Dazu gehört dann auch die von der HRK geforderte "Änderung und Fortentwicklung des öffentlichen Dienst-, Besoldungs- und Tarifrechts an Hochschulen". Den Generationswechsel bei den Professoren halten wir übrigens für eine sehr günstige und wichtige Gelegenheit für eine innovationsförderliche Personalstrukturreform.


Wir glauben nicht, daß eine bloße, nicht mit einer Personalstrukturreform verbundene Änderung des Dienst-, Besoldungs- und Tarifrechts die Hochschulen sonderlich voranbringt. Daran ändert auch der etwas nebulöse Hinweis auf notwendige flexible Reaktionen auf Veränderungen an den Arbeitsmärkten nichts.


zu 7.
Wir unterstützen Entwicklungen, die sich an der Gleichwertigkeit der Hochschulen orientieren und entsprechende Forderungen. Wir treten jedoch für eine weitestgehende Gleichbehandlung der Abschlüsse von Universitäten und Fachhochschulen ein. Das geht über die Forderung der HRK nach "Zugang zum Vorbereitungsdienst des höheren Dienstes" für "hervorragende" FH-Absolventinnen und -absolventen hinaus.


Um die Gleichwertigkeit von Fachhochschulen und Universitäten zu stärken, setzen wir uns u.a. auch für die Stärkung der Forschung und ein Promotionsrecht der FH ein. Auch die Idee der Gesamthochschule ist für uns nicht ad acta gelegt.


zu 8.
Gegen eine "mittelfristig verläßliche gemeinsame Forschungsförderung von Bund und Ländern" ist auch aus PDS-Sicht gewiß nichts einzuwenden. Dazu ist diese Forderung auch zu allgemein. Um genauer reagieren zu können, müßten die Forderungen der HRK in bezug auf die Hochschulforschung, ggf. in Relation zur außeruniversitären und vielleicht auch zur wirtschaftsnahen Forschung benannt werden.


Für uns ist außer der Andeutung, daß die staatliche Forschungsförderung der BRD im internationalen Vergleich hinterherhinkt, nicht erkennbar, ob, und wenn ja, in welcher Richtung die HRK eine Umgestaltung oder Umorientierung der Hochschulforschung und ihrer Förderung im Kontext mit der Gestaltung der gesamten Forschungslandschaft fordert. Der Forderung nach Überprüfung der staatlichen Forschungsförderung kann man in dieser Allgemeinheit wohl jederzeit zustimmen.


zu 9.
Dieser Forderung begegnen wir mit Vorsicht, weil sich dahinter auch konkretere Forderungen nach Lockerung von Tierversuchsvorschriften, Vorschriften für gentechnische Versuche, Rüstungsforschung, Forschung an nicht zustimmungsfähigen Personen etc. verbergen könnten. Wer bestimmt das für Mensch und Umwelt notwendige Maß?


Unbestritten scheint uns hierbei, daß die Selbstkontrolle der Forschung nicht ausreicht und durch gesellschaftliche Kontrolle ergänzt werden muß. Die umfangreiche und anhaltende Diskussion über die Bioethikkonvention der EU allein zeigt doch, daß für die Lösung der angesprochenen vielschichtigen Probleme einfache Forderungen und die schlichte Zustimmung dazu nicht ausreichen. Wir würden für die Fortsetzung der Diskussion mit dem Ziel plädieren, baldmöglich einen Stand zu erreichen, der die Überprüfung und daran anschließend ggf. die Änderung einschlägiger Gesetze und Vorschriften sinnvoll erscheinen läßt. Dabei wird sich sicher einfaches schneller ändern lassen als komplizierteres und folgenschweres.


zu 10.
Dieser Forderung stimmen wir zu, fügen jedoch hinzu, daß wir gegenwärtig in der deutschen Förderung von Wissenschaft und Forschung größeren Probleme als in der europäischen sehen. Deshalb sind wir dafür, vorrangig die eigenen Hausaufgaben zu machen, bevor wir Forderungen an Europa stellen.