Zur Weiterentwicklung des Akkreditierungssystems


Entschließung der 9. HRK-Mitgliederversammlung am 23.11.2010



1. Ziel der Weiterentwicklung des Akkreditierungssystems


Die externe Qualitätssicherung in Form der Programmakkreditierung hat sich in Deutschland zu einem bürokratielastigen und formalistischen Verfahren entwickelt, das zu wenig zur Verbesserung der Qualität von Lehre und Studium beiträgt. Auch in den ersten Verfahren der Systemakkreditierung ist ein Trend zur unverhältnismäßig kleinteiligen Prüfung zu beobachten. Zudem droht durch die in Einzelfällen bereits erfolgte Anrufung von Gerichten eine weitere, wissenschaftsferne Formalisierung des Akkreditierungswesens, die so nicht beabsichtigt war.


Um der Zielsetzung gerecht zu werden, das Akkreditierungssystem im Sinne der wissenschaftsgeleiteten, staatsfernen Qualitätsentwicklung von Lehre und Studium weiterzuentwickeln, muss

  • die wissenschaftsgeleitete externe Begutachtung darauf ausgerichtet werden, die hochschulinternen Strukturen und Prozesse zur Qualitätsentwicklung in Lehre und Studium weiter zu optimieren,
  • diese entwicklungsorientierte Begutachtung mit einer Zertifizierung der Einhaltung der Mindeststandards sinnvoll verknüpft werden, und- die Rechtsnatur der externen Qualitätssicherung durch entsprechende normative Regelungen staatsfern gestaltet werden.

Als Regelwerk ist dabei auf die im Europäischen Hochschulraum als verbindlich anerkannten European Standards and Guidelines (ESG) zurückzugreifen. Deren "basic principles" betonen:

  • Die Studierenden - und ebenso die Arbeitgeber und die Gesellschaft allgemein - haben ein Interesse an einer guten Qualität der Hochschulbildung.
  • Institutionelle Autonomie ist von zentraler Bedeutung, wobei einzuräumen ist, dass sie mit einer großen Verantwortung einhergeht.
  • Eine zweckmäßige externe Qualitätssicherung ist notwendig, doch bei der Durchsetzung ihrer Ziele dürfen Hochschulen nicht übermäßig, sondern nur soweit dies unbedingt notwendig ist, belastet werden.
  • Die Ergebnisse der externen Qualitätssicherung sollten zur Information der Öffentlichkeit genutzt werden.

2. Leitlinien zur Weiterentwicklung des Akkreditierungssystems


Um die zuvor genannte Zielsetzung zu verfolgen, ist ein "Institutionelles Audit" anzustreben. In einem Institutionellen Audit wird auf der Grundlage des angestrebten Profils und der festgelegten Ziele der Hochschule begutachtet, ob die implementierten bzw. konzipierten Strukturen und Prozesse geeignet sind, die gewählten (Qualitäts-)ziele insbesondere in Lehre und Studium zu erreichen.


Ein "Institutionelles Audit" kann sich dabei auf die gesamte Hochschule oder abgrenzbare Teilbereiche (z.B. ausgewählte Fakultäten, Fachbereiche oder Fachbereichsgruppen) beziehen, deren eigenverantwortlich gesteuertes Qualitätsmanagementsystem in das der Hochschule integriert ist.


Verfahren


Die Audits werden nach international anerkannten Evaluationsprinzipien durchgeführt (Selbstbericht - Peer Review - Bericht mit Empfehlungen - Follow-Up-Maßnahmen) und zielen auf Qualitätsentwicklung ab.


Sie beurteilen, wie gut das interne Qualitätsmanagement greift, und ob die selbstgesetzten Ziele der Hochschule im Bereich Studium und Lehre mit den von der Kultusministerkonferenz in den Ländergemeinsamen Strukturvorgaben formulierten Mindeststandards kompatibel sind. Sie unterstützen die Hochschulen bei der Verbesserung der Durchführung ihrer Aufgaben in Studium und Lehre einschließlich der Bezüge zur Forschung und zu den unterstützenden Services. Ergebnis ist ein positives oder negatives Auditierungsergebnis.


Ein solches Audit kann als iterativer Prozess betrachtet werden und ermöglicht es, die Verfolgung der Qualitätsziele einer Hochschule über einen längeren Zeitraum hinweg nachzuvollziehen und zu bewerten. Ein positiv verlaufenes Audit führt zur Verleihung eines "Qualitätssiegels" an die Hochschule. Dieses Siegel dient als wichtiges Instrument im Wettbewerb der Hochschulen um Studierwillige und Studierende, da es einen Nachweis für die hohe Qualität der Lehre einerseits und ihre wirksame laufende Weiterentwicklung andererseits darstellt. Im Sinne der ESG ist die Partizipation der Studierenden, die Einbeziehung ihrer Expertise für die Gestaltung eines Qualitätsmanagementsystems sowie auch für den gesamten Auditierungsprozess unverzichtbar.


Es besteht keine unmittelbare Verknüpfung zwischen dem Audit-Ergebnis und der Genehmigung der von der Hochschule angebotenen Studiengänge. Jedoch ist ein erfolgreich absolviertes institutionelles Qualitätsaudit wesentlicher Bestandteil der Rechenschaftslegung der Hochschule und rechtfertigt das Vertrauen des Landes, der betreffenden Hochschule im Rahmen von Zielvereinbarungen das Recht zur Genehmigung, wesentlichen Änderung und Aufhebung von Studiengängen zu übertragen. In diesen Zielvereinbarungen sollten auch Ziele zur Entwicklung des hochschulinternen Qualitätsmanagements vereinbart werden. Es bleibt den Ländern unbenommen, im Rahmen ihrer Rechtshoheit (z.B. Finanz-, Personal- und Landesentwicklungsplanung) entsprechende Prüfungen vorzunehmen und die Ergebnisse dieser Prüfungen in die Zielvereinbarungsverhandlungen mit den Hochschulen einfließen zu lassen. Des Weiteren steht den Ländern die Möglichkeit offen, bei berechtigten Zweifeln an der Effektivität des hochschulinternen Qualitätsmanagements dieses durch eine unabhängige Einrichtung überprüfen zu lassen.


Verschlankung und Entbürokratisierung der SystemakkreditierungAls praktikabler Weg zum Institutionellen Audit kann eine verschlankte und entbürokratisierte Systemakkreditierung dienen. Aus den bisherigen Verfahren lässt sich folgender Veränderungsbedarf ableiten:

  • Die Akkreditierungsfrist wird von derzeit sechs bzw. acht auf zehn Jahre verlängert. Dies entspricht den Empfehlungen des Wissenschaftsrats und dessen Praxis bei institutionellen Akkreditierungen privater Hochschulen.
  • Die Programmstichproben (15% der Studiengänge) entfallen. Hochschulen, die die Zulassung zur Systemakkreditierung beantragen, verfügen über die erforderliche Expertise für die Gestaltung ihrer Studiengänge.
  • Die Merkmalsstichprobe hat in den bisherigen Verfahren keinen erheblichen Erkenntnisgewinn erbracht und entfällt.
  • Die Halbzeitstichprobe entfällt. Bei einer zehnjährigen Akkreditierungsfrist kann statt dessen ein Institutionelles Audit durchgeführt werden.
  • Durch den Entfall der Stichproben wird das Hauptaugenmerk der Begutachtung auf die Qualitätsentwicklungsprozesse gelenkt.
  • Um den entwicklungsorientierten Aspekt hervorzuheben, ist eine Systemakkreditierung mit Auflagen möglich. Die Umsetzung der darin formulierten Empfehlungen bildet einen Teil des Audits nach der Hälfte der Akkreditierungsfrist.

Wenn diese Forderungen bei der Weiterentwicklung der Systemakkreditierung umgesetzt werden, wird dadurch eine sinnvolle Grundlage für die Einführung Institutioneller Audits geschaffen.


Programmakkreditierung


Das Verfahren der Programmakkreditierung bleibt den Hochschulen als Alternative zur Systemakkreditierung bzw. zum Institutionellen Audit erhalten, um einzelne Studiengänge überprüfen zu können.


3. Akteure


Die Weiterentwicklung des Akkreditierungssystems in Richtung auf Institutionelle Audits führt zu einer neuen Rollenverteilung der Akteure im System. Den derzeit im Bereich der Akkreditierung tätigen Agenturen wächst die Rolle von Beratungseinrichtungen zu, die die Hochschulen auf ihrem Weg der Qualitätsentwicklung begleiten Sie können die Hochschulen auch bei der Qualitätsverbesserung einzelner Studiengänge unterstützen.


Das Audit führen Auditorinnen und Auditoren durch, die vom Akkreditierungsrat anerkannt werden. Zum Kreis der Auditorinnen und Auditoren gehören gemäß europäischen Standards auch Studierende sowie Vertreterinnen und Vertreter der Berufspraxis. Erfahrung mit akademischen Gremien, Hochschulorganisation bzw. in Leitungsfunktionen ist dabei vonnöten.


Unter diesen Bedingungen müsste die "Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland", der weiterhin die Koordination und das Monitoring des gesamten Systems obliegt, durch eine neue Verwaltungsvereinbarung gestärkt und durch eine auskömmliche Finanzierung zur Wahrnehmung ihrer neuen Aufgabe befähigt werden. Der Akkreditierungsrat sollte in ein Expertengremium umgewandelt werden, während die Vertreterinnen und Vertreter der Stakeholder (Hochschulen, Studierende, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen, Länder, internationale Experten) im Stiftungsrat vertreten sein sollten.